CDU-Generalsekretär Gröhe:Homo-Ehe gleichstellen ist eine "Symboldebatte"

CDU-Generalsekretär Gröhe sieht keinen Grund, die Home-Ehe steuerlich gleichzustellen. Noch lebten die meisten Kinder bei ihren biologischen und verheirateten Eltern. Das müsse die CDU anerkennen. Ein Gespräch über christliche Werte, konservative Verirrungen und Wundersames in der FDP.

Thorsten Denkler und Nico Fried

Direkt unter dem Büro von Angela Merkel residiert CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe auf der spitz zulaufenden Seite der CDU-Parteizentrale. Der 52-Jährige ist seit Oktober 2009 Generalsekretär der CDU und gehört zu den eher ruhigeren Vertretern seiner Spezies. An einer Wand neben dem Schreibtisch hängen Bilder seiner Familie - Gröhe ist verheiratet und hat vier Kinder. Darunter hängt ein Portrait von Konrad Adenauer. Auf den lässt er nichts kommen, wie sich im Gespräch herausstellen wird.

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"Wir sind nicht die Konservativ Demokratische Union, sondern die Christlich Demokratische Union": CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe steckt im Gespräch mit SZ.de die Ausrichtung seiner Partei ab.

(Foto: picture alliance / dpa)

SZ.de: Herr Gröhe, die CDU klopft sich auf die Schulter für ihre moderne Familienpolitik. Doch kaum geht es um die Homo-Ehe, scheint die CDU wieder in Fünfziger-Jahre-Dünkel zu verfallen. Muss das sein?

Gröhe: Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften werden von der CDU selbstverständlich anerkannt, sie sind gelebte Realität. Und wenn zwei Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, verdient das unseren Respekt. Gleichzeitig spricht das Grundgesetz von einer besonderen Förderungswürdigkeit von Ehe und Familie. Das schließt schon logisch aus, jede besondere Förderung der Ehe als Diskriminierung aller anderen Lebensgemeinschaften anzusehen. Dann könnte ich dem Verfassungsgebot ja gar nicht mehr Folge leisten.

SZ.de: Und wenn das Bundesverfassungsgericht die steuerliche Gleichstellung fordert...

Gröhe: ... dann haben wir selbstverständlich die Rechtsprechung zu achten.

SZ.de: Sie könnten doch auch das Ehegattensplitting entweder öffnen für Lebenspartnerschaften oder es zugunsten eines reinen Familiensplittings nach französischem Vorbild weiterentwickeln. Warum warten Sie auf das Gericht? Schließlich hat sich das klassische Familienmodell der fünfziger Jahre - der Mann als Verdiener, die Frau zuhause bei den beiden Kindern - in der gesellschaftlichen Wahrnehmung überholt.

Gröhe: Aber doch weit weniger, als weithin angenommen wird! Nicht das Beziehungsleben mancher Tatort-Kommissare ist der Maßstab, sondern das Privatleben der meisten Menschen in Deutschland. Und die meisten Kinder wachsen bei ihren verheirateten, biologischen Eltern auf. Es ist gut, wenn dies eine Volkspartei anerkennt.

SZ.de: Gleichgeschlechtliche Paare ohne Kinder verstehen nicht, warum sie gegenüber Hetero-Paaren ohne Kinder schechter gestellt sind.

Gröhe: Der besondere Gedanke beim Ehegattensplitting ist, den Paaren freizustellen, wie sie Erwerbs- und Familienarbeit untereinander aufteilen. Egal wie sie es machen, der Staat rechnet jedem das halbe Familieneinkommen zu. In aller Regel betrifft das nun mal Eheleute mit Kindern. Darum sehen wir auch keinen Grund, das zu ändern, bevor das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Ich halte das ohnehin für eine Symboldebatte. Schon allein deshalb, weil Paare ohne Kinder in der Regel Doppelverdiener sind. Da fällt der Splittingvorteil kaum ins Gewicht. Das würde auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten.

SZ.de: Dennoch: Vom Ehegattensplitting können Ehepaare profitieren, wenn sie gar keine Kinder haben. Und womöglich gilt das bald auch für gleichgeschlechtliche Paare. Wäre es da nicht sinnvoller die Förderung allein auf Kinder zu konzentrieren, statt auf Paare?

