Nach der EZB-Entscheidung:Was die drei Leitzinssätze bedeuten

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins auf historisch niedrige 0,75 Prozent gesenkt. Doch in den Meldungen ist noch von zwei weiteren Zinssätzen die Rede. Alle drei sind wichtige Elemente der Geldpolitik - hier wird erklärt, was sie bewirken.

Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt den Leitzins für die Euro-Zone fest. Den Notenbankern stehen jedoch zur Kontrolle der Inflation nicht nur ein, sondern drei Zinssätze zur Verfügung, über die sie jeden Monat beraten. Der eigentliche Leitzins, nämlich der Zinssatz, den die Banken in der Euro-Zone bezahlen müssen, wenn sie sich Liquidität bei der Notenbank besorgen, liegt dabei in der Mitte eines sogenannten Zinskorridors mit zwei weiteren Zinssätzen über und unter ihm.

[] Der Leitzins

Er steht normalerweise im Mittelpunkt des Interesses, wenn Medien über die Zinsentscheidungen der EZB berichten. Diesen Zinssatz verlangt die EZB bei ihren Hauptrefinanzierungsgeschäften von den Banken. Er hat eine Steuerungsfunktion für den Interbankenmarkt auf dem sich die Institute gegenseitig Geld borgen, um kurzfristige Bedarfe auszugleichen oder Überschüsse anzulegen. Die EZB veranstaltet jede Woche eine Auktion, bei der Banken mitbieten können. Seit 2008, als die erste Welle der Finanzkrise über dem Bankensystem hereinbrach, teilt die EZB bei ihren Auktionen so viel Geld zu, wie die Banken abrufen - und das zum Festzins, dem Leitzins.

Vor der Krise war das der Mindestzinssatz, den die Geldhäuser bieten mussten, um an Zentralbankliquidität zu kommen. Der Leitzins ist also vereinfacht ausgedrückt der Preis des Geldes, den die Geschäftsbanken zahlen müssen. Sinkt er, wird die Refinanzierung für die Banken billiger. Es sinken dann allerdings auch die Zinsen, die diese ihren Kunden gutschreiben. Umgekehrt fallen auch die Kreditzinsen, die etwa Bauherren für ihr Eigenheim berappen müssen. Wird Geld tendenziell billiger, sollte dies im Idealfall zu einer erhöhten Nachfrage nach Krediten bei Unternehmen und Haushalten führen, damit steigen dann Konsum und Investitionstätigkeit - allerdings auch das Preisniveau.

[] Einlagezins

Wenn eine Bank zu viel Geld hat oder sich - wie in der aktuellen Krise - nicht traut, anderen Banken Geld zu leihen, dann kann sie auch die sogenannte Einlagefazilität der EZB nutzen. Auf dieses "Konto" eingezahlte Beträge werden von der Notenbank mit dem Einlagezinssatz verzinst. Er ist niedriger als der Leitzins, weil die Notenbank kein Interesse daran hat, dass die Banken ihre Einlagefazilität stark nutzen, sondern lieber will, dass sich Geldangebot und -nachfrage über den freien Interbankenmarkt ausgleichen.

Aktuell liegt viel Geld in der Einlagefazilität der EZB - rund 800 Milliarden Euro. Grund dafür ist zum einen die enorme Summe an Überschussliquidität, die nach den jüngsten etwa eine Billion Euro schweren Geldspritzen der EZB auf dem Markt ist. Zum anderen ist das Misstrauen zwischen den Banken so groß, dass diese die Sicherheit bei der EZB bevorzugen und lieber Geld zum Minizins bei der Notenbank anlegen, als befürchten zu müssen, dass eine Bank, der sie das Geld kurzfristig geliehen haben, es nicht mehr zurückzahlen kann.

Mit einer Senkung des Einlagezinssatzes macht es die EZB für die Banken unattraktiver, Geld bei ihr zu parken. Sogar negative Zinsen - also Strafzinsen - sind denkbar. Mit dieser Strategie hat 2009 die schwedische Reichsbank versucht, die Banken dazu zu bewegen, sich gegenseitig wieder mehr zu leihen. Der Plan ging damals zum Großteil auf.

[] Zins für Übernachtausleihe

Die EZB leiht ihren Kunden - also den Banken - wie andere wichtige Notenbanken auch bei Bedarf kurzfristig Geld. Dafür verlangen die Notenbanker allerdings auch einen satten Zins, den Spitzenrefinanzierungssatz. Er liegt über dem Leitzins und ist damit der obere Rand des Zinskorridors. Er wird deshalb in der Regel nur von Banken in Anspruch genommen, die ein Problem haben - in Krisenzeiten können dies recht viele werden.

Sinkt der Spitzenrefinanzierungssatz, wird es für diese Banken im Falle einer Zinssenkung billiger, sich bei der EZB mit Liquidität einzudecken. Allerdings gilt auch hier der Grundsatz, dass nur solvente Banken, die ausreichend Sicherheiten stellen können, überhaupt Geld von der EZB bekommen.

Wer dies nicht mehr kann, hat nur noch die Chance, von seiner nationalen Zentralbank Notfall-Liquidität zu bekommen, im Fachjargon Emergency Liquidity Assistance (ELA) genannt. ELA-Geld freilich ist noch teurer und der EZB-Rat muss genehmigen, wenn eine nationale Notenbank einer "ihrer" Banken diesen letzten Notgroschen zur Verfügung stellen will.

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