Ermittlungen zur Neonazi-Mordserie:Verfassungsschutz ließ wichtige Akten vernichten

Im Bundesamt für Verfassungsschutz sollen wichtige Ermittlungsakten zur Zwickauer Terrorzelle vernichtet worden sein. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen wurden die Unterlagen erst nach Auffliegen des Thüringer Neonazi-Trios gelöscht - nachdem sie zuvor jahrelang gelagert worden waren.

Tanjev Schultz

Der Verfassungsschutz hat zwischen 1997 und 2003 großen Aufwand betrieben, um die Neonazi-Szene in Thüringen zu unterwandern. Mit acht Spitzeln versuchte er Informationen aus dem "Thüringer Heimatschutz" (THS) zu gewinnen, aus dem auch das Trio stammte, das später die Zwickauer Terrorzelle bildete und jahrelang unentdeckt raubend und mordend durchs Land zog.

Weitere Festnahme wegen Verbindung zur Zwickauer Terrorzelle

Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll sechs Spitzel im rechtsradikalen "Thüringer Heimatschutz" eingesetzt haben (im Bild: das Haus eines mutmaßlichen Terror-Helfers im sächsischen Johanngeorgenstadt).

(Foto: dpa)

Das Bundesamt für Verfassungsschutz koordinierte die Operation "Rennsteig". Es soll selbst sechs Quellen im THS geführt haben, zusätzlich zu V-Leuten des Thüringer Landesamts. Doch von der Operation, die den Verfassungsschutz dicht heranführte an die rechte Terrorzelle, fehlen nun wichtige Akten: Sie wurden im Bundesamt für Verfassungsschutz gelöscht - nach Auffliegen der Terrorzelle Ende vorigen Jahres. Das erfuhr die Süddeutsche Zeitung am Mittwochabend aus Sicherheitskreisen.

Am 11. November 2011 sind demnach vier Akten der Operation "Rennsteig" vernichtet worden. Begründung: Es sei aufgefallen, dass die Löschfrist bereits abgelaufen war. Personenbezogene Daten darf der Verfassungsschutz nicht unbegrenzt speichern.

In Berlin kursiert die Frage, warum die Akten dann überhaupt so lange aufbewahrt wurden - und sie ausgerechnet dann gelöscht wurden, als Politik und Öffentlichkeit erfahren wollten, was eigentlich der Verfassungsschutz über das Neonazi-Trio wusste.

Andere sagen, das Löschen sei nun einmal aus datenschutzrechtlichen Gründen unumgänglich gewesen. Dass es Spitzel im THS gab, ist zwar schon länger bekannt. Der Thüringer Verfassungsschutz führte den Neonazi Tino Brandt, der den THS maßgeblich prägte, als V-Mann.

Kontakte der Neonazis nach Bayern

Die Operation Rennsteig zeigt aber, dass auch das Bundesamt für Verfassungsschutz in die Thüringer Szene stark eingriff. Außerdem sollen Bayern und Brandenburg an der Operation beteiligt gewesen sein. Nach Bayern hatten die Thüringer Neonazis vielfältige Kontakte. So war geplant, einen "Fränkischen Heimatschutz" aufzubauen.

Die Nachricht über die gelöschten Akten wird an diesem Donnerstag die Sitzung des Untersuchungsausschusses im Bundestag beeinflussen, der das Versagen der Sicherheitsbehörden aufklären soll. Als Zeuge ist BKA-Chef Jörg Ziercke geladen. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, kommt erst nächste Woche in den Ausschuss. Auf ihn warten viele kritische Fragen.

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