Mitt Romneys Vizekandidat:Wie Paul Ryan Amerika verändern will

Zurück in die fünfziger Jahre: Paul Ryan könnte Vizepräsident der USA werden. Seine radikalen Vorstellungen von Finanzpolitik brächten eine konservative Revolution - deutlich weniger Steuern für Reiche und das Ende der bisherigen Krankenversicherung für Rentner.

Nikolaus Piper, New York

Paul Ryan hat das Zeug, die USA von Grund auf zu verändern. Der konservative Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus hat das Programm für eine konservative Revolution vorgelegt: die Rücknahme wesentlicher Sozialreformen der Dreißiger- und Sechzigerjahre. Kern der Politik des möglichen nächsten Vizepräsidenten der USA ist ein Budget-Entwurf, verbunden mit einer langfristigen Finanzplanung.

Der sogenannte "Ryan-Plan" trägt in seiner neuesten Fassung den Namen "Der Weg zum Wohlstand" ("The Path to Prosperity"). Ryan will nicht nur das ausufernde Staatsdefizit kappen, er will den Staat zum weitgehenden Rückzug aus Wirtschaft und Gesellschaft zwingen. Die Ausgaben der Regierung in Washington sollen von heute 24 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 15 Prozent im Jahr 2050 sinken. Einen so niedrigen Anteil an der Wirtschaftsleistung hatte der Staat zuletzt 1951. Die progressive Einkommensteuer würde abgeschafft und durch zwei Steuersätze ersetzt: zehn und 25 Prozent. Heute liegt der Spitzensteuersatz bei 35 Prozent.

Pläne für Kürzungen und Steuersenkungen sind meist unseriös, weil die Einsparungen aus dem Versprechen bestehen, Verschwendung beim Staat abzubauen. Bei Ryan ist das anders. Er weiß, dass der Schuldenberg der USA von gut 100 Prozent des BIP selbst dann nicht kleiner werden würde, wenn die Regierung ihre Arbeit einstellte. Dem Schuldenproblem kann Washington ohne Steuererhöhungen nur dann Herr werden, wenn die Regierung entweder die Sozialleistungen, oder das Verteidigungsbudget radikal kürzt.

Was Ryan auszeichnet, ist sein Mut - manche Republikaner betrachten diesen Mut als selbstmörderisch -, daraus Konsequenzen zu ziehen. Das Militär ist für Konservative ein Tabu, also bleiben nur die Sozialausgaben. Ryan hat sich dabei Medicare vorgenommen, die staatliche Krankenversicherung, die jeden Amerikaner mit 65 aufnimmt, nachdem er während seines Berufslebens eine spezielle Steuer gezahlt hat.

Medicare arbeitet relativ effizient, kommt aber gegen Ende des Jahrzehnts trotzdem in massive Schwierigkeiten, weil immer mehr Amerikaner in den Ruhestand gehen und immer weniger in das System einzahlen. Als Konsequenz will Ryan Medicare in der bisherigen Form abschaffen: Rentner sollen nicht mehr direkt versichert werden, sondern Gutscheine bekommen, mit denen sie auf dem freien Markt eine Versicherung kaufen können. Das Ergebnis wird sein, dass Pensionäre wesentlich mehr als bisher für Gesundheit ausgeben müssen. Schließlich treten die erwünschten Ersparnisse für den Staat nur ein, wenn die Ausgaben für die Gutscheine gedeckelt werden.

Das überparteiliche Haushaltsbüro des Kongresses errechnete, dass nach Ryans Plan der US-Staatshaushalt von 2040 an Überschüsse erwirtschaften und bis 2050 der Anteil der Staatsschulden auf zehn Prozent des BIP sinken würde. Bemerkenswert an diesen Zahlen: Das Budget wird danach erst weit in der Zukunft ausgeglichen, auch die unangenehmen Teile des Plans, die Abschaffung von Medicare, wirken erst später. Das Angenehme - die Steuersenkungen - kommt dagegen viel früher. Möglicherweise ist das ein starkes Wahlkampfargument.

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