Staatsanwaltschaft ermittelt wegen EnBW-Deal:Mappus' Albtraum

Vom Coup zur Katastrophe: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt in der EnBW-Affäre gegen den ehemaligen Regierungschef von der CDU, Stefan Mappus, und den Investmentbanker Dirk Notheis. Eine bizarre Geschichte über einen vermeintlich großen Deal - für den der Steuerzahler geradestehen muss.

Unbändiger Stolz schwang mit in den Worten von Stefan Mappus: "Das ist ein guter Tag für unser Land." Der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg sprach an diesem 6. Dezember 2010 voller Pathos in die Mikrofone und Kameras. Es ist sein Deal, den er gerade verkündet hatte, ein Deal über 4,8 Milliarden Euro. Damit hat der CDU-Politiker für Baden-Württemberg Aktien des Energiekonzerns EnBW zurückgekauft. Mappus glaubt damals noch, dass der Coup tatsächlich gelungen ist. Er glaubt, für billigen Strom und sichere Jobs im Ländle gesorgt zu haben. Sogar die Opposition applaudiert. Doch damals weiß noch keiner, wie der Deal wirklich zustande gekommen ist.

CDU-Pressekonferenz

Stefan Mappus sieht sich mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen seines EnBW-Deals konfrontiert.

(Foto: dapd)

Zwei Jahre später kann man die Geschichte dieses Geschäfts erstmals in einem amtlichen Gutachten nachlesen: 80 Seiten stark ist der Bericht des Rechnungshofes Baden-Württemberg. Verkürzt lautet der Inhalt: Zügellos agierender Ministerpräsident kauft einen Energiekonzern, ein befreundeter Investmentbanker kungelt alles ohne Kontrolle aus und am Ende muss der Steuerzahler für den zu hohen Preis geradestehen.

Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat sich das Papier genau angesehen und darin "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" gefunden, um gegen Mappus und den Banker Dirk Notheis Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue einzuleiten. Die Polizei durchsuchte daraufhin Mappus´ Haus in Pforzheim sowie weitere Wohnungen, Geschäfts- und Büroräume, unter anderem auch solche der Investmentbank Morgan Stanley.

"Es ist gut, dass die Machenschaften von Mappus und seinen Freunden jetzt auch von der Justiz durchleuchtet werden", erklärt Cem Özdemir gegenüber Süddeutsche.de. "Der ehemalige CDU-Ministerpräsident hat damals mit seinem Freund Notheis den Deal durchgedrückt und mit Steuerzahler-Geld gezockt - ohne Rücksicht auf Verluste", glaubt der Bundesvorsitzende der Grünen.

Und die stellvertretende Landesvorsitzende der SPD in Baden-Württemberg, Hilde Mattheis, ist sich sicher: "Wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt, ist das schon ein deutliches Indiz dafür, dass das Geschäft unlauter ablief". Sie glaubt: "Der CDU stehen noch recht schmerzvolle Erfahrungen bevor. Aber da muss sie durch."

Zurückhaltender gibt sich dagegen Hans-Ulrich Rülke: "Wenn die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen hat, wird sie sich das gut überlegt haben", sagte der baden-württembergische FDP-Landtagsfraktionschef zu Süddeutsche.de. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass es bei dieser Sache auch um eine Familie Mappus gehe. "Und das Ansehen des Landes". Die CDU-Landtagsfraktion kündigte ein höchstmögliches Maß an Transparenz" an. An der CDU solle "kein Gschmäckle hängen bleiben", hieß es.

Die Ermittler der Staatsanwaltschaft stützen sich vor allem auf die Beurteilung der Finanzexperten, wonach der Erwerb der Aktien am Energieunternehmen EnBW durch das Land nicht ordnungsgemäß vorbereitet und auf eine ausreichende Wirtschaftlichkeitsprüfung verzichtet worden sei.

Zusammen mit den Dokumenten, die der Landtags-Untersuchungsausschuss bislang ans Licht brachte, ergibt sich aus dem Rechnungshofbericht eine groteske Geschichte: Alles beginnt, als Henri Proglio, der Chef des französischen Energieunternehmens Électricité de France (EDF) bei einem Besuch in Stuttgart im April 2010 klar macht, dass sein Unternehmen den baden-württembergischen Stromversorger EnBW ganz übernehmen will. Mehr als 45 Prozent des Unternehmens befinden sich schon im Besitz der Franzosen.

Mappus´ Trumpf

Das ruft Stefan Mappus auf den Plan. Der Mann ist Landesvorsitzender der CDU un Baden-Württemberg und seit kurzem Ministerpräsident. Doch der junge, resolute Nachfolger von Günther Oettinger ist nicht besonders beliebt im Land. Die Landtagswahl steht vor der Tür, Mappus braucht dringend einen Erfolg. Und so übermittelt er im Oktober 2010 dem Franzosen, dass EnBW in baden-württembergischer Hand bleiben müsse.

