Lebensversicherung:Mehr Geld zurück bei Kündigung

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Wer seine Lebenspolice kündigt, bekommt wenig Geld zurück. Doch das soll sich jetzt ändern, hat der Bundesgerichtshof entschieden. Der Brief an die Versicherung kann bis zu 1000 Euro bringen.

Uwe Schmidt-Kasparek

Bei den Deutschen ist sie die beliebteste Form der Altersvorsorge: Statistisch gesehen hat jeder Bundesbürger mehr als eine Lebensversicherung. Allerdings kündigen vier von fünf Sparern die Police vorzeitig - und bekommen dann vom Versicherer nur einen Bruchteil dessen zurück, was sie eingezahlt haben.

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) dürfen sie nun darauf hoffen, dass sie einen Nachschlag bekommen. In einem Urteil gegen die Lebensversicherung Deutscher Ring stellte der BGH jetzt fest, dass der Versicherer seinen Kunden, die ihre Lebensversicherung gekündigt haben, zu wenig zurückgezahlt hat (Az.: IV ZR 201/10). Das Urteil hat die Verbraucherzentrale Hamburg erstritten. Es dürfte weitreichende Folgen für Versicherte haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer kann vom Urteil profitieren?

Bisher gilt es nur für Kunden des Deutschen Rings, die zwischen 2002 und 2007 eine Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen und wieder gekündigt haben. Nach der Entscheidung des BGH sind die Kunden bei der Rückzahlung ihrer Beiträge unangemessen benachteiligt worden. Der Versicherer muss den Kunden einen Nachschlag zahlen. Das gilt für kapitalbildende Lebensversicherungen sowie für Rentenversicherungen, auch wenn sie fondsgebunden sind.

Gilt der Richterspruch auch für andere Versicherer?

Formal gesehen nein, denn es wurde nur für die Ex-Kunden des Deutschen Ring entschieden", erläutert Klaus-Jörg Diwo von der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Dennoch habe das Urteil weitreichende Folgen. Diwo: "Alle Untergerichte werden sich an der Entscheidung des BGHs orientieren." Und noch anhängige Verfahren beim BGH gegen Marktführer Allianz, Ergo, Iduna und Generali dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso positiv für die Verbraucher ausgehen. Die Allianz hat vorsorglich bereits 117 Millionen Euro für Nachzahlungen zurückgestellt.

Wie viel Geld können die Kunden erwarten?

Das hängt von jeweiligen Vertrag, der Höhe und der Länge der Einzahlungsdauer ab. In der Spitze können es mehr als 1000 Euro sein. Im Schnitt schätzt Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg, dass die betroffenen Kunden rund 500 Euro zurückerhalten.

Wie lange wird es dauern bis Betroffene ihr Geld bekommen?

Vorsorglich sollten Betroffene schon jetzt ihre Ansprüche geltend machen und darauf verweisen, dass der BGH die bisherige Praxis der Rückerstattung bei Kündigung von Lebens- und Rentenpolicen als fehlerhaft beurteilt hat. Die tatsächliche Rückzahlung kann dauern. "Die Versicherer müssen jetzt erst auf die Begründung des BGH-Urteils warten. Hier sind acht Wochen nicht unüblich", erläutert Diwo. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat einen Musterbrief für Betroffene entworfen (im Internet auf www.vzhh.de).

Können die Ansprüche verjährt sein?

Ja. Allgemein gilt eine Verjährung von drei Jahren. Sie beginnt aber erst am 1. Januar des auf die Abrechnung des Versicherers folgenden Jahres. Wer also seine Police zum 1. Oktober 2008 gekündigt hat und die Abrechnung des Versicherer erst 2009 erhalten hat, kann seine Ansprüche noch bis Ende 2012 geltend machen. Die Verjährung läuft dann nämlich drei Jahre vom 1. Januar 2010 an. Fällt die Kündigung des Kunden und die Abrechnung des Versicherers ins Jahr 2008 oder noch früher, sind die Ansprüche verjährt.

Gibt es Ausnahmen von der Verjährung?

Es gibt die Möglichkeit, bei Erhalt der Abrechnung den Versicherer zu bitten, die Verjährung bis zu Klärung der Rechtstreitigkeiten um Rückzahlungen auszusetzen. Kunden, die das beim Deutschen Ring gemacht haben, werden nach Aussage des Unternehmens entschädigt, egal wann sie gekündigt haben. Auch wer sich beim Versicherungsombudsmann beschwert hat, konnte die Verjährung erfolgreich aussetzen.

Pocht der Versicherer auf die Verjährung, kann man auch klagen. Das ist aber nur sinnvoll, wenn sich ein Rechtsschutzversicherer findet, der diese Klage bezahlt. Entscheidend ist die Beurteilung der Erfolgsaussicht. "Ein mutiger Rechtsschutzversicherer könnte die Klage übernehmen. Immerhin hat der BGH mit seinem Urteil die eigene Rechtsprechung weiterentwickelt und so eine neue Situation geschaffen", sagt Versicherungsexperte Diwo.

Was können Versicherte tun, wenn sie nur wenig oder gar nichts ausgezahlt bekommen?

In diesen Fällen sollte der Versicherer die Berechnung nachvollziehbar offenlegen. Notfalls kann man die Abrechnung von einem Versicherungsmathematiker nachrechnen lassen. Ein solches Gutachten muss man aber selbst bezahlen, wenn man keine Rechtsschutzversicherung hat.

Lohnt es sich jetzt, die laufende Lebens- und Rentenversicherung vorzeitig zu kündigen?

Auch wenn es jetzt für Verträge die zwischen 2002 und 2007 geschlossen wurden und noch laufen, höhere Rückzahlungen gibt, lohnt sich eine Kündigung nicht in jedem Fall. "Abzüge bei der Kündigung können sich immer noch nachteilig auswirken", warnt Karl Eberhardt, Versicherungsberater aus Gomadingen-Marbach bei Reutlingen. Entscheidend sei die Restlaufzeit, und ob der Versicherungsschutz aus dem Vertrag benötigt wird.

Nur wer gesund ist, kann den Todesfallschutz oder eine eingeschlossene Berufsunfähigkeitsabsicherung neu kaufen - meist sogar günstiger. Wer das Geld aus dem Vertrag derzeit nicht benötigt, aber keine Prämien mehr zahlen will kann den Vertrag beitragsfrei stellen. Möglich ist es auch die Police zu beleihen, statt sie zu kündigen. Im Zweifelsfall sollte man sich beraten lassen. Eine persönliche Analyse kostet je nach Zeitaufwand 125 bis 200 Euro.

© SZ vom 31.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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