Gerichtsentscheidung in München:Wie Hartz-IV-Empfänger wohnen dürfen

Hat eine Hartz-IV-Empfängerin Anspruch auf eine 48-Quadratmeter-Wohnung für 745 Euro? Nein, sagt das Bayerische Landessozialgericht - und erklärt eine niedrigere Mietobergrenze des Münchner Jobcenters für angemessen. Und doch könnte die Entscheidung des Gerichts für die Stadt teure Folgen haben.

Sven Loerzer

Wie viel dürfen Wohnungen für Hartz-IV-Haushalte kosten? Im letzten Jahr gab das Jobcenter für die Mieten von rund 40.000 Haushalten 225 Millionen Euro aus. Langzeitarbeitslose haben nach dem Sozialgesetzbuch II Anspruch darauf, die angemessenen Kosten der Unterkunft bezahlt zu bekommen.

Agentur für Arbeit in München, 2011

Agentur für Arbeit in München, 2011 Einfahrt zum Gebäude der Agentur für Arbeit in der Kapuzinerstraße in München.

(Foto: Catherina Hess)

Aber was ist angemessen? Im Fall einer Mieterin aus der Maxvorstadt hat jetzt das Bayerische Landessozialgericht entschieden, dass die in den Jahren 2007 und 2008 geltenden Mietobergrenzen bei Ein-Personen-Haushalten für die Übernahme der Unterkunftskosten durch das Jobcenter gerade noch angemessen waren. Statt der begehrten 745 Euro hatte die Frau nur rund 500 Euro erhalten.

Dennoch könnte es für die Stadt bald teuer werden: Seit 2008 sind die Mietobergrenzen nicht mehr erhöht worden. Das Jobcenter München wird künftig möglicherweise erheblich höhere Mieten bei Hartz-IV-Haushalten akzeptieren müssen.

Die Klägerin lebt allein in einer 48-Quadratmeter-Wohnung in der Maxvorstadt, erhält Hartz IV und streitet seit fünf Jahren um die Übernahme der Bruttokaltmiete in Höhe von 745 Euro. Das Jobcenter hat aber auf der Basis der von der Stadt für Ein-Personen-Haushalte festgelegten Mietobergrenzen für 2007 nur 496,45 Euro und von Mitte 2008 an 504,21 Euro als angemessen übernommen.

In erster Instanz wies das Sozialgericht München die Klage der Frau gegen die Kürzung bei den Kosten der Unterkunft ab. Der 16. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts hob die Bescheide des Jobcenters nun auf (Az: L16 AS 127/10) und sprach der Frau wenige Cent zu, weil eine Rundungsvorschrift nicht angewendet worden war.

Die vom Jobcenter gezogene Mietobergrenze war nach dem Urteil des Gerichts im konkreten Fall zwar angemessen, aber das war nach Einschätzung der Vorsitzenden Richterin wohl ein Zufallstreffer. Das Landessozialgericht machte deutlich, dass das Jobcenter kein schlüssiges, nachvollziehbares Konzept dafür hat, wie die Mietobergrenzen für Hartz-IV-Haushalte zu ermitteln sind. In der Grundsatzentscheidung zeigt das Gericht nun einen neuen Weg dazu auf.

Denn das Bundessozialgericht stellt nach jüngster Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen an ein solches Konzept, die in der Praxis von den Jobcentern nicht gerade einfach zu erfüllen sind. Einem Hartz-IV-Haushalt muss es möglich sein, eine Wohnung einfachen Standards im unteren Marktsegment anzumieten, er muss also Zugang zu mindestens 20 Prozent der Wohnungen haben. Außerdem muss dieses Wohnungsangebot einigermaßen gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt sein, damit die Mietobergrenze nicht zu einer Gettobildung führt.

Um festzustellen, ob diese Kernforderungen im konkreten Fall erfüllt waren, hat das Landessozialgericht einen Statistik-Experten und Lehrstuhlinhaber der Universität als Sachverständigen eingeschaltet. Er hat auf der Basis des qualifizierten Mietspiegels 2007 in komplizierten Berechnungen die vom Gericht benötigten Daten ermittelt, eine Methode, der sich künftig auch die Stadt bedienen könnte. Nach der Auswertung des Ergebnisses waren die vom Jobcenter bei der Klägerin übernommenen Unterkunftskosten damals ausreichend.

Die Interessensgemeinschaft der Erwerbslosen hat das vom Gericht aufgezeigte Verfahren begrüßt, es werde "zu realeren, wenn auch wesentlich höheren Mietbeträgen führen".

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