Ermäßigungen bei der Ökosteuer:Bundesregierung schont die Industrie

Umweltschützer sprechen von "knallharter Klientelpolitik": Tausende Konzerne zahlen bis zum Jahr 2022 kaum Ökosteuer. Im Gegenzug sollen sie ihre Energieeffizienz nur um 1,3 Prozent steigern. Zu wenig, sagen die Experten.

Michael Bauchmüller, Berlin

Die deutsche Schwerindustrie erhält auch in Zukunft Ermäßigungen bei der Ökosteuer. Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch eine entsprechende Neuregelung. Danach bleiben vor allem besonders energieintensive Unternehmen von einem Großteil der Steuer verschont. Voraussetzung: Sie überwachen von 2015 an systematisch ihren Energieverbrauch.

Strikte Vorgaben für einzelne Unternehmen, wie sie auch das Finanzministerium in Betracht gezogen hatte, soll es allerdings nicht geben. Stattdessen müssen die jeweiligen Branchen nachweisen, dass sie jährlich 1,3 Prozent effizienter mit Energie umgehen. Sprich: Dass sie 1,3 Prozent weniger Strom und Wärme brauchen, um die gleiche Gütermenge zu produzieren. Noch am Mittwoch schlossen Bundesregierung und Wirtschaftsverbände eine entsprechende Vereinbarung. Sie gilt bis 2022.

Bund verzichtet auf 2,1 Milliarden Euro

Vergleichbare Ausnahmen gibt es schon seit 1999, als SPD und Grüne die Ökosteuer einführten. Deren Einnahmen sollten in die Rentenversicherung fließen und damit auch die Arbeitgeber von Beiträgen entlasten. Für Unternehmen, die mehr Stromsteuer zahlen, als sie von gesunkenen Rentenbeiträgen profitieren, führte Rot-Grün später den "Spitzenausgleich" ein, der aber Ende dieses Jahres ausläuft. Etwa 25 000 Unternehmen profitieren davon. Allein die Chemieindustrie spart so eine Milliarde Euro Steuern.

Laut Subventionsbericht der Bundesregierung handelt es sich um die viertgrößte Steuervergünstigung, in diesem Jahr verzichtet der Bund dafür auf etwa 2,1 Milliarden Euro.

Nach Vorstellung von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) soll es dabei auch bleiben. Ziel sei es, Arbeitsplätze in jenen Branchen zu erhalten, die besonders starker internationaler Konkurrenz ausgesetzt seien und höhere Energiepreise nicht verkraften könnten. Durch die zusätzlichen Auflagen würden die Unternehmen zudem in Zukunft gezwungen, dennoch effizienter mit Energie umzugehen. "Wir müssen ein realistisches Verhältnis schaffen zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch", sagte Rösler. Umweltschutz und Wirtschaftspolitik gingen bei der neuen Regelung "Hand in Hand".

"Weit hinter dem Möglichen"

Auch die Industrie äußerte sich zufrieden. Zwar seien die Vorgaben "sehr ambitioniert", sagte Markus Kerber, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Sie gäben aber die nötige Planungssicherheit. Es sei "zwingend notwendig", die hohen Lasten für die Industrie zu mildern.

Umweltschützer und Wissenschaftler zeigten sich weniger begeistert. "Das bleibt weit hinter dem Möglichen zurück", sagte Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. "Die Industrie kann schon ohne jede Zielvorgabe 1,5 Prozent im Jahr einsparen." Dies habe die Vergangenheit gezeigt. Somit sei eine Vorgabe von 1,3 Prozent leicht zu erreichen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sprach von "knallharter Klientelpolitik". Die Ausnahmen setzten falsche Marktsignale und verhinderten so Innovationen, sagte BUND-Chef Hubert Weiger.

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