Gröhe: Es ist doch nicht so, dass Kinder heute bei der Steuer keine Bedeutung haben! Wir haben den Kinderfreibetrag gegen Protest von Rot-Grün bereits deutlich erhöht. Unser Ziel bleibt es, den Freibetrag von Kindern und Erwachsenen auf dieselbe Stufe zu heben. Damit hätten wir ein echtes Realsplitting.

SZ.de: Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger gibt gerade einen Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung, mit dem sie in vielen Gesetzen den Begriff Ehegatten durch Lebenspartner ergänzt. Ein unterstützenswertes Vorhaben?

Gröhe: Ich teile die Auffassung unserer Rechtspolitiker, dass es zurzeit drängendere Probleme der Rechtspolitik gibt als dieses Gesetz.

SZ.de: Ob Homo-Ehe, Familienpolitik oder Atomausstieg, die CDU wird eher selten als Vorreiterin wahrgenommen, wenn es um gesellschaftliche Veränderungsprozesse geht. Woran liegt das?

Gröhe: Wenn ich an die Ganztagsschule oder die Betreuung für unter Dreijährige denke, gebe ich Ihnen unumwunden Recht. Das haben manche Westdeutsche zu lange gleichgesetzt mit den Krippen in der DDR. Aber in Gänze bestreite ich diese Wahrnehmung. Die CDU war und ist oft Trendsetter. Es war einer Rita Süßmuth zu verdanken, dass berechtigte Anliegen des Feminismus aus einer gesellschaftlichen Randlage ins Zentrum der Politik gerückt wurden. Wir nehmen Veränderungen auf, gestalten sie aktiv.

SZ.de: Welche gesellschaftspolitische Debatte treibt denn die CDU derzeit voran?

Gröhe: In der Integrationspolitik haben wir etwa mit der Islamkonferenz und einer Staatsministerin für Integration wesentlich dazu beigetragen, alte Gräben zu überwinden. Hier die Multkulti-Idylle, dort das Mantra, wir seien kein Einwanderungsland - das ist vorbei. Das hat Rot-Grün nie hinbekommen. Da hat es die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes gegeben, anderes aber blieb liegen.

SZ.de: Gegen das Staatangehörigkeitsrecht gab es massive Widerstände aus der Union.

Gröhe: Sie werden sich vielleicht erinnern, dass es bei uns auch Befürworter einer Veränderung gab. Dazu zählte ich.

SZ.de: Die CDU hat den Anspruch, für eine bürgerliche Politik zu stehen. Ein Anspruch, den auch Liberale, Grüne und Sozialdemokraten für sich geltend machen. Wie sieht eine zeitgemäße bürgerliche Politik aus?

CDU-Bundesparteitag

"Wir sind nicht die Konservative Demokratische Union, sondern die Christlich Demokratische Union": CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe steckt im Gespräch mit SZ.de die Ausrichtung seiner Partei ab.

(Foto: dpa)

Gröhe: Bürgerliche Politik wird oft verstanden als Politik für eine bestimmte soziologische Schicht, oder härter formuliert, für eine bestimmte Einkommensgruppe. Dank der Christsozialen galt das aber nie für die CDU. Ich bleibe beim Beispiel der Integrationspolitik: Wir laden jeden, der rechtmäßig bei uns lebt, ein, sich bewusst als Bürger zu verstehen. Wir fördern Eigen- und Mitverantwortung - und fordern sie ein. Das ist moderne bürgerliche Politik.

SZ.de: Wie nehmen Sie den Konflikt zwischen denen wahr, die der CDU wieder einen erkennbar konservativen Stempel aufdrücken wollen, und jemandem wie Fraktionschef Volker Kauder, der sagt, die CDU ist nicht konservativ, sie ist christlich?

Gröhe: Volker Kauder sagt zu Recht, dass wir auch konservativ sind - aber nicht nur das. Wir sind nicht die Konservativ Demokratische Union, sondern die Christlich Demokratische Union. Das christliche Menschenbild ist unser Fundament. Es birgt immer soziale, liberale und konservative Elemente in sich.

