Im ökologischen Vorzeigebetrieb:Wo das grüne Herz zu Hause ist

Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen, auf Stippvisite in Herrmannsdorf

Alexandra Leuthner

GlonnDer Chef begrüßt die Bundesvorsitzende beim Schweinekoben. Die Schweine, braun und rosa, haben es sich im Schatten bequem gemacht an diesem Sommertag, und Karl Schweisfurth könnte gleich hier, angesichts der alten Schweinerasse, die sein Biobetrieb vor dem Aussterben bewahrt hat, zu erzählen beginnen. Claudia Roth, auf mehrwöchiger Bayern-Tour, lässt sich erklären und erläutern, scheint alles aufzusaugen, was der Chef der Herrmannsdorfer Landwerkstätten berichtet, von der Warmfleisch-Metzgerei bis zur Rohmilch-Käserei, von Zweinutzungshuhn und Biowein. Einer wie ihr, Grüne der allerersten Stunde, muss das Herz übergehen an einem Ort, wo Nachhaltigkeit oberstes Gebot und Bio Lebensprinzip ist.

In Charlottenburg, wo die Bundestagsabgeordnete während der Berliner Sitzungsperioden zu Hause ist, gebe es keinen einzigen Metzger. Da bliebe nur der Weg ins KaDeWe erzählt sie mit sehnsüchtigem Gesichtsausdruck angesichts der üppigen Wurstauslage, und wer einen Bäcker suche in Kreuzberg, assistiert ihr Berliner Assistent, der müsse eben zum Türken gehen - wogegen Roth als explizite Befürworterin einer Aufnahme der Türkei in die EZ aber wohl auch nichts hat.

Und doch schlägt sie nicht ganz ohne Ernst vor, dass Schweisfurth eine Niederlassung in Berlin aufmachen könne. Beim Käsestand erzählt sie von den legendären Käspatzn ihrer schwäbischen Oma und bleibt dann natürlich beim Regal mit Bio-Spätzle und Eingemachtem hängen, um hoch erfreut von ihrem Assistenten zu erfahren, dass es eine Kühlbox in ihrem Tourbus gibt. Vielleicht ergäbe sich ja in diesen Wochen, in denen sie in Bayern unterwegs ist, mal eine Gelegenheit für ein gemütliches Abendessen in ihrer Augsburger Wohnung - wo man ihr, dem Hörensagen nach, selbst dann nicht begegnet, wenn man jahrelang im selben Haus wohnt. Eher trifft man sie in einem Flüchtlingslager in der Türkei, beim Essen mit Prinz Charles, auf einer Konferenz des Deutschen Fußballbundes oder, natürlich, im Bundestag in den Reihen der Grünen-Fraktion.

27 Jahre Politik hat Roth, die als grüne Spitzenkandidatin gemeinsam mit Jürgen Trittin in den Bundestagswahlkampf 2013 ziehen will, hinter sich. Und so wie andere vom Nachmittagskaffee mit der Nachbarin klönen, erzählt sie zwischen Scherzen über Steckrüben und Diskussionen über die Notwendigkeit eines neuen Bewusstseins für den Wert der Nahrung von Besuchen in der britischen Botschaft, vom "Nica-Kaffee", den sie 1985 mit den Grünen im Bundestag aus Solidarität mit dem nicaraguanischen Widerstand trank, von Sitzungen mit internationalen Organisationen - "ich war ja mal Menschenrechtsbeauftragte" - oder vom Fußball. Bei der Frauen-Fußball-WM 2011 in Deutschland hatte sie als Sprecherin des DFB-Umweltbeirats dafür gesorgt, dass es in allen Stadien Bio-Currywürste zu kaufen gab. Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger habe damals höchst skeptisch gesagt: "Das sag ich dir, wenn die nicht schmecken, ist das das Ende des Fußballs." Karl Schweisfurth wird es freuen: So schlimm ist es nicht gekommen.

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