Prozess um NDR-Drehbuch-Affäre:"Frau Heinze hat Karrieren gemacht"

Sie soll ihre eigenen Drehbücher und die ihres Mannes unter falschem Namen an ihren Arbeitgeber verkauft haben. Jetzt steht Doris Heinze, ehemalige Fernsehspielchefin des NDR, wegen Bestechlichkeit und schwerer Untreue in Hamburg vor Gericht. Der Versuch, für ein Geständnis ein geringes Strafmaß zu vereinbaren, ist bereits gescheitert. Jetzt zweifelt die Verteidigung an der Kompetenz des Gerichts.

Ralf Wiegand

An diesem Freitag läuft auf arte - man möchte darüber schmunzeln - zur besten Sendezeit "Die Freundin der Tochter". Es ist die Wiederholung einer Produktion für die ARD, 2008 entstanden, das Drehbuch, so heißt es im ARD-Prospekt heute, hat Doris Heinze geschrieben. Wenn man ein bisschen in den Archiven stöbert, findet man aber auch ein ganz anderes Impressum für den Film, Drehbuchautorin hier: Marie Funder.

Verfahren gegen Doris Heinze

Die frühere NDR-Fernsehspielchefin Doris Heinze soll unter Pseudonym ihrem Arbeitgeber selbst verfasste Drehbücher von sich und ihrem Mann verkauft haben. Dafür muss sie sich seit Donnerstag vor Gericht verantworten.

(Foto: dapd)

Tatsächlich sind Doris Heinze und Marie Funder ein und dieselbe Person; das wusste damals aber niemand. Doris Heinze hat unter dem Pseudonym Marie Funder Drehbücher geschrieben und sie dann als Doris Heinze, NDR-Fernsehspielchefin, produzieren lassen. Weil das schon in dieser Verknappung nicht ganz legal klingt, steht Frau Heinze seit Donnerstag mit anderen in Hamburg vor Gericht. "Nichts als die Wahrheit" wolle sie nun, vor Gericht, aussagen, hatte ihr Anwalt Gerd Benoit angekündigt. Könnte auch noch so ein Fernsehspieltitel sein.

Doch daraus ist erstmal nichts geworden. Die Verteidigung hatte auf einen Deal gesetzt - was die Staatsanwaltschaft aber durchkreuzte. Die Anklagebehörde wolle plötzlich eine bereits getroffene Absprache nicht mehr, behauptete Benoit am Donnerstag, nachdem der Vorsitzende Richter Volker Bruns mit dem Versuch gescheitert war, eine so genannte "Verständigung" herbeizuführen: Niedriges Strafmaß gegen hübsches Geständnis. Ohne Deal kein Geständnis.

Zur Sache: Doris Johanna Heinze-Strobel, die frühere Fernsehspielchefin des NDR, ihr Mann Claus Strobel sowie die Münchner Produzentin Heike Richter-Karst sind vor dem Landgericht Hamburg der Bestechlichkeit, Bestechung, schweren Untreue bzw. der Beihilfe zu alledem angeklagt. Wegen des gescheiterten Deals kommt nun alles auf den Tisch, alle Details zum Sturz der Doris Heinze. "Ich werde Heinze genannt", sagt sie selbst, Heinze-Strobel steht nur im Pass.

Als Doris Heinze war die 63-Jährige einst eine der mächtigsten Frauen im NDR, entschied darüber, wer welche Filme für den Sender produzieren durfte. Sie vergab Millionenaufträge. "Frau Heinze hat Karrieren gemacht", sagte Heike Richter-Karst während einer ihrer Vernehmungen. Auch ihre eigene als Produzentin, glaubt die Staatsanwaltschaft.

Die NDR-Fernsehspielchefin und Richter-Karst, früher unter anderem Geschäftsführerin der Münchner Produktionsfirma Allmedia Pictures, hatten nach Auffassung der Ermittlungsbehörde eine einträgliche, aber illegale Geschäftsbeziehung miteinander. Verkürzt um viele komplizierte Vertragsdetails soll das demnach ungefähr so funktioniert haben: Doris Heinze schrieb, sozusagen im Nebenjob, Drehbücher etwa für die Sonntagabend-Krimireihe Polizeiruf 110. Sie verwendete dafür das Pseudonym "Marie Funder".

Ihr Mann Claus Strobel ist hauptberuflich Autor, er schrieb auch Drehbücher unter Pseudonym, nannte sich "Niklas Becker". Richter-Karst soll diese Bücher ungesehen gekauft haben, dafür habe ihr Heinze versprochen, dass der NDR ihre Firma mit der Produktion beauftragen würde, ohne andere Angebote einzuholen. Die Honorare für die Drehbücher musste später der NDR bezahlen.

So hätten laut Anklage alle was davon gehabt: Frau Heinze strich das volle Drehbuchhonorar von bis zu 26.000 Euro pro Werk ein, obwohl ihr laut senderinterner Satzung nur die Hälfte zugestanden hätte, wenn sie als NDR-Mitarbeiterin für ihren Arbeitgeber schrieb. Gleichzeitig brachte sie ihren Gatten unentdeckt im eigenen Sender unter; er strich bis zu 70.000 Euro für ein Drehbuch ein. Als Gegenleistung habe Heinze, so die Anklage, dafür gesorgt, dass die Filme von der Allmedia produziert wurden. Produktionsvolumen pro Film: Mehr als 1,3 Millionen Euro. Für Frau Funder und Herrn Becker wurden Biografien erfunden, gesehen hat man die beiden natürlich nie. Sie waren stets "verreist", wenn sie jemand kennenlernen wollte.

Mit dem NDR, der ihr 2009 fristlos kündigte, einigte sich Heinze 2010 auf eine Rückzahlung von angeblich 90.000 Euro für zu Unrecht erhaltene Honorare. Von 2003 bis 2009 sollen die Deals zwischen der Fernsehspielchefin und der Produzentin gelaufen sein. Es ist dabei ein derart kompliziertes Geflecht entstanden, dass einer der Verteidiger am Donnerstag die Kompetenz des Gerichts anzweifelte, sie aufzudröseln. Er beantragte, die Kammer müsse mit drei statt mit zwei Berufsrichtern verhandeln.

Zur Entspannung hilft: Fernsehen. "Die Freundin der Tochter" (20.15 Uhr, Arte) ist gut besetzt mit Edgar Selge und Katrin Sass. Die Story, die sich Doris-Marie Funder-Heinze ausgedacht hat, handelt übrigens im weitesten Sinne von Betrug.

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