Tierschützer kritisieren Nürnberger Zoo:Delfine auf Valium

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Tierschützer werfen dem Nürnberger Tiergarten vor, Delfine mit Psychopharmaka ruhig zu stellen. Der Direktor reagiert wütend. Er hält den Medikamenteneinsatz für völlig normal.

Olaf Przybilla, Nürnberg

Im Mai 2011, so sehen es die Delfinschützer, erging ein richtungsweisendes Urteil am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Die internationale Wal- und Delfinschutzorganisation WDCS hatte darauf geklagt, vollständigen Einblick in Akten zu bekommen, in denen dokumentiert ist, wie im Tiergarten Nürnberg Delfine gehalten werden. Nach Einsicht dieser Akten äußert sich nun eine andere Delfinschutzorganisation - das Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) - geschockt: Die Akten aus dem Tiergarten läsen sich wie der "Bericht aus einer Intensivstation", sagt WDSF-Geschäftsführer Jürgen Ortmüller.

Sie schwimmen in Deutschlands modernstem Delfinarium: Mehr als 28 Millionen Euro hat der Nürnberger Tiergarten in die Anlage investiert. Tierschützer kritisieren dennoch die Haltungsbedingungen der Delfine, da sie angeblich häufig Diazepam (bekannt unter dem Handelsnamen Valium) bekamen. (Foto: dpa)

Die Organisation beruft sich auf den Schlussbericht einer Biologin, die in ihrer Beurteilung auf die relativ häufige Verabreichung von Diazepam hinweist, eines verschreibungspflichtigen Medikaments gegen Angst und Spannungszustände. Sobald die Delfine etwas unruhig würden, werde im Nürnberger Zoo "zu Psychopharmaka" gegriffen.

Eines der Tiere, der Delfin Jenny, habe innerhalb von vier Monaten insgesamt 145 Milligramm von dem Beruhigungs-Medikament verabreicht bekommen, üblich sei lediglich eine Einzeldosis von 5 bis 10 Milligramm. Einem anderen Tier, dem Delfin Anke, sei im Frühjahr nach dem offenbar stressigen Rücktransfer aus den Niederlanden nach Nürnberg sogar eine Einzeldosis von 30 Milligramm Diazepam verabreicht worden.

In einem der Berichte des Zoos heiße es: "Anke hat sich beim Fangen hinter Blasloch, kaudal an der Finne (blutet am meisten), am rechten Flipper und an der Fluke aufgeschlagen." Aus dem Bericht gehe hervor, dass dem Delfin neben Psychopharmaka auch Antibiotika verabreicht worden seien. Die Organisation will die Unterlagen nun von der Staatsanwaltschaft auf mögliche Straftatbestände überprüfen lassen.

"Fast schon verleumderisch"

Tiergartendirektor Dag Encke reagierte aufgebracht auf die Vorwürfe. "Schwachsinn", seien die Anwürfe, "und fast schon verleumderisch". Die Verabreichung von Diazepam an bestimmte Delfine sei als Appetitanreger völlig normal. Aufgrund des hohen Stoffwechsels müssten die Meeressäuger permanent Nahrungsmittel zu sich nehmen, litten sie unter Appetitlosigkeit müsse man diesen - um Nierenschäden zu verhindern - medikamentös anregen.

Der Vorwurf, in freier Wildbahn litten die Tiere nicht unter Appetitlosigkeit sei ebenfalls falsch. "In freier Wildbahn sterben die Tiere in so einem Fall eben", sagt Encke. Zoos seien verpflichtet, sich um das Wohl der Tiere zu kümmern. Die Natur zu imitieren, indem man leidenden Tieren nicht helfe, sei einem Zoo nicht erlaubt - wie dies bei Einrichtungen, die sich um Menschen kümmerten, ebenfalls verboten sei. Die erwähnten Verletzungen des Delfins Anke hätten diesen "nahezu nicht beeinträchtigt".

Nürnbergs Delfinlagune war vor einem Jahr eröffnet worden, die Kosten werden mit mehr als 28 Millionen Euro beziffert. Sie gilt als modernste Anlage dieser Art in Deutschland.

© SZ vom 26.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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