SZ.de: Konservative berufen sich gerne auf Adenauer, um die Politik von heute zu kritisieren.

Gröhe: Mit Verlaub, als Konrad Adenauer im zerbombten Köln stand, kam er sicher nicht im Traum auf die Idee, sich vor allem als Konservativer zu verstehen. Was gab es denn da auch zu bewahren? Damals wollte man sicher nicht zurück nach Weimar und schon gar nicht zurück in die menschenverachtende Diktatur der Nazis. Adenauer und die Seinen wollten einen Aufbruch, etwas völlig Neues - auf der Grundlage bleibender Werte. Wer die Adenauer-Ära nur unter der Überschrift "konservativ" sieht, fällt auf die Geschichtsklitterung der Linken herein. Natürlich hat Adenauer bewusst an Traditionen angeknüpft und war damit konservativ. Aber im Kern und auch in der Rhetorik war das der fast revolutionäre Neubeginn einer Volkspartei und eines demokratischen Staates. Unser Wertefundament steht in einer 2000 Jahre alten, christlichen Tradition.

SZ.de: Das heißt für die CDU im hier und jetzt?

Gröhe: Das heißt, dass wir auf Basis unserer Wertevorstellungen die Zukunft gestalten wollen. Ganz praktisch. Christliche Werte sind nicht für das Bücherregal da, sondern für das pralle Leben.

SZ.de: Freut es Sie eigentlich, dass der konservative Berliner Kreis gerade erneut seine offizielle Gründung verschieben musste?

Gröhe: Ich habe keinen Grund zur Häme. Mir ist jedes Mitglied herzlich willkommen, das seinen Beitrag zur Profilierung der CDU leisten will.

SZ.de: Fördern würden Sie die Gründung eines konservativen Flügels auch nicht gerade.

Gröhe: Die CDU hat eine starke föderale Tradition. Wir haben sehr selbstbewusste Landesverbände, örtliche Gliederungen und Vereinigungen. Das ist prägend für uns. Ich halte nichts davon, wenn wir uns in Gesinnungsstrukturen zerlegen, wie es in der SPD mit den rechten Seeheimern und den Parteilinken der Fall ist. Ich will nicht gefragt werden in der Partei: Bist du ein Linker oder ein Rechter? Diese Schubladen taugen nichts. Eine Volkspartei führt zusammen.

SZ.de: Die frühere Kohl-Beraterin Gertrud Höhler verdächtigt die Kanzlerin, eine Art diktatorisches System zu etablieren. Können Sie damit etwas anfangen?

Gröhe: Nein.

SZ.de: Viele Menschen, auch Abgeordnete können den Entscheidungen in der Politik kaum noch folgen. Gerade in der komplexen Euro-Krise fühlen sich viele ausgeschlossen von den demokratischen Prozessen. Ist das keine Gefahr?

Gröhe: Die Euro-Krise verlangt immer wieder neue und auch schnelle Entscheidungen. Es ist dabei gut, dass wir in Deutschland eine starke parlamentarische Kontrolle haben. Aber natürlich sind Krisenzeiten auch immer Zeiten der Exekutive. Angela Merkel handelt dabei auf dem Fundament einer eindeutig pro-europäischen Ausrichtung unserer Verfassung und unserer Programmatik. Die hohen Zustimmungswerte zu ihrer Krisenpolitik zeigen, dass die Bevölkerung mit ihrer Politik sehr einverstanden ist. Diese persönliche Glaubwürdigkeit ist ein hohes Gut.

SZ.de: Zum Diktatur-Vorwurf passt, dass angeblich die Mitglieder des konservativen Berliner Kreises gewarnt worden seien, sie würden nichts mehr werden in der Politik, sollten sie weiter mitmachen.

Gröhe: Das ist doch Quatsch. Niemand in diesem Kreis muss sich Sorgen machen, dass er von der Parteiführung Karriere-Stoppschilder vorgehalten bekommt. Über 90 Prozent unserer Abgeordneten sitzen mit einem Direktmandat im Bundestag, leben von der Zustimmung vor Ort. Jede Einflussnahme der Bundesspitze auf die Aufstellung der Direktkandidaten würden unsere Kreisverbände ablehnen - zu Recht.

