Feldafing:Leben auf Pfählen

Die Unesco hat die Überreste der jüngsten Pfahlbausiedlung im Starnberger See auf der Roseninsel zum Welterbe erklärt.

Otto Fritscher

"Ja, so wahnsinnig viel sieht man auf den ersten Blick wirklich nicht." Suchend lässt Finanzminister Markus Söder seinen Blick über den Starnberger See schweifen, von der Nordostspitze der Roseninsel aus. Und tatsächlich, wenn man genau hinschaut, erkennt man im seichten Wasser in Ufernähe die Überreste von Holzpfosten, die unter Wasser aus dem schlammigen Seeboden ragen. Tausende solcher Pfosten soll es rund um die Insel geben - und sie sind der Grund, dass an diesem etwas dampfigen Mittwochvormittag zwei bayerische Staatsminister - Söder und sein Kollege Wolfgang Heubisch vom Wissenschaftsministerium, Landrat Karl Roth, Bundes- und Landtagsabgeordnete sowie mehrere Bürgermeister und andere Ehrengäste auf die Roseninsel gekommen sind.

Söder und Heubisch feiern Weltkulturerbe

Söder und Heubisch feiern Weltkulturerbe Feldafing Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) und sein für die Wissenschaft zuständiger Amtskollege Wolfgang Heubisch (FDP, Krawatte) kamen auf die Roseninsel im Starnberger See, um dort mit Landrat und Bürgermeistern die Ernennung der Insel zum Weltkulturerbe zu feiern.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Pfosten sind die Überreste prähistorischer Pfahlbauten, die im Zeitraum von zirka 5000 bis 500 vor Christus im seichten Wasser des Sees errichtet worden sind. Nur wenige solcher Zeugnisse der steinzeitlichen Siedlungsgeschichte gibt es, und deshalb hat die Unesco die Pfahlbauten jetzt zum "Welterbe" erklärt - was gefeiert werden muss. Insgesamt gehören 111 Pfahlbau-Siedlungen in acht Nationen rund um die Alpen zum Kulturerbe, drei der historischen Siedlungsstätten liegen im Freistaat - und die Roseninsel ist mit Abstand der größte Publikumsmagnet. Nicht nur wegen König Ludwig II., der sich hier mit Sisi getroffen haben soll. "Ziel ist es, die Denkmäler in der Flachwasserzone um die Insel systematisch zu erfassen und die archäologischen Funde zu schützen", erklären Söder und Heubisch unisono. Eine neue Schautafel erläutert den jährlich bis zu 13 500 Besuchern auf der Roseninsel die Funde. Bei der Erforschung hat die Gesellschaft für Unterwasser-Archäologie eine herausragende Rolle gespielt. "Die Siedlung war bis 500 vor Christus bewohnt", erklärt Ulrich Schlitzer, selbst Taucher und Archäologe. Sie sei damit die nachweislich jüngste bekannte Pfahlbausiedlung aus frühkeltischer Zeit. Schlitzer hat im Seegrund mitgebuddelt und ist ein renommierter Pfahlbauexperte.

Bis zu 100 Bewohner müssen seinen Erkenntnissen nach die von Palisaden umgebene Siedlung bewohnt haben. Kleine Häuser mit einer Wohnfläche von nur rund zehn Quadratmetern waren es, in denen frühkeltische Familien lebten. Sie ernährten sich von Ackerbau an Land und vom Fischfang. Die Insel war also über Jahrtausende hin bewohnt, man trieb Handel, wie ein im See gefundener norditalienischer Dolch erzählt. Von einem heidnischen Tempel berichtet die Legende, gesichert sind der Bau einer christlichen Kirche und einer Burg im Mittelalter, bis König Maximilian II. dann das vor Jahren frisch renovierte Casino bauen ließ.

Die Ehrengäste interessieren sich inzwischen weniger für die Historie, sondern für das auf der Wiese aufgebaute kleine Buffet. Immer wieder schippert Norbert Pohlus mit stoischer Miene gesättigte Festgäste auf seiner Fähre zurück ans Ufer. "Ich habe schon viele Minister und andere Promis gefahren. Das zähle ich gar nicht mehr", sagt Pohlus. Und so wird klar: Minister kommen und gehen, der Fährmann bleibt.

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