Sein Trumpf bei den folgenden, zähen Verhandlungen: Dirk Notheis, Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley. Deren Ableger in Frankreich wird von René Proglio geleitet - dem Zwillingsbruder des EDF-Chefs. Es beginnt ein Kampf um EnBW, bei dem vor allem Notheis und Morgan Stanley die Fäden ziehen. Notheis entwirft den Schlachtplan für Mappus. Codename für das Geschäft: "Olympia".

Noch ist die Sache nicht ausgestanden

Gestritten wird lange vor allem über den Preis. Mappus hat für die Verkaufsverhandlungen am 26. November 2010 bei Morgan Stanley den Buchwert einer EnBW-Aktie mit 39,90 Euro recherchiert. Henri Proglio will 40 Euro. Auf eine Ermittlung des Preises durch ein Gutachten oder eine Prüfung, wie meist üblich, wird verzichtet. In einem zweiten Angebotsbrief bietet Mappus schließlich am 4. Dezember 41,50 Euro, die Dividende für 2010 eingerechnet.

Doch das war offensichtlich viel zu teuer: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton kommt in einer gerade öffentlich gewordenen gutachterlichen Stellungnahme für die Stuttgarter Landesregierung zu dem Schluss, dass zum Zeitpunkt der Transaktion im Dezember 2010 die EDF-Beteiligung von gut 45 Prozent höchstens 3,83 Milliarden Euro wert war, was einem Preis von 34,05 Euro je Aktie entspricht. Da Mappus den Franzosen jedoch 41,50 Euro bezahlte, insgesamt also 4,67 Milliarden Euro aus Steuergeldern, gab das Land Baden-Württemberg mindestens 840 Millionen Euro zu viel aus.

Kritisch sehen die Wirtschaftsprüfer vor allem die sogenannte Fairness Opinion, mit der Morgan Stanley und damit der Mappus-Freund Notheis den Kaufpreis als angemessen eingestuft hatte. Die Übernahmeprämie von 18,6 Prozent auf den damaligen Aktienkurs sei "nicht gerechtfertigt" gewesen. Morgan Stanley hatte die Prämie vor allem damit begründet, dass das Land künftig zusammen mit den oberschwäbischen Landkreisen eine "klare" Mehrheit von 90 Prozent an der EnBW halte.

Auch die Finanzexperten des Rechnungshofes kommen in ihrem Bericht jetzt zu dem Schluss, dass es "keine nachvollziehbaren Gründe" gebe, warum der Vertrag nicht zu einem Kaufpreis von 39,90 Euro pro Aktie abgeschlossen wurde. Auch deshalb steht nun in ihrem Bericht, dass beim Kauf das "wichtige Landesinteresse" nur unzureichend begründet worden sei. Zudem habe das Kaufverfahren Landesverfassung und Landeshaushaltsordnung verletzt. Es gebe außerdem zureichende "Anhaltspunkte für einen dem Land entstandenen Vermögensnachteil". So könnte beispielsweise durch die Entscheidung für Morgan Stanley als Beraterbank dem Land wirtschaftlicher Schaden entstanden sein, heißt es.

Die Sache ist noch nicht ausgestanden

Und all das am Parlament vorbei. EDF-Chef Henri Proglio wollte unbedingt ein Geschäft ohne Einschränkung. Auch deshalb fiel wohl die Entscheidung, den Deal ohne das Parlament zu machen. In Stuttgart glaubte man, ein Kabinettsbeschluss reiche. Er reichte nicht.

Der baden-württembergische Staatsgerichtshof erklärte das Geschäft auch deshalb bereits im Oktober 2011 für verfassungswidrig, im Februar 2012 wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, kurz darauf verkündete Notheis eine berufliche "Auszeit". Und der Landesrechnungshof rügte, dass bei dem Geschäft Rechtsvorschriften grob verletzt worden seien und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens nicht ausreichend geprüft worden sei.

Sein großer Coup ist für Mappus zum Albtraum geworden. Die Landtagswahl hat er im März 2011 gegen den Grünen Winfried Kretschmann verloren, der EnBW-Deal hatte den Wahlkampf mitbestimmt. Doch noch ist die Sache nicht ausgestanden. Stefan Mappus ist heute 46 Jahre alt und er könnte noch viel mehr verlieren, als nur seinen Posten als Ministerpräsident. Möglicherweise sogar seine Freiheit. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft stehen erst am Anfang.

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