Behandlung von ukrainischer Oppositionspolitikerin:Ärzte von Timoschenko wehren sich gegen Kritik

Ein Ärzte-Team der Berliner Charité reist heute erneut nach Charkow, um die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko zu untersuchen. Im Vorfeld wehren sich die Mediziner gegen Anschuldigungen aus der Ukraine - und werfen den dortigen Behörden ihrerseits eine Verschleppung der Behandlung vor.

Julian Hans

Im Fall der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko wird das Dickicht aus politischen Feindschaften, Strafverfolgung und medizinischen Fragen immer undurchdringlicher. Bei einem erneuten Besuch in der Ukraine will das Ärzteteam der Berliner Charité an diesem Montag über eine Wiederaufnahme der Therapie entscheiden. Er hoffe außerdem auf eine Aussprache mit der ukrainischen Gesundheitsministerin, sagte Charité-Chef Karl Max Einhäupl der Süddeutschen Zeitung.

Julia Timoschenko

Seit fast einem Jahr ist die frühere ukrainische Ministerpräsidentin in Haft; sie leidet unter einem schweren Bandscheibenvorfall.

(Foto: dpa)

Am Freitag vergangener Woche hatten ukrainische Medien unter Berufung auf das Gesundheitsministerium gemeldet, die Behandlung Timoschenkos sei nach übereinstimmendem Urteil ukrainischer und deutscher Ärzte abgeschlossen. "Das entspricht nicht den Tatsachen", sagte Einhäupl.

In einer vierseitigen Stellungnahme wehren sich die Berliner Spezialisten nun gegen Anschuldigungen, die das Gesundheitsministerium und eine Gruppe ukrainischer Ärzte in der vergangenen Woche gegen sie erhoben hatten. So wurde unterstellt, die deutschen Ärzte seien nicht in erster Linie in medizinischer, sondern in politischer Mission in der Ukraine. Ihre Anwesenheit verletzte "die Ehre und Würde" der ukrainischen Kollegen, die Therapie sei "ergebnislos und schlecht".

Dass die Behandlung der ehemaligen ukrainischen Ministerpräsidentin langwierig und kompliziert sei, liege in erster Linie daran, dass sie von den ukrainischen Behörden mehr als vier Monate verschleppt worden sei, heißt es nun in der Stellungnahme der Charité, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die deutschen Ärzte hätten bereits im Februar darauf hingewiesen, dass die Behandlung bis zu einem halben Jahr dauern könne.

Die Umstände im Charkower staatlichen Krankenhaus Nr. 5 erschwerten die Therapie zusätzlich, heißt es weiter. So könnten die Ärzte nie mit ihrer Patientin allein sein. In dem 20 Quadratmeter großen Krankenzimmer seien drei Überwachungskameras angebracht, sowie "fünf Rauchmelder an der Decke, deren Funktion von Frau Timoschenko ebenso hinterfragt wird wie die ständige Präsenz einer weiteren Gefangenen im Krankenzimmer". Die Zusammenarbeit mit den Ärzten des Krankenhauses Nr. 5 gestalte sich jedoch entgegen den Behauptungen aus der Ukraine "äußerst respektvoll und kollegial".

Von einer Verhandlung wird abgeraten

Die Berliner Spezialisten erinnern daran, dass die Einbeziehung deutscher Ärzte von den ukrainischen Behörden "ausdrücklich gewünscht" worden sei. Die Stellungnahme schließt mit dem Angebot, die Behandlung "in kollegialer Abstimmung mit unseren Kolleginnen und Kollegen des Krankenhauses Nr. 5 sowie dem Ukrainischen Gesundheitsministerium voranzutreiben". Diese würde noch vier bis acht Wochen dauern. Das könnte für die ukrainische Justiz aber zu lange sein. Für Dienstag ist ein Verhandlungstag in einem weiteren Prozess gegen Timoschenko angesetzt, in dem es um Steuerhinterziehung geht.

Dieser Prozess würde verhindern, dass Timoschenko freikommt, falls das Berufungsgericht Mitte August das Urteil aus dem ersten Prozess aufhebt. Derzeit verbüßt sie eine siebenjährige Haftstrafe, weil sie in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin einen Vertrag über die Lieferung von Gas aus Russland zu einem zu hohen Preis abgeschlossen haben soll. USA, EU und Russland haben das Verfahren als politisch motiviert verurteilt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat für den 28. August eine mündliche Verhandlung über den Fall angesetzt. Die Ärzte der Charité erklären Timoschenko schon seit einem Monat nicht mehr für verhandlungsunfähig. Sie rieten aber von einer Verhandlung ab, um die Therapieerfolge nicht zu gefährden. Die Behandlung war vor drei Wochen unterbrochen worden, weil Timoschenko allergisch auf Medikamente reagiert hatte.

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