Pariser Autosalon 2012:Darum darben Frankreichs Autobauer

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Der Pariser Autosalon ist die wichtigste europäische Automesse des Jahres 2012. Ausgerechnet Peugeot, Citröen und Renault taumeln vor dem Heimspiel im Herbst. Die Absätze gehen stark zurück, Tausende Arbeiter verlieren ihre Stelle und neue Modelle sind Mangelware.

Wolfgang Gomoll und Stefan Grundhoff

Vor der Pariser Motorshow geben die französischen Autobauer ein wenig erfreuliches Bild ab. Besonders Peugeot und Citröen haben den Trend verpasst, die internationalen Märkte zu erobern. Allein Europa stand bei den Produktplanungen im Fokus. Das rächt sich schmerzhafter denn je. Ganz Frankreich freut sich auf die alljährliche Sommerfrische im August. Doch in der Konzernzentrale des PSA-Konzerns in Paris herrscht zurzeit eine eisige Stimmung. Kein Wunder bei den Zahlen, die PSA-Chef Philippe Varin unlängst präsentieren musste: Im ersten Halbjahr hat Peugeot-Citroën 819 Millionen Euro Verlust gemacht und 1,6 Millionen Autos verkauft. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum noch 806 Millionen Euro Gewinn. Konsequenterweise sank der Umsatz um fünf Prozent auf 29,6 Milliarden Euro. Was noch schwerer wiegt: Pro Monat macht PSA derzeit rund 200 Millionen Euro Verlust.

Verdammt zum Kassenschlager: Der Peugeot 208 muss an die Erfolge des 206 anknüpfen. Sonst kommt Peugeot in noch größere Schwierigkeiten. (Foto: JWO)

Während Konkurrenten, wie VW und Toyota sich meist in China ein weiteres wichtiges Standbein aufgebaut haben, setzt PSA zu stark auf Europa, wo rund 60 Prozent des PSA-Umsatzes erzielt werden. Vor allem die Wirtschaftskrise in Südeuropa, einer traditionellen PSA-Verkaufsbastion, setzt den Franzosen mehr denn je zu. In Italien brachen die Verkäufe um 21,5 Prozent ein, auch Spanien und Frankreich sind im zweistelligen Bereich rückläufig. Ein Ende der Abwärtsspirale ist nicht in Sicht. Vor allem der spanische Automarkt schrumpft weiter: Im Juli rutschten die Neuzulassungen um 17,2 Prozent ab. Ein Ende der Krise scheint nicht absehbar. Auch die gewollte Höherpositionierung der Modellpalette erweist sich aktuell als Boomerang. Modelle, wie der Peugeot 508 oder der Citroen C5 erfüllen die angepeilten Verkaufszahlen nicht. Da kommt dem überzeugenden Kleinwagen 208 mehr denn je die Rolle eines Heilsbringers zu. Nachdem sich der Vorgänger 207 mit rund 2,4 Millionen Verkäufen mehr schlecht als recht schlug, soll der 208 an den Absatzmarken des 205 (5,3 Millionen) und des 206 (7,8 Millionen) anknüpfen. Der 208 muss ein Erfolg werden.

Dieser Einbruch der Absätze wird nicht ohne Folgen bleiben. In den nächsten drei Jahren sollen mindestens 1,5 Milliarden Euro eingespart werden. Das geht nicht ohne drastische Einschnitte: 8.000 Stellen sollen gestrichen und das Werk Aulnay-saus-Bois bei Paris (dort wird der Citroën C3 gebaut) mit mehr als 3000 Beschäftigen in zwei Jahren geschlossen werden. Der Kompaktwagen soll dann in Poissy vom Band laufen, da dieses Werk mit der Produktion des 208 nicht ausgelastet ist. Auch beim Werk in Rennes soll die Belegschaft von 5600 auf 4200 Mitarbeiter reduziert werden. Die Auslastung der meisten französischen Autofabriken liegt bei kaum mehr als 60 Prozent. In Deutschland liegt die Auslastung zwischen 80 und 95 Prozent - insbesondere bei größeren und somit ertragreicheren Fahrzeugen. Zudem sind die meisten französischen Fabriken in die Jahre gekommen. Unter dem Strich bleibt bei einem produzierten Fahrzeug aus Frankreich zu wenig Geld übrig. Die derzeit umsatzstarken Märkte in den USA, China oder Südamerika lässt PSA bisher nahezu komplett aus.

