Rechtsanspruch auf Kita-Plätze:Städtetag warnt vor Klagewelle

Die Zeit wird eng: In einem Jahr kommt die Betreuungs-Garantie für Kleinkinder. Noch immer ist die Zahl der fehlenden Kita-Plätze sechsstellig. Der Städtetag befürchtet Schadensersatzforderungen von Eltern, die Kommunen sehen beim Ausbau vor allem die Wirtschaft in der Pflicht.

Der Deutsche Städtetag warnt vor den Folgen des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz. "Es besteht die Gefahr, dass im Sommer 2013 Eltern Klagen einreichen und Schadenersatz einfordern. Bund und Länder stehen hier unbedingt mit in der Pflicht, mögliche Klagewellen und Schadenersatzansprüche zu verhindern", sagte Christian Ude, Präsident des Deutschen Städtetages und Münchner Oberbürgermeister, den Ruhr Nachrichten.

Bertelsmann Stiftung sieht Fachkraeftebedarf bei Kinderbetreuung

Schadensersatzforderungen könnten den Ausbau der Kinderbetreuung behindern, fürchtet der Deutsche Städtetag.

(Foto: dapd)

Diese Zahlungen würden den Ausbau der Kinderbetreuung nicht befördern, sondern behindern. "Die deutschen Städte haben große Zweifel, dass der Rechtsanspruch auf Betreuung für unter dreijährige Kinder in einem Jahr flächendeckend erfüllt werden kann", sagte der SPD-Politiker weiter. In mehreren Städten sei der Bedarf an Betreuung so hoch, dass trotz intensiver Anstrengungen beim Inkrafttreten des Rechtsanspruchs voraussichtlich Plätze fehlen würden.

Bis zum 1. August 2013 würden laut dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, insgesamt voraussichtlich 750.000 Plätze für unter Dreijährige benötigt. Derzeit gibt es bundesweit etwa 620.000 Kita-Plätze - also noch 130.000 zu wenig. Laut Berechnungen von Sozialwissenschaftlern vom Mai dieses Jahres liegt die Zahl der fehlenden Plätze sogar bei bis zu 230.000.

Landberg rechnet trotzdem damit, dass in einem Jahr für die meisten Berechtigten ein Platz zur Verfügung stehen wird. "Nicht in jedem Fall wird es aber möglich sein, das Kind in die Wunsch-Kita der Eltern zu bringen", schränkte er ein. Damit kämen auf die betroffenen Väter oder Mütter auch Fahrzeiten zu.

Unternehmen in der Pflicht

Um den Kita-Ausbau voranzutreiben, sind nach Landbergs Ansicht jetzt vor allem größere Anstrengungen der Wirtschaft erforderlich. Unternehmen sollten mehr als bisher eigene Kindergärten bauen. Kleinere Firmen könnten sich etwa zusammentun, um gemeinsam eine Tagesmutter fest einzustellen. Dafür gebe es sogar staatliche Fördermittel. Eine ausreichende Kinderbetreuung sei eine gesamtgesellschaftlich Aufgabe.

Wenn die Wirtschaft ständig klage, sie brauche wegen des Fachkräftemangels auch junge Mütter, "dann muss sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch etwas bieten". Die Unternehmen könnten nicht nur darauf verweisen, dass dafür der Staat zuständig sei.

Vom umstrittenen Betreuungsgeld der Koalition erwartet Landsberg so gut wie keine Entlastung für die Kindertagesstätten. "Die jungen Mütter, die schnell wieder in den Beruf kommen möchten, wollen in der Regel ihre Karriere nicht beeinträchtigen. Sie wollen zusätzliches Geld verdienen. Und davon werden sie sich nicht von 150 Euro im Monat abbringen lassen", sagte er.

Bürokratie-Abbau in der Bauordnung nötig

Damit auch die Städte weitere Kitas einrichten können, müssten einige bürokratische Vorgaben in der Bauordnung abgeschafft werden. "Wer heute in einer Stadt eine Kita bauen will, braucht einen eigenen Spielplatz, obwohl der öffentliche Spielplatz eventuell gleich daneben ist", kritisierte er.

Dringend müssten zudem neue Tagesmütter gewonnen werden. Auch in diesem Bereich sei vieles falsch gelaufen. So seien Tagesmütter seit dem 1. Januar 2012 sozialversicherungspflichtig. Früher hätten Erwerbslose bis zu zwei Kinder betreuen können, ohne dass ihnen die Einkünfte aus dieser Tätigkeit angerechnet worden seien.

Nach dem 2008 in Kraft getretenen Gesetz haben von August 2013 auch Eltern von Kindern zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot in einer Kita oder bei einer Tagesmutter. Schon seit 1996 gilt in Deutschland der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz vom dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt.

Der Stadtstaat Hamburg erfüllt die gesetzlichen Anforderungen zum Teil schon ein Jahr früher als vorgeschrieben: Seit dem 1. August 2012 haben dort schon Zweijährige einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Laut der Sozialbehörde werden voraussichtlich 75 Prozent der Zweijährigen eine Betreuung in einer Kita oder in Kindertagespflege nutzen können.

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