Opel bleibt bei GM:"Gleichgewicht des Schreckens"

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Geld gegen Arbeitsplätze: General Motors brüskiert die Bundesregierung, doch im Poker um Finanzhilfen sind starke Nerven gefragt.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Aus Sicht des deutschen Steuerzahlers war die Nachricht, die Angela Merkel am Dienstag ausgerechnet in Washington so kalt erwischte, eigentlich eine gute: Der US-Konzern General Motors (GM) will seine Tochter Opel nun doch nicht verkaufen, sondern auf eigene Rechnung sanieren. Damit erübrigte sich zumindest vorläufig die Zusage Merkels und der Länder mit Opel-Standorten, Kredite und Bürgschaften im Volumen von 4,5 Milliarden Euro bereitzustellen. Für die Hilfen hätten im Zweifel die Bürger geradestehen müssen.

Opel bleibt bei GM und wird nicht an Magna und die russische Sberbank verkauft. (Foto: Foto: dpa)

Im Video: Der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat gefordert, dass GM nun den Kredit des Bundes zurückzahlen müsse.

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Stattdessen sind es nun die Amerikaner, die 1,5 Milliarden Euro an Deutschland zurückzahlen müssen. Das als Anzahlung gedachte " Brückendarlehen" wird am 30. November, also in nicht einmal vier Wochen, fällig. Geht das Geld nicht fristgerecht in Berlin ein, könnte eine kuriose Situation entstehen: Der Bundesrepublik gehörten urplötzlich Fabriken, Geschäftsgebäude und Tausende Opel-Pkw, die als Sicherheiten für das Darlehen verpfändet worden waren.

Dazu aber wird es wohl nicht kommen, denn der Entschluss von GM beruht ja gerade auf dem Glauben, Opel künftig wieder allein finanzieren zu können. Erledigt ist die Sache für Merkel damit nicht, denn GM-Chef Fritz Henderson hat bereits darum gebeten, dass die Bundesregierung das Sanierungskonzept für Opel, das er in Kürze vorlegen will, "wohlwollend prüfen" möge. Eine solche Bitte ergibt aber nur Sinn, wenn General Motors darauf spekuliert, dass sich Bund und Länder trotz aller Verärgerung am Ende doch an den Sanierungskosten in Höhe von rund drei Milliarden Euro beteiligen werden. Eine Rechnung, die aufgehen könnte, denn sollte Henderson Merkel und die Länder-Regierungschefs tatsächlich vor die Wahl stellen, an der Sanierung von Opel mitzuwirken oder aber das Traditionsunternehmen in die Insolvenz zu schicken, könnte der eine oder andere schwach werden.

"Die werden die Hand aufhalten"

Das Pokerspiel läuft bereits, wie die GM-Warnung vor einer Opel-Pleite am Mittwoch gezeigt hat. "Die werden die Hand aufhalten", heißt es in Regierungskreisen. Tatsächlich kann zunächst einmal jedes Unternehmen, das wegen der Rezession in Schwierigkeiten geraten ist, einen Antrag auf Hilfen aus dem sogenannten Deutschlandfonds der Regierung stellen, also auch Opel. Allerdings würde ein solcher Antrag mit gleich mehreren Vergabekriterien in Konflikt geraten: So ist äußerst fraglich, ob die Probleme bei Opel tatsächlich allein auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen sind. Auch gilt das bisherige Geschäftsmodell von GM für die Tochter als völlig untauglich. Und schließlich: Einer der Prüfsteine ist das Vertrauen der Regierung in die Seriosität der Konzernleitung. Das aber ist seit Dienstag erheblich gestört.

Auf Hilfen bestehen kann GM nach Ansicht der Bundesregierung nicht. Zwar könnten die Amerikaner die EU-Kommission daran erinnern, dass Merkel die geplanten Opel-Hilfen - aus formalen Gründen - ausdrücklich nicht davon abhängig gemacht hatte, dass ihr Favorit Magna den Zuschlag erhält. In Berlin wird aber darauf verwiesen, dass das Hilfsversprechen sehr wohl daran geknüpft war, dass das mit GM vereinbarte "Investorenmodell" zum Tragen kommt. Als Investor in diesem Sinne galten bislang allein neue Anteilseigner, die eigenes Geld zur Sanierung von Opel mitbringen, nicht aber der Alteigentümer.

Wie ein Machtkampf zwischen Detroit und Berlin ausgehen würde, ist völlig ungewiss. In deutschen Regierungskreisen ist man sich durchaus bewusst, dass GM die Politik mit der Drohung einer Opel-Insolvenz mächtig unter Druck setzen könnte. Andererseits setzt man auf die Einsicht der Manager, dass ein solcher Konkurs ihren Konzern das letzte Vertrauen der Kunden in Europa und damit letztlich die Existenz kosten könnte. "Zwischen uns und denen", so heißt es in den Kreisen, "herrscht jetzt ein Gleichgewicht des Schreckens."

© SZ vom 05.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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