N24: "Hermes" mit Jürgen Doetz:Nummer 001 und sein russischer Freund

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Um N24 aus der Pro-Sieben-Sat1-Gruppe buhlt ein russischer Millionär. Ihm hilft einer aus dem anderen Lager: Sat1-Legende Jürgen Doetz.

Christina Maria Berr

In seiner Karriere hat Medienmann Jürgen Doetz viele Senderchefs kommen und gehen sehen. Er selbst hat den privaten Rundfunk von Beginn an auf vielen Wegen gefördert, unter anderem als Mitarbeiter Nummer 001 beim Sender Sat 1. Hier war er zwar als Geschäftsführer vor allem mit medienpolitischen Dingen betraut, doch das Zepter schwangen öffentlichkeitswirksam immer andere.

Nun, im 65. Lebensjahr, soll es für den amtierenden Präsidenten des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) noch einmal ganz anders kommen. Denn Doetz könnte auf einmal selbst bei einem TV-Sender die Rolle des Zampanos spielen und eine Art Über-Journalist sein: beim Berliner Nachrichtensender N24.

Seit Monaten wird über einen Verkauf der wirtschaftlich schwierigen News-Tochter des Münchner Fernsehkonzerns Pro Sieben Sat 1 Media AG spekuliert. Die Offerten der möglichen Käufer liegen in dem Verkaufsverfahren (Codename: Hermes) vor - und neben all den anderen Interessenten, angeblich dem Wirtschaftsnewsender CNBC, Medienmogul Rupert Murdoch, den Eigentümern der Nachrichtenagentur ddp, dem Film- und Fernsehproduzenten Jan Mojto sowie der N24-Geschäftsführung plus Ex- Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust, fällt das Angebot eines Russen nun besonders auf.

Ehrgeiziges Angebot

Es handelt sich um die Firma Ren Media des Filmproduzenten Dimitri Lesnewski, der bereits vor rund zwei Jahren den Münchner Kleinsender Das Vierte übernommen hat. Der Mann hat einst in Moskau den Nachrichtensender Ren TV gesteuert und hofft nun auf die große Expansion in Deutschland. Das sehr ehrgeizige Angebot beinhaltet die Zusage, alle 250 Mitarbeiter von N24, inklusive Geschäftsführung, weiter zu beschäftigen.

Aber so etwas haben Interessenten im Kampf um Opel auch behauptet. Vor dem Spiel ist hier immer anders als nach dem Spiel.

Investor Lesnewski macht sich Hoffnungen, zum Zug zu kommen, weil er den medienpolitisch versierten Jürgen Doetz an seiner Seite weiß. Das CDU-Mitglied - in den Uralt-Zeiten des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel war er stellvertretender Regierungssprecher - gehört in der Union zum "Anden-Pakt" ( Pacto Andino Segundo), einem Männer-Klüngel einflussreicher konservativer Politiker wie Christian Wulff, Roland Koch oder Günther Oettinger, der offenbar in gewisser Fronde zur Parteichefin Angela Merkel stand.

Auch mit dem ein oder anderen Sozialdemokraten versteht sich Doetz gut, der im Übrigen als Vizepräsident des Erstligisten Mainz 05 im Fußball gut vernetzt ist.

So einer wie der umtriebige Veteran des deutschen Privatfunks ziert einen russischen Millionär. In Medienberichten bestätigte Jürgen Doetz, er sei von Lesnewski gefragt worden, ob er den Verkaufsprozess als Berater begleiten und - bei Erfolg für einen Zuschlag bei N24 - eine führende Aufgabe übernehmen würde. Eine derartige Aufgabe, könnte ihn reizen, erklärte Doetz.

Dabei soll es sich, so Informationen von sueddeutsche.de, um die Funktion eines Senderchefpräsidenten handeln. Dann wäre Doetz, der einst als politischer Redakteur des Pfälzer Tageblatts angefangen hat, in der Riege der wichtigen Macher angekommen. Während Engeweihte schon von einer Geschäftsführertätigkeit sprechen, heißt es im Umfeld von Doetz, es gehe um einen Aufsichtsratsposten.

Knick in der Optik

Es geht um viel, immerhin soll N24 auch weiterhin den Sendern Sat 1, Pro Sieben und Kabel 1 die Nachrichten liefern. Dass sie womöglich sozusagen aus russischer Hand kämen, dieser Gedanke wird für einige vielleicht erträglich, wenn sie den gestandenen Christdemokraten an vorderster Stelle wissen, der einst im Umfeld der Freunde Helmt Kohl und Leo Kirch aktiv geworden war.

Ein wenig stört in der Optik nur, dass Doetz auch für die Pro Sieben Sat 1 Media AG als Berater aktiv ist - also auf Seiten des Verkäufers jenes Senders N24, den er künftig gerrne leiten möchte. Auch war Doetz einige Jahre Vorstand der börsennotierten Pro-Sieben-Gruppe. Dem kritischen Beobachter könnte sich hier der Gedanke aufdrängen, es läge ein klassischer Interessenskonflikt vor.

Noch nicht unterschrieben

Doetz sähe darin kein Problem, erfährt sueddeutsche.de aus dem Umfeld des Consultants, er habe als Pro-Sieben-Sat1-Berater mit dem Verkaufsprozess von N24 nichts zu tun gehabt. Außerdem habe Doetz die Münchner Sendergruppe sofort über das vorliegende Angebot des Russen informiert. Mitte voriger Woche sei es soweit gewesen, heißt es in Kreisen der Pro-Sieben-Gruppe. Ja, Doetz kümmere sich für den Konzern vor allem um regulatorische Fragen, um Dinge wie Werberegeln und Staatsverträge.

Und doch sagt ein Manager der Pro-Sieben-Gruppe: "Einige sind fast vom Stuhl gekippt, als Doetz die Sache mit dem Russen öffentlich machte." Machen die russischen Geldgeber im Hintergrund Druck? Haben einige Angst, man befasse sich zu stark mit dem Schicksal des Lesnewski-Senders Das Vierte, der nach vollmundigen Ankündigungen nahezu in der Versenkung verschwand und bestenfalls durch die Nachricht punkten kann, dass es ihn noch gibt?

Offiziell ist ja noch gar nichts passiert. Der Vertrag liege bei Doetz auf dem Schreibtisch, unterschrieben habe er ihn jedoch noch nicht. Und all die vorliegenden Kauf-Angebote für N24 müssen erst einmal bewertet werden. Kommt es überhaupt in der Causa Hermes zum Vollzug?

Ob die Pro Sieben Sat 1 Media AG ihren Nachrichtensender überhaupt verkauft, ist nicht wahrscheinlicher geworden. N24 könnte ja nach einer Restrukturierung weiter im Verbund bleiben - und Jürgen Doetz wäre dann Berater. Alles wie gewohnt. Oder er kauft für sich und die Russen halt einen anderen Sender.

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