Romney beendet Vorwahlkampf der Republikaner:Nach der Schlacht ist vor der Schlacht

Zum Schluss noch mal ein klarer Sieg: Mit mehr als 90 Prozent der Stimmen gewinnt Mitt Romney in Utah und beendet den Vorwahlkampf der Republikaner auch offiziell. Was bleibt? Die Partei steht im Kampf gegen Obama so weit rechts wie nie - das bringt Romney in ein Dilemma.

Michael König

Es begann auf einer Farm namens "Bittersweet", bittersüß. Am 3. Juni 2011 stand dort Mitt Romney, umgeben von Heuballen und Unterstützern, und sprach die magischen Worte: "Ich heiße Mitt Romney, ich glaube an Amerika, und deshalb bewerbe ich mich als Präsident der Vereinigten Staaten."

Für die Wahl des Ortes ("War die Zur-Hölle-ich-verliere-die-Wahl-ohnehin-Farm schon gebucht?", ätzte das Demokraten-Blog Daily Kos) erntete Romney reichlich Spott. Und nicht nur dafür. Dieser liberale, aalglatte, humorlose Multimillionär aus Massachusetts sollte starke Kontrahenten wie Rick Perry, Michele Bachmann oder Rick Santorum ausschalten?

Er hat es geschafft. Knapp 13 Monate nach seinem Auftritt in New Hampshire hat Romney jetzt die letzte Vorwahl der US-Republikaner für sich entschieden. In Utah kam er - wenig überraschend - auf mehr als 90 Prozent der Stimmen. Utah ist Hochburg der Mormonen, denen Romney angehört. Und seine ärgsten Konkurrenten - Rick Santorum, Newt Gingrich und zuletzt auch Ron Paul - hatten sich bereits vor Wochen aus dem Rennen verabschiedet.

Die offizielle Nominierung zum Obama-Herausforderer Ende August beim Parteitag in Tampa, Florida, ist damit Formsache. Die nötigen 1144 Delegiertenstimmen hat Romney locker beisammen. Das glanzvolle Ergebnis von Utah war lediglich eine "Rampe" für Romney, schrieb das Blog Politico. "Eine Möglichkeit, seine Vorwahlkampf-Kampagne mit einem überwältigenden Ergebnis abzurunden."

Das hat Romney auch nötig. Der Vorwahlkampf der Republikaner war scharfkantig, polarisierend. Er nahm Phänomene vorweg, die das Duell Obama gegen Romney gleichermaßen belasten und befeuern werden. Die wichtigsten Lehren des republikanischen Vorwahlkampfs im Überblick.

So weit rechts war selten

Für einen Europäer waren die TV-Debatten der Republikaner häufig schwer zu ertragen. Da ließ sich der texanische Gouverneur Rick Perry vom Publikum dafür feiern, dass unter seiner Ägide mehr als 200 Straftäter hingerichtet wurden. Michele Bachmann sagte, mit ihr als Präsidentin gäbe es keine US-Botschaft in Teheran (schon 1980 haben die USA alle diplomatischen Beziehungen zu Iran beendet) und Romney kündigte an, er wolle auch mit Hilfe einer "militärischen Option" den Bau einer iranischen Bombe verhindern.

Die Abschaffung ganzer Ministerien, der Rückzug des Staats von der Sozialpolitik bis zum Schulwesen, die Darstellung des Klimawandels als Humbug und ein Ja zu grenzenlosen Ölbohrungen gehörten zum Programm fast aller Bewerber. Von den Positionen zur Abtreibung und zur Homo-Ehe ganz zu schweigen.

Der Rechtsruck des Partei-Establishments ist zwar für Vorwahlkämpfe typisch, doch die erzkonservative Tea-Party-Bewegung ließ die Kandidaten noch mehr abdriften. Bei der Kür des Präsidentschaftskandidaten schien alles verdächtig, was nicht der Vorstellung der extremen Konservativen entsprach. Der ehemalige US-Botschafter in Peking, Jon Huntsman, bekam das zu spüren, als er in einer TV-Debatte auf Chinesisch antwortete (hier die Szene im Video) - und sich später dafür rechtfertigen musste. Romneys Lektion: Er hält seine Französischkenntnisse, erworben für einen Aufenthalt als Missionar der Mormonen, im Wahlkampf geschickt verborgen.

Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts galt den Tea-Party-Befürwortern stets als zu liberal. Eine von ihm durchgesetzte Gesundheitsreform gilt als Blaupause für Obamacare, die verhasste Reform des amtierenden US-Präsidenten, über die voraussichtlich am Donnerstag der Supreme Court entscheiden wird. In Anbetracht seiner ärgsten Konkurrenten Newt Gingrich, ehemals Sprecher des Repräsentantenhauses, und Rick Santorum, Ex-Senator für Pennsylvania, hatte Romney keine andere Wahl, als sich inhaltlich immer weiter nach rechts zu orientieren.

Nun steckt er in einem Dilemma: Korrigiert er seinen Kurs in Richtung Mitte, um Obama zu schlagen, vergrätzt er die eigene Partei. Die Tea Party ist weiterhin mächtig. Das stellte sie Anfang Juni unter Beweis, als es ihr gelang, den republikanischen Gouverneur von Wisconsin und Gewerkschafts-Gegner Scott Walker vor einer vorzeitigen Abwahl zu bewahren. Bleibt Romney jedoch bei seiner Linie, hat er bei Wechselwählern schlechte Karten.

Obama macht sich das zunutze. Mit einem Dekret für einen zweijährigen Abschiebestopp für illegale Einwanderer, die jünger als 30 Jahre alt und schon als Kinder und Jugendliche in die USA gekommen sind, hat der Präsident seine Sympathiewerte bei den Latinos aufgebessert, einer wichtigen wie überproportional wachsenden Wählergruppe.

