Immer mehr Casinos:Es lockt das schnelle Geld

Prop meldet eine zunehmende Zahl von Spielsüchtigen. Jugendliche versuchen ihr Glück bei Internet-Spielen.

Peter Becker

Das Prasseln im Münzauswurf klingt wie eine Bestätigung in den Ohren eines Glücksspielers: Es funktioniert ja doch bisweilen, den Automaten zu knacken und einen Gewinn einzustreichen. Dass der in keinem Verhältnis zu dem steht, was der leidenschaftliche Spieler vorher schon verdaddelt hat, interessiert ihn nicht. Solche Automaten sind der Einstieg in die Sucht. Die Schuldenfalle schnappt zu. Und das Alarmierende ist: Die Freisinger Suchtberatungsstelle registriert eine zunehmende Zahl von spielsüchtigen Klienten. In ihrem Rückblick auf das Jahr 2011 weist die Prop-Beratungsstelle bereits 35 Fälle aus. 2010 waren es 20. Doch dies ist laut Geschäftsstellenleiterin Bärbel Würdinger nur die Spitze des Eisbergs. Die Dunkelziffer ist weitaus höher.

Laut Bärbel Würdinger ist die ständige Verfügbarkeit ein Problem bei der Glücksspielsucht. "Die Spielcasinos schießen förmlich aus dem Boden", sagt sie. Während früher in ein paar Kneipen Spielautomaten an den Wänden hingen, drängt sich heute in manchen Gewerbegebieten eine Spielhalle neben der anderen. Die ständige Verfügbarkeit ist es, die es dem gefährdeten Personenkreis leicht macht, sein Geld zu verspielen.

Dabei haben die Betroffenen eigentlich das Gegenteil im Sinn. Nach Beobachtung von Bärbel Würdinger suchen gerade diejenigen Leute Spielhallen auf, die ohnehin schon in finanzieller Schieflage sind. Es lockt halt das schnelle Geld, die Hoffnung stirbt zuletzt. Ein Teil der Betroffenen merkt irgendwann selbst, dass die Lust am Spiel pathologisch geworden ist, und sucht Rat und Hilfe bei der Suchtberatungsstelle. Ursache ist laut Würdinger eine Störung der Impulskontrolle. Das Krankheitsbild ist komplex. Oft liegt der Spielsucht eine Depression zugrunde. Als Doppeldiagnose ergebe sich laut Bärbel Würdinger oft eine narzisstische Veranlagung. Das heißt, dass eine Person über ein geringes Selbstwertgefühl verfügt und dies mit dem übergroßen Wunsch nach Bewunderung, etwa durch einen großen Geldgewinn, kompensiert. "Diese Menschen sind allein mit dem Automaten", sagt die Suchtberaterin. "Wenn es klingelt und die Münzen in die Ausgabe prasseln, dann kommt es bei ihnen zur Ausschüttung von Glückshormonen." Die Kombination der zwei Krankheitsbilder erschwert die Behandlung.

Unter den Spielsüchtigen befindet sich auch ein gewisser Anteil an 18- bis 20-Jährigen. Bei denen spiele Geld eine große Rolle, erklärt Bärbel Würdinger. Ein Jugendlicher will sich ja mit Gleichaltrigen messen können, was etwa Kleidung oder Autos betrifft. Weil aber nicht jeder über reiche Eltern verfügt oder schon in jungen Jahren Großverdiener ist, versuchen manche, dem Reichtum auf die Sprünge zu helfen. Freilich wählen Jugendliche da eher den Weg über das Internet als über die Spielhalle. Sie versuchen ihr Glück über Online-Kasinos oder Online-Poker. "Das hat aber eine ganz andere Wertigkeit", sagt Bärbel Würdinger. Ältere Spieler vermissen da etwa das Geräusch des prasselnden Geldes. Das erklärt auch, warum in der Vergangenheit Spiele, bei denen der Gewinn mit Geldscheinen ausgezahlt wurde, in diesen Kreisen zunächst auf Ablehnung stieß.

Kritisch sieht die Geschäftsführerin der Suchtberatungsstelle in diesem Zusammenhang auch den jüngsten Beschluss der Bundesregierung, Lottospielen künftig auch über das Internet zu ermöglichen. "Das ist wieder ein Angebot mehr", rügt Würdinger. Freilich gehören die Lottospieler nicht unbedingt zu den Sorgenkindern der Suchtberatungsstellen. Beim Tippen der Glückszahlen sind die Aussichten auf einen lohnenden Jackpot für echte Zocker zu gering. "Lotto hat einen ganz anderen Charakter", sagt Bärbel Würdinger. Die Einsätze sind im Vergleich zu anderen Glücksspielen bescheiden. "Ein Lottospieler geht nicht gleich bankrott", sagt die Suchtberaterin. Jedenfalls ist ihr aus ihrer Erfahrung her niemand bekannt.

Vorstöße der Bundesregierung, die Zahl der Spielhallen künftig stärker zu regulieren, hält Würdinger für positiv. "Wir müssen schauen, dass wir auf die steigenden Zahl von Spielsüchtigen reagieren", sagt sie. Viel wichtiger wäre es aber für ihre tägliche Arbeit, dass die Rentenversicherer die Kosten für ambulante Behandlungsmethoden übernehmen würden. Denn viele Ratsuchende scheuen einen längeren Klinikaufenthalt, in dessen Verlauf ihre Sucht behandelt werden könnte.

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