SZ.de: Sie werden also auch keinen Einfluss darauf nehmen, wen die Landesverbände für die frei werdenden Posten der stellvertretenden Parteivorsitzenden nominieren?

Gröhe: Das Vorschlagsrecht liegt bei den Landesverbänden.

SZ.de: Es gibt vier Stellvertreter-Posten. Zwei werden frei, einer davon geht sicher nach Nordrhein-Westfalen. Um den anderen kabbeln sich Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Wie wollen Sie den Streit schlichten?

Gröhe: Wir hatten schon mal sieben Stellvertreter, wir hatten auch mal nur einen Stellvertreter. Gehen Sie davon aus, dass hier wie überall im Leben nichts zementiert ist. Eine moderate Erhöhung der Stellvertreter-Zahl kann man prüfen, damit sich die Partei insgesamt in der Führungsspitze wiederfindet.

SZ.de: War das damit gemeint, als über Sie berichtet wurde, Sie werden alles daran setzen, eine Kampfabstimmung zu vermeiden?

Gröhe: Das stammt nicht von mir und ist, mit Verlaub, Unsinn. Weder sehe ich hier einen Kampf noch einen Grund, jemandem eine Kandidatur auszureden.

SZ.de: Problematischer war dagegen wohl die Wahlstrategie der CDU 2009, die darauf abzielte, SPD-Wähler von der Wahl abzuhalten. Asymmetrische Demobilisierung hieß das. Wollen sie wieder so unverfroren die Wahlbeteiligung in den Keller drücken?

Gröhe: Unser Ziel war, nach elf Jahren wieder eine christlich-liberale Koalition zu bilden. Das Ziel haben wir erreicht. Man kann über eine Strategie Schlimmeres sagen, als dass sie Erfolg gehabt hat. Ich teile auch Ihre These nicht, wir seien für die geringe Wahlbeteiligung verantwortlich gewesen. Die SPD ist im Kern nicht an unserer Strategie gescheitert, sondern weil sie nie geklärt hat, wie sie zur großen Koalition steht.

SZ.de: Wie meinen Sie das?

Gröhe: Die SPD hat die große Koalition und auch die Agenda 2010 eher peinlich versteckt. Das ist bis heute kein überzeugendes Politikangebot. Ich rechne übrigens 2013 mit einer harten Auseinandersetzung. Das wird insoweit ein ganz anderer Wahlkampf als 2009. Ich gehe davon aus, dass es ein Unterhaken von Rot und Grün mit harten Angriffen gegen uns geben wird - aber wir werden uns zu wehren wissen.

SZ.de: In der FDP wird seit Jahren von einer Sozialdemokratisierung der CDU gesprochen. Ist das noch ein Koalitionspartner oder schon ein Koalitionsgegner?

Gröhe: Ich kann darüber nur schmunzeln - das sagt schließlich eine Partei, in der mancher immer mal das Ampelmännchen gibt oder sich in der Rechts- und Innenpolitik eher links von der SPD positioniert.

SZ.de: Die CDU lebt im Moment eher von der Schwäche der anderen, als von der eigenen Stärke. Von den einst mehr als 40 Prozent sind Sie weit entfernt. Kommen Sie da jemals wieder hin?

Gröhe: Früher haben die Volksparteien zusammen über 80 Prozent bekommen. Heute verstehen sich immer mehr Menschen als Wechselwähler. Stammwähler zu halten und neue Zustimmung zu gewinnen, wird immer schwieriger. Wir können stolz sein, dass wir diese Herausforderung besser meistern als Andere. Wir müssen aber stets daran arbeiten, klare Identität und ausreichende Integrationskraft zu verbinden...

SZ.de: ...was einst das Markenzeichen der CSU in Bayern war.

Gröhe: Was ein Markenzeichen der Union insgesamt ist. Nur, diesen Platz halten Sie heute nicht, weil es immer so war. Den müssen sie von Wahl zu Wahl neu erringen. Das ist eine gewaltige Herausforderung.

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