Unfalldatenschreiber:Black Box fürs Auto

EU-Verkehrspolitiker erwägen, Unfall-Sensoren für Autos vorzuschreiben. Doch selbst wenn die elektronische Überwachung beschlossen werden sollte, wird es lange dauern, ehe sie ihren Weg in die Fahrzeuge findet. Es müssen noch viele Fragen im Hinblick auf Technik, Kosten und Datenschutz geklärt werden.

Helmut Martin-Jung

Auch solche Unfälle gibt es: Ein Autofahrer in Berlin wurde von einem Polizeifahrzeug im Einsatz gerammt, weil er mit seinem Wagen nicht schnell genug den Weg frei gemacht hatte. Bei dem Zusammenstoß entstand hoher Sachschaden. Der Autofahrer behauptete, bei dem Polizeifahrzeug sei das Martinshorn nicht eingeschaltet gewesen. Vor Gericht aber war die Sache schnell geklärt: Vier Mal war die Sirene auf den letzten 170 Metern vor der Unfallstelle ertönt, zuletzt acht Meter bevor es krachte. Die Information stammt aus einem kleinen Gerät, das in Berliner Polizeiautos eingebaut wird, dem Unfalldatenschreiber (UDS), auch Black Box genannt - in Anlehnung an die Datenschreiber in Flugzeugen. Nun gibt es auf europäischer Ebene Überlegungen, solche Geräte in allen Autos serienmäßig vorzuschreiben.

Unfallforscher Dietmar Otte

"Eine Black Box macht sehr viel Sinn", sagt Dietmar Otte, der Leiter der Unfallforschung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Doch der ADAC hat Bedenken im Hinblick auf Datenschutzfragen.

(Foto: dpa)

Auslöser ist unter anderem eine Initiative des Verkehrsausschusses im Europaparlament, der die Europäische Kommission aufgefordert hat, bis Ende dieses Jahres einen Zeitplan vorzulegen und sich über ein Zulassungsverfahren Gedanken zu machen. So schnell aber wird es wohl nicht gehen. Die Kommission will zunächst eine unabhängige Studie in Auftrag geben, so Helen Kearns, Sprecherin von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. Dann werde man prüfen, ob die Installation von solchen Geräten vor allem für beruflich genutzte Fahrzeuge sinnvoll sei.

Auch eine Arbeitsgruppe des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), die sich diese Woche mit dem Thema UDS befassen wird, steht noch am Anfang, wie Welf Stankowitz sagt, Referatsleiter Fahrzeugtechnik beim DVR. Er erhofft sich von UDS-Geräten Erkenntnisse für die langfristige Unfallforschung. Im Bundesverkehrsministerium gibt man sich zurückhaltend. Bevor daran zu denken sei, die Geräte zur Pflicht zu machen, müssten technische Fragen geklärt werden, sowie Kosten und Datenschutz.

ADAC moniert unsichere Lage im Bezug auf Datenschutz

Beim Datenschutz sieht der ADAC ein Problem: "Die Geräte speichern personenbezogene Daten", sagt der Rechtsexperte des Automobilklubs, Markus Schäpe, "diese können von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt werden - man erhebt damit quasi Beweise gegen sich selbst." Und der ADAC bringt einen noch schwerer wiegenden Einwand vor: "Die UDS-Systeme können die Erwartungen nicht erfüllen", sagt Schäpe. Wenn es um die Rekonstruktion von Unfällen gehe, nützten die Daten aus dem Gerät oft nichts. "Wer wann die Spur gewechselt hat, wer bei Rot über die Ampel gefahren ist, das erfassen die Systeme nicht", sagt der Jurist. Dazu müssten Rundum-Kameras eingebaut werden - aber das steigere noch die Datenschutzprobleme. Die UDS-Sensoren in den Geräten erfassen immerhin Tempo und Position, ob das Licht und der Blinker eingeschaltet waren. Auch merken sie, wenn ein Auto extrem beschleunigt oder wenn es bei einem Aufprall seitlich über die Fahrbahn geschoben wird.

Sinnvoll könnte der Einsatz bei Behörden und in der Wirtschaft sein. Bei der Berliner Polizei etwa wird deutlich weniger schnell gefahren, seit die Beamten wissen, dass die Geschwindigkeit aufgezeichnet wird. Das hat nicht nur die Unfallrate gesenkt, sondern auch den Benzinverbrauch.

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