Deutsches Schwimm-Debakel bei Olympia:Fehler in den eigenen Becken

Die Ursachenforschung nach dem Null-Medaillen-Auftritt der Schwimmer bei Olympia läuft. Mehr als fehlende "Belastungsverträglichkeit" kam bislang nicht heraus. Dabei sind die Gründe für den schwachen deutschen Schwimmsport vielfältig. Die Strukturen in den USA und China dienen jedenfalls nur bedingt als Vorbilder.

Claudio Catuogno

Selbst wenn es nur eine vorläufige Blitz-Analyse war, sie klang doch schon wieder ziemlich deutsch. "Zu geringe Belastungsverträglichkeit", "fehlende Stabilität in der Antriebsleistung", "keine stabil abrufbaren Wettkampf-Strukturen". Die plakativere Bilanz lieferte der Medaillenspiegel: null, null, null. Zum ersten Mal seit 80 Jahren reisen die Beckenschwimmer ohne Medaille von Olympia ab. Und die Frage ist jetzt: Gibt es dafür noch andere Gründe als den, dass man sich in Sachen Belastungsverträglichkeit vertan hat?

London 2012 - Schwimmen

Auch die allerletzte Chance auf eine Medaille verpasst: die deutsche Lagen-Staffel mit Helge Meeuw (l.), Steffen Deibler (M.) und Christian vom Lehm.

(Foto: dpa)

Die Botschaft, die der Leistungssport-Chef des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV) unters Volk brachte, lautet: Die Ursachen sind nicht nur in Konzepten zu suchen - sondern auch in der Gesellschaft. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Wie selten zuvor dominierten im Londoner Pool zwei Nationen, in denen der Sport völlig anders organisiert ist: die USA und China. Man muss noch nicht mal verbotene Methoden unterstellen, um zu dem Schluss zu kommen: Als Vorbild taugen beide nur sehr bedingt.

Das Hochschulsport-System, das US-Talenten nicht nur ihr Studium finanziert, sondern sie auch tagtäglich unter Wettkampfbedingungen fordert, kann man dem deutschen Verbandssport nicht überstülpen. Und mit sozialen Aufstiegschancen, wie ihn der Staatssport in China verspricht, werden sie ihre Schwimmer auch nicht locken können beim DSV, ebenso, wie sie ihnen die chinesischen Trainingsumfänge und manches andere niemals zumuten könnten. Darüber darf man durchaus froh sein.

Anderes kann man - unabhängig von Medaillenspiegeln - beklagen. Dass man vom Trainerberuf oft nicht leben kann. Dass das verkürzte Gymnasium Talenten kaum Raum fürs Sporttreiben lässt. Und wenn nicht mal Bildungsabschlüsse in Bayern und Berlin gleich viel wert sind - welche Eltern sollen ihre Kinder da mit gutem Gefühl ans andere Ende der Republik ziehen lassen, weil es dort eine stärkere Trainingsgruppe gibt?

Man muss die Ursachen aber nicht nur im Grundsätzlichen suchen. Oft sind es auch Verbandsfürsten, die ihre Sportler unbedingt im heimischen 25-Meter-Becken halten wollen, weil sonst Zuschüsse wegfallen, oder es sind Trainer, die verhindern wollen, dass ihr Talent plötzlich anderswo schwimmt. Der deutsche Schwimmsport macht seit Jahren zu wenig aus seinen Möglichkeiten. Da ist es jetzt zwar richtig, wenn die DSV-Spitze nicht dem Reflex nachgibt, wonach bei jedem Misserfolg Köpfe rollen müssen. Sie wäre aber auch gut beraten, nach Ursachen noch konsequenter dort zu suchen, wo man sie beeinflussen kann: in den eigenen Strukturen.

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