CDU unterstützt grünes Schulkonzept:Reggae in der Bildungspolitik

CDU und CSU lösen sich allmählich von ihrer Fixierung auf ein starr gegliedertes Schulsystem. Im Saarland folgt die Union bildungspolitisch neuen Wegen.

T. Schultz

Eine Reform ist einschneidend, wenn eine Partei sich lange damit quälen und vertraute Positionen aufgeben muss. In der Geschichte ist vor allem die SPD eine solcherart gequälte Partei gewesen. Ob bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder den Hartz-Gesetzen: Die Sozialdemokraten mussten programmatisch oft weite Wege gehen.

Bildungsstreik 2009, ddp

Zahlreiche Schüler und Studenten protestierten 2009 bundesweit für bessere Lernbedingungen. Die Jamaika-Koalition im Saarland schickt nun ein schulpolitisches Konzept auf den Weg, das ein erster Schritt in Richtung eines gerechteren Bildungssystems sein könnte.

(Foto: Foto: ddp)

In der Schulpolitik ist jetzt mal die Union dran.

Pädagogischer Pragmatismus

Im Saarland unterstützt die CDU in der Jamaika-Koalition ein grünes Konzept für Gemeinschaftsschulen und eine längere Grundschulzeit. Schritt für Schritt lösen sich die Konservativen von ihrer Fixierung auf ein starr gegliedertes Schulsystem. Pädagogischer Pragmatismus erfasst sie - das kann, nach all den Schulkämpfen der Vergangenheit, nur im Sinne der Kinder sein.

Der Koalitionsvertrag im Saarland folgt in wesentlichen Punkten der Schulpolitik, die Schwarz-Grün in Hamburg vorantreibt. Die Bildungswege der Kinder sollen möglichst lange offengehalten werden, der Übertritt nach der Grundschule soll seinen Schrecken verlieren.

Kindern aus nicht-akademischen Familien wird bisher zu wenig und zu spät geholfen. Im Saarland soll es künftig ein Schulvorbereitungsjahr geben, mit verstärkter Sprachförderung. Ein guter Anfang.

Zweigliedriges Schulsystem

Außerdem soll es neben den Gymnasien nur noch einen Schultyp geben: die Gemeinschaftsschule, an der leistungsstarke Kinder ebenfalls das Abitur machen können. Die Schulen sollen die Freiheit bekommen, den Unterricht so zu gestalten, dass er den Schwachen wie den Starken gleichermaßen gerecht wird. Das kann gelingen, wenn die Schulen abrücken von der bloßen frontalen Belehrung und sie dem Ermutigen und selbständigen Lernen mehr Raum geben.

Das Gymnasium soll im Saarland erhalten bleiben; es abzuschaffen, haben sich auch Sozialdemokraten, sei es in Berlin oder in Rheinland-Pfalz, nicht getraut. So entsteht in immer mehr Bundesländern ein zweigliedriges Schulsystem, das sich aber durch große Durchlässigkeit bei den Abschlüssen auszeichnet.

Allerdings dürfte es noch eine Weile dauern, bis die Union in den großen westlichen Flächenländern, in Bayern oder Baden-Württemberg, den Reiz dieses Modells erkennt. Und in wichtigen Aspekten werden sich die Schulen auch in Zukunft von Land zu Land unterscheiden - zum Nachteil der Kinder.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, weshalb eine uneinheitliche Grundschulzeit viele Probleme bereitet.

Föderales Durcheinander

Die Dauer der Grundschulzeit ist ein Beispiel für das föderale Durcheinander: In den meisten Ländern gehen Kinder vier Jahre in die Grundschule, in Berlin, Brandenburg und künftig in Hamburg sechs Jahre. Im Saarland sollen sie nun nach der fünften Klasse auf die weiterführende Schule wechseln.

Von der Union verraten

Diese Abweichungen sind ärgerlich für Eltern, die von einem Land in ein anderes ziehen. Und sie zeigen, welche organisatorischen und strategischen Probleme die Reformen in Hamburg und im Saarland einschließen. Es erzeugt große Unruhe, die Schüler ein oder zwei Jahre länger an den Grundschulen zu halten: Räume sind nötig, Lehrer müssen umgeleitet werden, die Gymnasien werden zu Turbo-Schulen mit wenigen Jahrgängen degradiert.

Das Ziel, Kinder länger gemeinsam lernen zu lassen, ist ehrenwert. Aber macht es so viel aus und wird es den Druck wirklich verringern, wenn die Schüler nach der fünften statt nach der vierten Klasse getrennt werden? Zumal das Zwei-Säulen-Modell ja bewirken soll, dass der Wechsel auf die weiterführende Schule für Schwächere nicht zum Stigma wird.

Eine so verlängerte Grundschulzeit bringt pädagogisch wenig, provoziert aber scharfen Protest. Viele Vertreter des Bildungsbürgertums fühlen sich von der Union verraten. In Hamburg gefährdet ein Volksbegehren die Reform, im Saarland könnte sie an der Landesverfassung scheitern. Es wäre ein herber Rückschlag, nicht nur in diesen Ländern. Bundesweit könnte die Union Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen. Die Schulen brauchen aber eine mutige Union.

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