Diskussion über Klimawandel in den USA:Alle reden vom Wetter, keiner vom Klima

Sturm "Isaac" überschattet den Nominierungsparteitag der Republikaner, trotzdem gilt in weiten Teilen der Grand Old Party: "Erderwärmung? Quatsch!" Der Streit um den Klimawandel ist in den USA längst zu einer Glaubensfrage geworden.

Christian Wernicke, Tampa

Alle reden über das Wetter. Über Hurrikan Isaac, der haarscharf am republikanischen Parteitag vorbeigezogen ist und nun über New Orleans wütet. Oder über die Jahrhundert-Dürre, die im Mittleren Westen die Ernte vernichtet. Wo immer auf den Betongängen des "Tampa Bay Times Forum" ein Fernseher läuft, halten die Delegierten des republikanischen Parteitags inne. Gebannt starren sie auf die grün-roten Wetterkarten, sehen entsetzt, wie am Mississippi die Flut anschwillt. Oder sie blicken nach draußen, durch die riesigen Fenster dieses Glaspalastes, wo Ausläufer des Wirbelsturms den Himmel verdüstern. Hinter einer Zierpalme beten zwei Frauen, dass Isaac die Menschen an der Golfküste verschonen möge. "Amen".

The Mississippi Army National Guard  keeps people off the streets during curfew along Beach Blvd. as Hurricane Isaac passes through Gulfport

Hurrikan Isaac (hier ein Bild aus Mississippi) zwang die Republikaner, ihren Nominierungsparteitag um einen Tag zu verschieben.

(Foto: REUTERS)

Alle reden vom Wetter, nur vom Klima und von dessen Wandel mag niemand sprechen. Der beleibte Delegierte aus Ohio winkt brüsk ab, seine Parteifreundin, die ihre patriotische Gesinnung mit einem rot-weiß-gestreiften Kleid beweist, tippt sich ob der Frage mit dem Zeigefinger an die Stirn: "Erderwärmung? Quatsch! Ich stamme aus Miami, solche Stürme gab's bei uns immer schon." Mark Russo, der freundliche Friedensrichter aus der Kleinstadt Rockwall in Texas, ist zwar ins Grübeln geraten. Aber er baut auf den Schöpfer: "Gott ist klüger als wir Menschen, er würde niemals zulassen, dass wir Menschen sein Werk so verändern."

Mark Russo weiß sehr wohl, dass nahezu alle Klimaforscher weltweit vor zunehmenden Dürren, vor Hitzewellen und Flutkatastrophen als Folge des Klimawandels warnen. Und er weiß es von seinen Reisen nach Europa ("das Hofbräuhaus, wunderbar!"): Die Deutschen sind felsenfest davon überzeugt, dass die globale Erwärmung vom gestiegenen CO2-Ausstoß und also vom Menschen verursacht wird. Doch er schüttelt den Kopf. "Klimawandel gab es auch früher schon, wie sonst willst du die Erwärmung nach der Eiszeit erklären?", sagt er und grinst: "Welches Auto sind Höhlenmenschen denn gefahren?""Ja, auch er sei für Windkraft und Solarenergie. Aber nein, "Climate Change" sei nichts, was ihn um die Zukunft der Erde oder seines 15 Monate alten Sohnes bangen lasse: "Ich glaube nicht daran."

Das genau ist der Streit ums Klima in den Vereinigten Staaten: eine Glaubensfrage. Umfragen zeigen, dass mit der Wirtschaftskrise und wachsenden Job-Angst die Sorge um den Planeten gesunken ist. Seit Mitte 2006 ist der Anteil der Amerikaner, die von der Erderwärmung überzeugt sind, von 79 auf 59 Prozent zurückgegangen. In keinem anderen Land haben Demoskopen einen solchen Trend beobachtet. Getrieben wird dieser Meinungsumschwung von der Konfrontation zwischen den politischen Lagern. Demokraten sind sich mehrheitlich sicher, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wird und dringendes Handeln der Regierung erfordert. Aber nur jeder vierte Republikaner mag das Problem so sehen.

Sozialwissenschaftler warnen, der Streit ums Klima drehe sich nicht mehr um wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern habe sich in den USA zu einer "neuen Dimension des Kulturkampfes" zwischen rechts und links entwickelt - wie der Zank um Abtreibung, Schwulenehe oder Waffenbesitz.

Romney revidiert Meinung zum Klimawandel

Dem zollt auch Mitt Romney Tribut, der Präsidentschaftskandidat. Als Gouverneur von Massachusetts hatte Romney sich um eine pragmatische Umwelt- und Klimapolitik bemüht. Noch vor zwei Jahren schrieb der Republikaner in einem Buch, das in Tampa an jeden Delegierten kostenlos verteilt wurde: "Ich glaube, dass es Klimawandel gibt. Und ich glaube auch, dass menschliches Handeln ein Faktor ist, der dazu beiträgt." Vor knapp einem Jahr jedoch, zu Beginn des Vorwahlkampfs, revidierte Romney sich. Vor einem Kreis wohlhabender Großspender der Partei erklärte er, "dass wir nicht wissen, was den Klimawandel auf diesem Planeten verursacht".

Linke Beobachter deuteten dies als Verbeugung vor der Öl- und Gas-Industrie, die die republikanische Kampagne mit Millionenspenden befeuert. Erst vorige Woche stellte der Kandidat ein Energieprogramm vor, das der Branche eine großzügigere Erschließung von Amerikas Öl- und Gasreserven verspricht. Ebenso will Romney die umstrittene Pipeline zu Kanadas Teersand-Lagern bauen lassen und das in den USA boomende "Fracking" fördern, bei dem mit Wasser und Chemikalien Öl und Gas aus der Erdkruste gepresst werden.

Ziel sei, mit mehr Eigenproduktion und mehr Energie-Importen aus Mexiko und Kanada eine "nordamerikanische Energie-Unabhängigkeit" zu erlangen- und sich so abzukoppeln von Einfuhren aus dem unsicheren Nahen Osten. Klimapolitik kam in diesem Szenario nicht weiter vor. Zwar zählt der Ökonom Greg Mankiw, der seit Jahren für eine CO2-Steuer wirbt, weiterhin zu Romneys Beratern. Aber selbst wenn Romney dessen Ideen aufgreifen würde - die eigene Partei würde sich ihm strikt verweigern.

Diesmal ist Tampa davongekommen. Was der Millionenstadt bei ungebremstem Klimawandel bevorsteht, hat Marshall Shepherd, künftiger Präsident von Amerikas Meteorologen-Gesellschaft, ausgemalt: Der Wasserspiegel in der Bucht werde bis 2070 mindestens um 30 Zentimeter steigen, vielleicht um zwei Meter. Florida werde wegen mehr Hitze, stärkeren Regenfällen, wilderen Hurrikanen bis 2025 rund 300.000 Jobs verlieren. Shepherd appellierte an die Delegierten in Tampa, sie mögen sich "den Beweisen beugen, nicht der Ideologie". Aber darüber redet niemand im Glaspalast.

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