Derartige Nachrichten kommen bei der Belegschaft nicht gut an. Sofort gingen die Menschen auf die Straße. Die Regierung Hollande versprach zwar dem kränkelnden Riesen unter die Arme zu greifen, wunderte sich aber, wo die Subventionen der letzten Jahre geblieben sind. Immerhin hat der PSA-Konzern in den letzten vier Jahren schon Staatshilfen in Höhe von vier Milliarden Euro erhalten. "Das ist Geld, das ohne Ertrag verschwunden ist", sagte Sozialministerin Marisol Touraine. Was erschwerend hinzukommt, ist, dass PSA bereits Immobilien und Tochterfirmen verkauft hat, sonst wäre der Verlust noch höher ausgefallen. Derweil droht weiteres Ungemach. Der französischen Regierung stößt der Kurs des Aufsichtsratschefs des PSA-Konzerns, Thierry Peugeot auf, der das Familienerbe retten will. Zumindest nach Ansicht der Politiker.

Der französische Minister für produktiven Wiederaufbau, Arnaud Montebourg fragt: "Wohin will PSA eigentlich? Die Strategie von Peugeot, die Allianz mit General Motors, die Haltung der Aktionäre sind ein echtes Problem. Wir haben kein besonderes Vertrauen in das, was uns heute die Peugeot-Spitze sagt." Die französische Regierung will es insbesondere der gefürchteten deutschen Konkurrenz schwerer denn je machen, in Frankreich Autos zu verkaufen. Elektroautos, auf die besonders Renault-Nissan setzt, sollen begünstigt werden, während herkömmliche Fahrzeuge mit Strafsteuern unter Druck gesetzt werden. Ein schwacher Silberstreif am Horizont ist die Allianz mit GM, die 320 Millionen Euro in die leeren Kassen spülte. Auch die Zusammenarbeit mit Toyota soll intensiviert werden. Ab dem zweiten Quartal nächsten Jahres sollen die Franzosen leichte Nutzfahrzeuge als Auftragsfertiger liefern. Die Kleinlaster basieren auf den Peugeot Expert und Citroen Jumpy, werden aber als Toyotas verkauft. Die Kooperation ist langfristig angelegt und soll sogar über das Jahr 2020 andauern. Inwieweit diese Aktivitäten die grundlegenden Probleme des PSA-Konzerns lösen können, darf bezweifelt werden.

Etwas besser präsentiert sich der Rivale Nissan Renault. Zwar brach der Absatz um 39 Prozent ein, dennoch verdiente der französisch-japanische Konzern 746 Millionen Euro. Der Umsatz ging um 0,8 Prozent auf 20,94 Milliarden Euro zurück. Woher kommt die positive Bilanz? Im Gegensatz zum französischen Konkurrenten PSA ist Renault Nissan deutlich internationaler aufgestellt und nicht in diesem hohen Maße von Europa abhängig. So sorgten vor allem die ausländischen Partner Nissan (Japan), Volvo (Schweden) und Avtovaz (Russland) für eine Geld-Infusion in Höhe von 630 Millionen Euro. Für Konzernlenker Carlos Ghosn Grund genug, weiter an ein positives Geschäftsjahr zu glauben: "In einem schwierigen und unsicheren Umfeld bleibt Renault in der Spur"

Ein wertvoller Trumpf ist die Billigmarke Dacia, deren Modelle sich auch während der Krise stabil verkaufen. So hält sich die rumänische Renault-Tochter europaweit bei einem Marktanteil von rund zwei Prozent. Allerdings sollte man sich nicht von der positiven Bilanz nicht blenden lassen: Renault-Nissan verkaufte im ersten Halbjahr 1,33 Millionen Automobile, 3,3 Prozent weniger als im letzten Jahr. Trotzdem setzt Renault-Nissan seinen Expansionskurs fort und investiert 131 Millionen Euro in Südkorea. Dort sollen künftig bis zu 80.000 Geländewagen vom Typ Nissan Rogue im Werk in Pusan von Band laufen. Damit soll auch der etwas darbende Autobauer Renault Samsung Motors (RSM) gestärkt werden, der im ersten Halbjahr nur 83.000 Autos verkaufte und damit etwa ein Drittel weniger als im letzten Jahr. So ungleich die Voraussetzungen, so ambitioniert sind die Erwartungen an die Pariser Motorshow. Dort wollen beide französischen Hersteller Optimismus versprühen und damit auch einen wichtigen wirtschaftlichen Impuls setzen. Doch die Neuheiten auf der nur alle zwei Jahre stattfindenden Heimmesse im Herbst sind überschaubar.

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