Streit um Datenschutz in Großbäckerei:"Die Kuh ist bereits am Ertrinken"

In einer schwäbischen Großbäckerei wird der Computer des Betriebsratschefs ausgespäht. "Datenschutzskandal", klagt dieser. Der Firmenchef hält dagegen: Die Maßnahme sei begründet, da der Arbeitnehmervertreter im Verdacht stehe, sein Arbeitszeitkonto manipuliert zu haben. Jetzt wird der Fall vor Gericht verhandelt.

Andreas Ross

Die schwäbische Großbäckerei Ihle wird alle Daten, die sie seit 16. April mithilfe einer Kontroll-Software heimlich vom Computer ihres Betriebsratsvorsitzenden in der Friedberger Produktionsstätte erhoben hat, dem Betriebsrat der Firma zur Verfügung stellen. Darauf haben sich Vertreter der Firma und des Betriebsrates mit ihren Anwälten vor dem Arbeitsgericht Augsburg verständigt.

Der Vorgang hatte öffentlich viel Staub aufgewirbelt. Denn der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Tim Lubecki, hatte der Geschäftsführung vorgeworfen, den Betriebsrat heimlich ausspioniert zu haben. Lubecki hatte von einem "unglaublichen Vorgang" und einem "Datenschutzskandal" gesprochen.

Firmenchef Wilhelm-Peter Ihle hatte seinerseits den Zugriff auf den Betriebsrats-PC mithilfe einer externen IT-Firma eingeräumt, die Maßnahme aber damit begründet, dass der Betriebsratschef in Verdacht stehe, sein Arbeitszeitkonto mehrmals zu seinen Gunsten manipuliert zu haben.

Ihle-Anwalt Gerhard Rieger erklärte am Donnerstag vor Gericht, man habe am 3. Mai dieses Jahres den Betriebsratsvorsitzenden beim Zugriff auf sein Arbeitszeitkonto ertappt. Der Vorgang habe knapp fünf Minuten in Anspruch genommen. Die Firma hat deshalb beim Arbeitsgericht die Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden beantragt.

Alles, was jedoch zuvor und danach durch die Kontrollsoftware ermittelt wurde, sei ungelesen und geschützt vor unberechtigten Zugriffen abgespeichert worden, erklärte Rieger. Die Firma Ihle habe deshalb kein Problem damit, diese Daten dem Betriebsrat der Firma vorzulegen.

Alexander Nerlinger, der Anwalt des Betriebsrates hatte Einsicht in die vom Betriebsrats-PC erhobenen Daten gefordert. Mitarbeiter und Betriebsräte von Ihle wollten schließlich wissen, in welchem Umfang hier eine Überwachung stattgefunden habe oder immer noch stattfinde. "Ich traue mich ja selbst nicht mehr, dem Betriebsrat eine Mail zu schicken, wenn alles mitgelesen werden kann", sagte Nerlinger.

Der Betriebsratsvorsitzende selbst hat übrigens bestritten, am 3. Mai auf sein Arbeitszeitkonto zugegriffen zu haben. Zum fraglichen Zeitpunkt habe er an einer Sitzung des Betriebsausschusses teilgenommen.

Zu einer weiteren Verständigung sahen sich die streitenden Parteien vor dem Arbeitsgericht allerdings nicht in der Lage, zumal wegen des heimlichen Zugriffs auf den Betriebsrats-PC noch ein Strafverfahren anhängig ist, das die Gewerkschaft NGG angestrengt hat. "Wir sehen darin eine massive Behinderung und Störung der Betriebsratsarbeit", betont NGG-Geschäftsführer Lubecki. Ein erster Gütetermin war im Juni vor dem Arbeitsgericht gescheitert, über den Kündigungsantrag der Firma Ihle soll nun im September entschieden werden.

Richter Manfred Irany bat die Parteien zu überdenken, ob es nicht sinnvoller sei, sich einem Mediationsverfahren zu unterziehen. Der Betriebsseelsorger der Diözese Augsburg, Erwin Helmer, berichtete, dass es bereits ein solches Schlichtungsgespräch unter seiner Moderation gegeben habe - allerdings erfolglos. Richter Irany verwies darauf, wie schädlich eine weitere öffentliche Debatte sowohl für die Firma als auch für die Person des Betriebsratsvorsitzenden sei.

Vielleicht gelinge es doch noch, so die Kuh vom Eis zu bringen. Ihle-Anwalt Gerhard Rieger war da skeptisch: "Die Kuh ist längst eingebrochen, sie ist bereits am Ertrinken."

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