Bei den Republikanern stehen stattdessen die Tea-Party-Forderungem nach höheren Grenzzäunen, mehr Kontrollen und strengeren Gesetzen hoch im Kurs. Die Mehrheit der Politiker weigert sich entsprechend, in spanischsprachigen TV- oder Radioshows aufzutreten. Von schwarzen Wohnvierteln ganz zu schweigen.

Ausnahmen wie Romneys möglicher Vize-Präsidentschaftskandidat Marco Rubio, der kubanischstämmige Senator Floridas, sind selten. Altgediente Politikveteranen halten diesen Trend für gefährlich.

Die Lobby mischt im Wahlkampf mit

Kauft euch Amerika!

Korruption ist in den USA verboten. Aber wenn Unternehmer unbegrenzt Geld in einen Wahlkampf pumpen können, ist das vollkommen legal. Zu dieser paradoxen Situation hat ein Urteil des Supreme Courts geführt, der Anfang 2010 Lobbygruppen indirekte Wahlhilfe ermöglichte.

Somit konnten Einzelpersonen, Unternehmen und Gewerkschaften nun mit beliebig hohen Summen für einen Politiker werben oder dessen Gegner schmähen. Einzige Voraussetzung: Das Geld durfte nicht direkt in die Wahlkampfkasse ihres Kandidaten oder einer Partei fließen.

Es war die Geburtsstunde der Super Pacs, jenen politischen Aktionskomitees oder auch Spendensammelvereinen, die den US-Wahlkampf seither maßgeblich bestimmen. Über diesen Irrsinn haben viele Beobachter viele Worte verloren (Exemplarisch sei hier "Stimmzettel? Scheckbücher sind effektiver" im US-Wahlblog verlinkt).

Schon der Vorwahlkampf war massiv geprägt von den Milliardären hinter den Kandidaten. Mitt Romney musste auch deshalb so lange mit seinen Kontrahenten Rick Santorum und Newt Gingrich ringen, weil sich deren Sponsoren einen Spaß daraus machten, ihre Kandidaten trotz totaler Aussichtslosigkeit möglichst lange im Rennen zu halten. Unternehmer wie Sheldon Adelson (für Gingrich) und Foster Friess (für Santorum) ließen schon früh durchblicken, ihr Budget immer weiter aufzustocken - so ihnen der Obama-Herausforderer denn passen werde. (Hier die wichtigsten Spender im Porträt.)

Den US-Präsidenten bringt das in Bedrängnis. 2008 war er im Wahlkampf gegen John McCain derjenige mit der pralleren Geldbörse. Vier Jahre später droht ihn Romney zu überholen. Vor lauter Spendensammeln könne er kaum noch regieren, klagen Demokraten. Hier ein Abendessen mit Obama und George Clooney, dort eines mit Obama und Aretha Franklin, für das die weniger prominenten Gäste bis zu 40.000 Dollar zahlen - pro Nase.

Der Präsident macht keinen Hehl daraus, das Geld nötig zu haben. Er müsse sich wehren, schließlich wollten die Republikaner ihn bis zur Präsidentenwahl mit teuren, schmähenden TV-Spots niedermachen: "Deren negative Werbung kann Milliarden kosten."

Keine Gnade für den Konkurrenten

Es wird verdammt schmutzig

Für Youtube sind es gute Zeiten. Der Internet-Videodienst wird im US-Wahlkampf beinahe täglich mit neuem, optisch hochwertigem Material gefüttert, die einen schönen Kontrast zum gängigen Amateur-Katzenvideo bilden. Urheber sind die Kampagnenzentralen der Bewerber, die kaum Kosten scheuen, immer neue Bewegtbilder zu produzieren.

Vor allem Negativwerbung gilt als der Hit des US-Wahlkampfs. Rick Santorum tat sich hier besonders hervor. Seine Berater legten in einem Video die USA visuell in Schutt und Asche (als Folge der demokratischen Außenpolitik) und waren sich auch nicht zu schade, Obama und den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zu einer Person verschmelzen zu lassen.

Der konservative TV-Sender Fox News fühlte sich davon offenbar animiert und zog mit einem Anti-Obama-Video nach, das den Präsidenten für die schlechte wirtschaftliche Lage, Armut und Obdachlosigkeit verantwortlich machte. Dieser Versuch war allerdings dermaßen dümmlich, dass er selbst Republikaner empörte.

So entwickelt sich ein Video-Kleinkrieg, an dem die Demokraten gleichermaßen beteiligt sind: Sie lassen Arbeiter zu Wort kommen, die durch Romneys Investment-Firma Bain Capital (angeblich) ihren Job verloren. "Sie waren wie Vampire, sie haben uns ausgesaugt", heißt es dann. Oder: "Ich bin wütend. Diese Leute sind doch alle reich, sie haben mehr, als sie jemals ausgeben können. Sie kümmern sich nicht um die Leute, die ihr Geld verdienen." Die Romney-Kampagne hält dagegen: Eine Mutter trauert, weil ihre Kinder keine Jobs finden und wieder daheim einziehen müssen.

Die Motive sind wiederkehrend: die republikanische Heuschrecke Romney auf der einen, der Wirtschafts-Versager Obama auf der anderen Seite. Noch ist der Ton relativ gemäßigt. Harte Botschaften kämen beim Wähler nicht an, sagen die Chefstrategen auf Anfrage.

Aber die Kassen sind voll, der Wahlkampf ist noch lang und das Rennen zwischen Romney und Obama wird voraussichtlich eng. Gute Argumente, doch noch die Keule auszupacken.

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