Streit um lesbische Erzieherin:Ärger mit dem Kindergarten

"Wir leben doch nicht im 18. Jahrhundert" - hat sich eine junge Erzieherin gedacht und wurde eines besseren belehrt. Sie bekannte sich bei ihrem Arbeitgeber dazu, lesbisch zu sein. Jetzt wird sie in dem katholischen Kindergarten in Neu-Ulm nicht weiter beschäftigt und ist überzeugt, dass es an ihrer Ehrlichkeit liegt.

Ein anfangs bedenkenloser Start in einen Job: Eine Zeitarbeitsfirma vermittelt die Ulmer Erzieherin Tanja Junginger vergangenes Jahr an einen römisch-katholischen Kindergarten in Neu-Ulm. Es läuft gut. Bald schon bietet die Einrichtung der 35-Jährigen eine Stelle bis zum 31. August 2012 an. Junginger aber stolpert über eine Vertragspassage und am Ende auch über ihre sexuelle Orientierung.

Lesbische Erzieherin Tanja Junginger

Die Leiterin eines Neu-Ulmer Kindergartens sollte gefeuert werden - weil sie lesbisch ist.

(Foto: dpa)

"Ich las die Floskel, dass mein außerdienstliches Verhalten nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen des kirchlichen Dienstes stehen darf", sagt Junginger. Sie wollte nicht lügen und informierte die Leiterin: "Ich bin lesbisch." Die Kindergartenleitung schaltete daraufhin den zuständigen Gemeindepfarrer Markus Mattes ein. Dieser habe ihre homosexuelle Lebensweise als unnatürlich bezeichnet, erzählt Junginger. "Das war so demütigend." Wegen Personalnotstands kam die befristete Anstellung doch zustande, sie wird aber nicht verlängert. Für die evangelische Erzieherin liegt der Grund auf der Hand. Sie ist nicht die Einzige in Deutschland, die Ärger mit einer kirchlichen Einrichtung hat, weil sie homosexuell ist.

Mattes, Vorgesetzter der Kindergartenleitung, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Leiterin des Kindergartens verweist auf die Diözese Augsburg. Junginger macht ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Augsburg Mut: Das Gericht entschied im Juni, dass die Diözese Augsburg einer lesbischen Erzieherin aus dem Landkreis Neu-Ulm nicht kündigen darf, solange sie in Elternzeit ist. Daraufhin machte auch Junginger ihren Fall publik. "Wir leben ja nicht mehr im 18. Jahrhundert. Es geht nicht nur um mich."

Der psychische Druck im Kindergarten nahm aber so zu, dass sie krankgeschrieben werden musste, sagt Junginger. Juristisch kann die Ulmerin keine Weiterbeschäftigung durchsetzen. Markus Kremser, Pressesprecher der Diözese Augsburg, sagte jüngst in einem Zeitungsinterview, dass es sich lediglich um einen befristeten Vertrag handele, der auslaufe. Im Fall der lesbischen Erzieherin in Elternzeit hatte Kremser gesagt, dass die Homosexualität ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß sei.

Mehr Toleranz in der Nachbardiözese

Uwe Renz, Pressesprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart, möchte sich zwar nicht in die Belange der Nachbardiözese einmischen, sagt aber: "Eine homosexuelle Prägung kann kein Grund für eine Einstellung, Nichteinstellung oder Entlassung sein." Hauptamtliche Mitarbeiter müssten jedoch gemäß der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche leben. Falls sich ein Widerspruch auftue, müsse man "mit viel Sensibilität und Sachkenntnis vorgehen und entscheiden."

Die Diözese Freiburg hat ein eigenes Referat für Schwule und Lesben eingerichtet, um diese besser in Gemeinden, Gruppen und Verbänden zu integrieren. Manfred Bruns, früherer Bundesanwalt am Bundesgerichtshof und seit der Pensionierung Rechtsberater des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD), rät Homosexuellen, kirchliche Arbeitsverträge zu unterschreiben und zu schweigen. "Sollte es später zu einer Kündigung kommen, empfehlen wir die Kündigungsschutzklage." Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2010 hätten diese gute Erfolgschancen. Das letzte Wort müsste das Bundesverfassungsgericht sprechen.

Unverständnis zeigt auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): "Für die Arbeit ist die sexuelle Orientierung völlig unerheblich", sagt GEW-Sprecher Matthias Schneider in Stuttgart. "Ich würde mir wünschen, dass sie bei Arbeitsverträgen der katholischen Kirche keine Rolle spielen würde." Junginger sucht mittlerweile eine neue Stelle.

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