Großprojekt Nürburgring:Fahndung nach Becks Bankern

Die undurchsichtige Finanzierung des Großprojekts am Nürburgring macht nicht nur Ministerpräsident Kurt Beck zu schaffen. Manager einer Förderbank taten, was seine Regierung wollte - jetzt sollen sie für das Desaster büßen. Das klingt, als sollten ein paar Bauernopfer vor Gericht gestellt werden.

Klaus Ott und Marc Widmann

Eine ganze Reihe angeblich undurchsichtiger Geschäfte und dann auch noch sechs Angeklagte, unter ihnen der frühere Mainzer Finanzminister Ingolf Deubel (SPD). Das könnte ein langer Prozess werden um das Desaster am Nürburgring, das der rheinland-pfälzischen Regierung von Kurt Beck (SPD) derzeit schwer zu schaffen macht.

Nürburgring vor der Insolvenz

Besucherattraktion ohne Besucher: Die Fahrgeschäfte im Freizeitpark am Nürburgring sind seit Jahren defizitär.

(Foto: Thomas Frey/dpa)

Die Staatsanwaltschaft in Koblenz will die merkwürdige Finanzierung des Großprojekts in der Eifel inklusive Erlebnispark mit Achterbahn und Vier-Sterne-Hotel umfassend aufklären. Nun muss die Justiz entscheiden, ob es zum Prozess kommt. Die Frage ist nur: Säßen dann auch die richtigen Beschuldigten vor Gericht? Oder sind unter den sechs Angeklagten auch einige Bauernopfer, während die eigentliche Verantwortung, sprich die politische Haftung, ganz woanders zu suchen ist? Ganz oben nämlich, an der Spitze der Regierung?

Sehr aufschlussreich in dieser Hinsicht ist, was die Anwälte von zwei der Beschuldigten bereits vergangenes Jahr an die Koblenzer Staatsanwaltschaft geschrieben haben und was seither nichts an Aktualität eingebüßt hat. Erst recht nicht jetzt, da Ministerpräsident Beck an diesem Mittwoch dem Landtag in einer Sondersitzung Rede und Antwort stehen muss nach der Pleite des legendären Nürburgrings, die das Land mehrere hundert Millionen Euro kosten könnte.

"Die Finanzierung ist in jedem Fall gesichert"

Früher klang das bei Beck völlig anders. "Die Finanzierung ist in jedem Fall gesichert", sagte der Ministerpräsident im Juni 2009 im Landtag. "Da kann kommen was will." Was dann wirklich kam, hat wohl niemand gewollt, aber einige Beteiligte haben es nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in Kauf genommen und sollen deshalb dafür büßen.

Unter ihnen sind ein ehemaliger Geschäftsführer der rheinland-pfälzischen Förderbank ISB, die beispielsweise Handwerker und Mittelständler unterstützen soll, und der Chef einer ISB-Tochterfirma. Die vom Land getragene Investitions- und Strukturbank, so der volle Name der ISB, musste bei dem Millionenprojekt am Nürburgring wiederholt einspringen. Das erste Mal war die ISB gefordert, als die einst geplante, weitgehend private Finanzierung des Projekts gewaltig klemmte und im Frühjahr 2008 ein Baustopp drohte. Der damalige Finanzminister Deubel soll unter Mithilfe der beiden ISB-Manager veranlasst haben, dass die Förderbank über eine Tochterfirma Kredite in Höhe von insgesamt 85,5 Millionen Euro gewährt habe.

Bauernopfer vor Gericht?

Diese Darlehen sollen, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, "ohne ausreichende Bonitätsprüfung" gewährt worden sein. Und ob die für das viele Geld gewährten Sicherheiten überhaupt genügend wert gewesen seien, habe man ebenfalls nur mangelhaft untersucht. In der Folge hätte eine Ausfallbürgschaft des Landes in Millionenhöhe fällig werden können. Deubel habe somit eine "konkrete Gefährdung" von Staatsvermögen in Kauf genommen. Und die beiden ISB-Banker seien der Beihilfe zur Untreue schuldig, behaupten die Ermittler. Die Beschuldigten weisen das alles vehement zurück, in ihren Kreisen ist von "Unfug" die Rede.

Es lief genau umgekehrt, wie ein solch großes Projekt laufen sollte

Vor allem die ISB-Manager stellen darauf ab, dass es sich bei der Modernisierung der Rennstrecke und dem Bau des Freizeitparks von Anfang um ein politisch gewolltes Vorhaben gehandelt habe. Und so habe man in der Förderbank dann auch handeln müssen. Als Kronzeuge wird Ministerpräsident Beck mit seinen Aussagen im Landtag zitiert. Man habe mit der Förderbank bewusst für solche Fälle vorgesorgt, hat Beck erklärt. "Diese Instrumentarien haben wir doch geschaffen, so dass sich niemand Sorgen machen muss, dass das nicht durchfinanziert ist." Jetzt aber müssen sich die beiden ISB-Leute sorgen, was ihnen bei Gericht blühen könnte, weil sie die Wünsche der Regierung erfüllt haben.

Die Verteidiger der beiden Angeklagten aus der Förderbank haben im Detail notiert, was damals geschehen ist, als das Großprojekt Nürburgring in Gefahr und Becks Regierung unter Druck geriet. Den Schriftsätzen der Anwälte zufolge, die viele Dutzend Seiten umfassen, hatte sich Finanzminister Deubel im Mai 2008 persönlich bei der Förderbank gemeldet. Das Land habe gedrängt, den Freizeitpark samt Achterbahn und Hotels bis zum nächsten Formel-1-Rennen auf dem Ring im Juli 2009 fertigzustellen. Eines der Hotels trägt übrigens den treffenden Namen "Grüne Hölle". Das sei eine "sehr optimistische" Zeitplanung gewesen und habe dazu geführt, dass teure Baumaßnahmen in Auftrag gegeben wurden und dafür erhebliche Kosten angefallen seien, bevor die Finanzierung gestanden habe. Es lief also genau umgekehrt, wie solch ein großes Projekt eigentlich laufen sollte.

Die Förderbank tat wie ihr geheißen und rettete den Nürburgring. Einer der Verteidiger schreibt, die ISB habe keinen großen Spielraum gehabt, sie sei in das Projekt "hineingeholt" worden und habe als Dienstleister des Landes agiert. Allerdings nicht, ohne sich mit einer Bürgschaft des Landes gegen drohende Kreditausfälle abzusichern. Der Finanzminister habe umfassende Garantien unterzeichnet. Wer nun gegen Leute vorgehe, die überwiegend weisungsgebunden gehandelt hätten, der verkenne, wer welche Verantwortung habe. Die ISB-Manager hätten den Politikern ja nicht in den Arm fallen können, notierte der Verteidiger.

Das klingt ganz danach, als sollten ein paar Bauernopfer vor Gericht gestellt werden.

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