Experten warnen vor Euphorie:Richter erlauben anonyme Wlan-Hotspots

Öffentliche Wlan-Netzwerke dürfen auch anonym genutzt werden. Das hat das Landgericht München entschieden. Trotzdem werden offene, kostenlose Hotspots in Deutschland die Ausnahme bleiben.

Pascal Paukner

Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer für alle, die einen öffentlichen und anonymen Zugang zum Internet ermöglichen wollen: Das Landgericht München hat entschieden, dass der Betrieb öffentlicher Wlan-Netzwerke auch dann zulässig ist, wenn die Nutzer vom Betreiber nicht identifiziert werden können. Der Fall kam bereits im Januar vor Gericht, weil ein Unternehmen gegen einen Wettbewerber geklagt hatte. Dieses hatte im Münchner Literaturhaus, einem Münchner Hotel und einer Gaststätte ein Wlan-Netzwerk angeboten, das ohne vorherige Registrierung zugänglich war.

Das klagende Unternehmen sah darin eine Wettbewerbsverzerrung. Es wollte erreichen, dass der Mitbewerber künftig kein öffentliches und anonymes Netzwerk mehr betreiben können sollte, ohne die Namen und Adresse der Nutzer zu speichern.

Die Richter wiesen diese Klage zurück. Aus dem Telekommunikationsgesetz ergebe sich keine Verpflichtung, die Nutzer eines öffentlichen Internetzugangs zu identifizieren und deren Daten während der Nutzung zu speichern, urteilten die Richter. Dynamische IP-Adressen seien nicht mit Rufnummern in Telefondiensten oder Anschlusskennungen vergleichbar, weil sie nicht dazu dienten, dauerhaft ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Von Netzaktivisten und Datenschützern wurde das Urteil begrüßt. Ein Sprecher des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erklärte: "Wenn eine Identifizierung von Nutzern kostenloser Hotspots nicht erforderlich ist, wie das Landgericht München festgestellt hat, dann ist sie auch nicht zulässig." Das Telekommunikationsgesetz verbiete die Erhebung nicht erforderlicher Daten. Wer jetzt noch von seinen Kunden eine Anmeldung oder Registrierung verlange, handle rechtswidrig.

Störerhaftung weiterhin in Kraft

Der Fachanwalt für Internetrecht, Jens Ferner, warnte in seinem Blog vor zu großer Euphorie. Das Gericht habe nicht über die Frage entschieden, ob bei anonymer Nutzung eine Haftung des Wlan-Betreibers in Betracht komme. "Kein Thema ist die Frage, ob im Fall einer nicht vorgenommenen Speicherung der Provider auch haftet, also ob eine Störerhaftung in Betracht kommt oder nicht", schrieb Ferner. Eine Einschätzung, die der Berliner IT-Rechtsanwalt Michael Seidlitz auf Anfrage von Süddeutsche.de bestätigte und die die Folgen des Urteils überschaubar macht: Wird über einen öffentlichen Hotspot eine Urheberrechtsverletzung begangen, haftet weiterhin der Betreiber. Das dürfte verhindern, dass in Deutschland nun deutlich mehr offene Wlan-Netze ans Netz gehen, als das bisher der Fall war.

Überhaupt ist das Urteil in dieser Form nur gültig, weil die Vorratsdatenspeicherung vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wurde und eine Neuregelung von der Bundesregierung noch nicht gefunden ist. Sollte die Vorratsdatenspeicherung durch eine gesetzliche Neuregelung wieder in Kraft treten, wäre das angeklagte Unternehmen zur Datenspeicherung verpflichtet, schrieben die Richter.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat das Urteil auf seiner Webseite veröffentlicht, es lässt sich dort nachlesen.

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