Fernsehen in Ägypten:Die Welt durch den Sehschlitz

Ein Kanal für die vollverschleierte Frau: Der Kairoer Privatsender Maria-TV will von der Redaktion bis zum Management ausschließlich Frauen beschäftigen, die den "Niqab" tragen. Was das bringen soll, lässt sich nur erahnen.

Tomas Avenarius, Kairo

Soll noch einer sagen, Ägypten mache nach der Revolution keine Fortschritte. Das Land am Nil führt einen neuen Fernsehsender ein: Maria-TV, der Kanal für die vollverschleierte Frau. Der Kairoer Privatsender will von der Redaktion bis zum Management ausschließlich Frauen beschäftigen, die den Gesichtsschleier tragen; der "Niqab" lässt nur einen schmalen Sehschlitz frei. Sendebeginn: Der erste Tag des Fastenmonats Ramadan.

Was dieses geschlechterspezifische Quoten-TV bringen soll, lässt sich nur erahnen. In dem Land gibt es jede Menge frommer Muslime, aber die Niqab-Frauen sind eine Minderheit. Der Vollschleier kommt aus Saudi-Arabien. Erst die ägyptischen Gastarbeiter, die saudische Frauen geheiratet hatten, haben die ultraorthodoxe Mode samt Zweit-Ehefrau mit zurück in die Heimat gebracht.

Der Schleier-Sender ist ein weiteres Beispiel dafür, wie radikale Islamisten - allen voran die Salafisten - die umfassende Islamisierung der ägyptischen Gesellschaft betreiben und ihre Ideologie auch fern von Wahlkampf und Parteipolitik verwurzeln. Das belegt schon der Name: Maria-TV deswegen, weil der Prophet Mohammed unter seinen Frauen eine Christin namens Maria hatte. Möglicherweise hoffen die Ultrafrommen, auch unter den christlichen Kopten Zuschauer zu gewinnen - ein eher abwegiger Gedanke.

Unter dem Fundamentalisten-Fresser Hosni Mubarak wäre Maria-TV undenkbar gewesen. Vollverschleierte wurden vom Hochschulunterricht ausgeschlossen, am Arbeitsplatz diskriminiert. Bei der Airline Egypt-Air war den Stewardessen selbst ein einfaches Kopftuch verboten; seit der Revolution wird auch hier für ein islamisches Outfit gekämpft. Selbst in den Kliniken hatten die Islamistinnen es versucht: Krankenschwestern wollten mit dem Vollschleier und den für die Strengsten der Strengen zusätzlichen Stoffhandschuhen ans Patientenbett treten. Die Regierung setzte dem Uniformierungsversuch mit Verweis auf die Infektionsgefahr ein Ende.

"Eine Niqab-Trägerin kann Ärztin sein, Professorin oder Ingenieurin"

Überzeugte Niqab-Trägerinnen wird solche Kritik kalt lassen. Sie sehen sich oft als emanzipierte Frauen, die der Frau in der islamischen Gesellschaft größere Rechte erkämpfen, unter Beachtung der angeblich vom Koran vorgeschriebenen Bekleidungsregeln (die sich, was den Niqab angeht, im heiligen Text nicht finden). "Es ist unfair, die vollverschleierten Frauen als fromme Hausfrauen abzutun", sagt Abeer Shahin, eine angehende Niqab-Moderatorin bei Maria-TV: "Eine Niqab-Trägerin kann Ärztin sein, Professorin oder Ingenieurin."

Die Salafisten gehen von der möglichst vollständigen Geschlechtertrennung aus als angeblich von Gott gewolltem Idealzustand: Lehrerinnen unterrichten Mädchen, Ärztinnen behandeln Frauen und im Damen-Bekleidungsgeschäft verkaufen sowieso keine Männer.

Was Maria-TV angeht, bleibt aber noch die eine oder andere Frage offen: Was ist mit den Frauen in den Nachrichtenfilmen, die auch gezeigt werden müssen zwischen Talkshows über das Leben der Muslima und frommen Lesungen? Falls die Damen in den Filmen nicht schon Niqab tragen, bleibt den Betreibern nur eines: retouchieren. Natürlich von behandschuhter Frauenhand.

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