Deutschland hinkt bei der Entwicklung von Elektroautos hinterher:Unter Schwachstrom

Bessere Luft, weniger Abhängigkeit vom Öl, Zehntausende neue Arbeitsplätze: Die Vorteile der Elektroautos werden weithin gerühmt. Doch die deutschen Hersteller treiben die Entwicklung der Zukunftstechnologie nur halbherzig voran.

Karl-Heinz Büschemann

Die Herren kamen dem Anlass angemessen mit elektrischen Autos. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) fuhr im batteriebetriebenen BMW vor das Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) steuerte einen elektrischen VW. Autoverbandschef Matthias Wissmann rollte im E-Smart an und Dieter Schweer, der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, bekam einen Opel Ampera zum Vorfahren vor der Presseschau zugeteilt.

Neuer Elektroauto-Bericht wird vorgestellt

Die Entwicklung von Elektrofahrzeugen ist mühsam und teuer. Vor allem die Batterien - Herzstücke der E-Autos - machen Probleme.

(Foto: dpa)

Damit wurde er ungefragt zum Sonderbotschafter für Elektroautos. Denn Opel hatte vor einem halben Jahr die Markteinführung des Ampera um ein paar Monate verschieben müssen - ein Test-Auto der Opel-Mutter General Motors war Ende 2011 in Flammen aufgegangen.

Drinnen vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz ging es dann um gute Nachrichten aus der Welt der stromgetriebenen Autos. Henning Kagermann, der frühere Chef des Software-Unternehmens SAP und Chef der Nationalen Plattform Elektromobilität (er war im elektrischen Audi A 3 gekommen), trug jede Menge guter Nachrichten aus der Autowelt von morgen vor. Alles scheint in Ordnung zu sein. "Deutschland befindet sich auf einem guten Weg in der Marktvorbereitungsphase." In Deutschland kämen in den nächsten zwei Jahren fünfzehn neue Modelle in den Handel.

Doch Kagermann hat auch schlechte Nachrichten. Nicht alles läuft rund bei der Einführung der Autos, die eines Tages die benzin- oder dieselgetriebenen Fahrzeuge ablösen sollen. Kagermann erwartet bis 2020 keineswegs die von Kanzlerin Angela Merkel angestrebte Zahl von einer Million Stromautos. Der Chef der NPE, die seit zwei Jahren die Zusammenarbeit von Unternehmern, Politikern und Wissenschaftlern zum Segen des Elektroautos fördern soll, rechnet nur mit 600.000. Mehr könnten es nur werden, wenn der Staat die neue Technologie bessern fördern würde.

Die Kunden kaufen lieber Spritschlucker

Heute gibt es in Deutschland erst 4500 Elektro-Pkw. Das entspricht etwa 0,1 Promille der zugelassenen Autos. Noch immer kaufen die Kunden lieber Spritschlucker mit viel PS. "Die deutschen Autobauer entwickeln und verkaufen wie gehabt grotesk übermotorisierte und spritdurstige Fahrzeuge", klagt der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch.

Auch NPE-Chef Kagermann wünscht sich Verbesserungen. Der Staat müsse mehr steuerliche Anreize bieten, um den E-Autos auf die Straße zu helfen, die 4000 bis 9000 Euro teurer sind als herkömmliche Fahrzeuge. Bestehende Nachteile im Steuerrecht müssten kompensiert werden. Gewerblichen Nutzern sollten bessere Abschreibungsmöglichkeiten bekommen. Die Regierung, so die vorsichtige Kritik, habe manches versprochen, was sie nicht gehalten habe. Vorschläge der Plattform seien "bisher noch nicht umgesetzt" worden. Kritik der Plattform richtet sich aber auch an die staatlichen und kommunalen Unternehmen. Die könnten verstärkt mit Batterien getriebene Autos einsetzen und für den Absatz von ein paar hunderttausend Autos sorgen

Vor zwei Jahren noch waren Öffentlichkeit und Autoindustrie von dem Gedanken beseelt, das Stromauto sei die Zukunft des individuellen Fahrens. Diese Begeisterung ist abgeebbt. "Die Euphorie des Aufbruchs hat sich etwas gelegt", weiß NPE-Chef Kagermann.

"Es gibt keine Alternative"

Die deutschen Autohersteller, die lange nicht an das E-Auto glaubten, haben sich immerhin damit abgefunden, dass sie sich mit elektrischen Antrieben befassen müssen, von denen sie wenig verstehen. Ein Grund ist der Druck der EU auf die Hersteller, den Durchschnittsverbrauch der angebotenen Fahrzeugflotte zu verringern. In manchen Mega-Städten, so befürchten die Autobauer, droht bald ein Fahrverbot für fossil getriebene Autos. Darauf müssen die Hersteller vorbereitet sein. Auch der stark steigende Spritpreis könnte ein Anreiz sein, über ein Auto mit alternativem Antrieb nachzudenken.

Inzwischen sind VW, BMW und Daimler dabei, Stromantriebe für Autos zu entwickeln. BMW bereitet ein eigenes Werk für ein Strommobil vor. VW richtet ein eigenes Elektromotorenwerk ein. Heute glaubt niemand mehr in der Branche, am E-Auto vorbeizukommen. "Es gibt keine Alternative", sagt ein Automanager. "Ohne Elektroauto kommen wir nicht weiter." Doch der Manager, der nicht genannt werden will, räumt ein, dass die Autobauer nicht mit derselben Energie am Stromauto bauen wie an konventionellen Autos. "Da fehlt noch der Wumm, der auf dem Benzin- oder Dieselmotor liegt."

Auch Audi-Chef Rupert Stadler räumt ein, die Elektromobilität sei noch "mit angezogener Handbremse" unterwegs. Nach Meinung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer läuft die Startphase des E-Autos miserabel. "Die Elektromobilität ist dabei, zu sterben", sagt der Direktor des Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen.

Mühsam, teuer und gefährlich

Die Entwicklung von Elektroautos ist mühsam und teuer, sie ist für die meisten Autohersteller auch Neuland. Vor allem die Batterien - Herzstück der E-Autos - machen erhebliche Probleme. Sie erlauben bisher nur geringe Reichweiten, und technologisch anspruchsvoll sind sie auch. Erst kürzlich ist ein Stromauto des chinesischen Herstellers Build Your Dreams wegen eines Problems mit der Batterie ausgebrannt. Es gab drei Tote. Auch mangelt es an der Infrastruktur. In Deutschland fehlen noch die nötigen Steckdosen am Straßenrand, in Parkhäusern oder in den Betriebsparkplätzen, um die Autos flächendeckend mit Strom zu versorgen.

Nach Jahren der Debatte über die Zukunft des Elektroautos gibt in diesem Land noch immer keinen einheitlichen Stecker, um Ladestationen anzuzapfen. Von einer Lösung für ganz Europa ist ganz zu schweigen. Solches Durcheinander aber schafft keinen Anreiz, einen Stromer zu kaufen. Wann es so weit ist, kann der Automobilverband VDA nicht sagen. Der Verband weiß aber: "Elektrisches Fahren wird künftig nur erfolgreich sein, wenn es für den Kunden einfach und praktikabel ist."

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