Bilanz des Republikaner-Parteitags:Was von Romneys Getöse übrig bleibt

Der Luftballonregen ist vorbei, Mitt Romney hat seine vielleicht wichtigste Rede im US-Wahlkampf gehalten. Was bleibt? Einfallslose Versprechen der US-Republikaner, die Präsident Obama beißwütig gegenüberstehen, mit Paul Ryan einen gefährlich netten Mann der Zukunft aufbieten und die Fakten nach Belieben beugen.

Matthias Kolb, Tampa

Zum Schluss gab es bunte Luftballons und viel Applaus für Mitt Romney, der in Tampa, Florida, auch offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner nominiert wurde. Drei Tage dominierten Pomp und Werbe-Getöse den Parteitag der Grand Old Party. Dahinter verbergen sich vier Lehren für den weiteren Wahlkampf.

Wem Romney und Obama vertrauen

Patzer vermieden: Mitt Romney bleibt sich treu

Mitt Romney hat in seiner "Rede der Reden" nichts riskiert. Sein Auftritt zum Ende des Parteitags in Tampa war solide, aber nicht mehr. Die Millionen Amerikaner, die sich erst jetzt mit dem Wahlkampf beschäftigen und die durch das große Parteitags-Getöse überzeugt werden sollen, kennen nun die Biographie des Republikaners. Aber nur wenige werden behaupten, den Menschen Mitt Romney näher kennengelernt zu haben. Gewiss: Man nimmt ihm den liebevollen Gatten und Vater ab, wenn er über seine Familie spricht. Doch wirkliches Pathos kommt - anders als bei Ehefrau Ann - nicht rüber.

Und wer darauf hoffte, in den 45 Minuten seines Auftritts zu erfahren, welche politische Vision dem Republikaner vorschwebt, wie er die US-Gesellschaft verändern will oder wie seine Außenpolitik aussehen könnte, der wurde enttäuscht. Das Versprechen, Amerikas alte Stärke herzustellen, wirkt routiniert bis einfallslos und folgt dem alten Ritual, alle Probleme dem politischen Gegner in die Schuhe zu schieben.

Die Ankündigung, in der ersten Amtszeit zwölf Millionen Jobs zu schaffen, passt auf den ersten Blick zum bisherigen Wahlkampf, in dem Romney seine Wirtschaftskompetenz als Trumpf auszuspielen versucht. Allerdings ist sein Fünf-Stufen-Plan (Energieautonomie bis 2020 - bessere Bildung - mehr Freihandel - weniger Schulden - weniger Regulierung für Unternehmen) für einen Fachmann erschreckend dürftig.

Gelungen ist den Strategen der Grand Old Party jedoch das Werben um die enttäuschten Obama-Anhänger. Der Republikaner vermied persönliche Angriffe auf den Demokraten, sondern kritisierte dessen Bilanz. Die Sätze "Obama hat versprochen, das Ansteigen der Ozeane zu verlangsamen und den Planeten zu heilen. Ich verspreche, Euch und Euren Familien zu helfen" wurden in der Halle begeistert beklatscht. In einer Zeit, in der die Arbeitslosenquote bei mehr als acht Prozent liegt, werden sie auch ihre Wirkung im Riesenland Amerika nicht verfehlen. Wenn es das Romney-Lager schafft, frühere Obama-Wähler zur Enthaltung zu zwingen, könnte dies der Schlüssel zum Wahlsieg sein.

It's the ideology, stupid: Volle Kraft voraus in den Lagerwahlkampf

2008 gewann Obama mit dem Versprechen, als überparteilicher Präsident die Kluft zwischen den Parteien in Washington zu überbrücken. Dieser Wandel ist ausgeblieben - wegen der Selbstüberschätzung des Präsidenten, aber vor allem wegen der totalen Blockade-Haltung der Republikaner. Die gesellschaftliche Spaltung verstärkt sich täglich und die Überzeugung des Tea-Party-Ultras Richard Mourdock, wonach ein Kompromiss darin bestehe, "dass die Demokraten unsere Meinung übernehmen", war in Tampa ständig zu spüren.

Dass Ideologie wichtiger ist als Argumente, zeigt das Parteiprogramm. Nicht nur in ihrer Verehrung für Ronald Reagan blicken die Republikaner nostalgisch in die Vergangenheit zurück. Abtreibung soll ohne Ausnahme verboten werden, die Homo-Ehe wird strikt abgelehnt, das Recht auf Waffenbesitz gepriesen und der Einfluss des Staats kritisiert (mehr bei der Washington Post). Alle vier Jahre rückt die Grand Old Party weiter nach rechts und erschwert überparteiliche Lösungen.

"Spürt den Hass während des Wahlkampfs"

Dass das politische System der USA auf Kompromisse ausgelegt ist, würde niemand vermuten, der ohne Kenntnis der Verfassung den Rednern der convention in Tampa zugehört hat. Sie reden, als ob sie nach einem Sieg Romneys im November das Land komplett umkrempeln könnten, was unwahrscheinlich ist.

Clint Eastwood, leerer Stuhl

Clint Eastwood, leerer Stuhl Clint Eastwood, leerer Stuhl, Eastwooding

Hinzu kommen die ritualisierten Attacken auf Barack Obama, der bei der Basis und vielen republikanischen Politikern verhasst ist. Dem Demokraten wird abwechselnd völlige Unfähigkeit und kurz darauf ein diabolischer Plan einer sozialistischen Revolution unterstellt. Dass gerade ein Anti-Obama-Film die Kinos füllt, passt ins Bild. Gewiss: Der 44. Präsident und seine Berater haben sich von hope und change verabschiedet - die Fortsetzung der Schlammschlacht folgt in Charlotte bei Obamas Nominierungsparteitag.

Wie unversöhnlich sich die Lager gegenüberstehen und wie vergiftet das politische Klima in den USA ist, illustriert ein Text, der an diesem Sonntag im Magazin der New York Times unter dem Titel "Spürt den Hass während des Wahlkampfs" erscheint. Darin beschreibt Mark Leibovich treffend, weshalb es unmöglich erscheint, dass sich die Ehepaare Romney und Obama zu einem Gespräch treffen - es würde sofort politisiert und ihnen als Schwäche ausgelegt werden.

Der gefährlich nette Mister Ryan: Die Zukunft der Partei

Seine Parteitagsrede war zwar etwas fahrig, doch seine Kernbotschaft hat der Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan kraftvoll rübergebracht: Je weniger der Staat ausgibt, umso besser wird es Amerika gehen. Auch wenn Senator Marco Rubio aus Florida bei der Vorstellung von Mitt Romney die bessere Rede gehalten hat, ist der 42-Jährige aus Wisconsin der neue Star.

Die Einschätzung, der Mann mit dem Schwiegersohn-Grinsen sei "gefährlicher als Sarah Palin", trifft zu: Im Gegensatz zur Ex-Gouverneurin aus Alaska kennt Ryan den Washingtoner Politbetrieb und die Feinheiten des Gesetzgebungsprozesses wie nur wenige andere. Er hat so viele Möglichkeiten, seine von Vordenkern wie Ayn Rand oder Friedrich von Hayek inspirierten Ideen umzusetzen. Sollte Mitt Romney im Januar 2013 ins Weiße Haus einziehen, kann er sich sofort ans Werk machen - und auch in einer zweiten Obama-Amtszeit wäre sein Einfluss im Repräsentantenhaus weiter enorm, da die Grand Old Party ihre Mehrheit wohl behalten wird.

Egal ob Romney siegt oder verliert - der 65-Jährige ist für die Republikaner nur ein "Platzhalter" (so die Charakterisierung von Politico) für die nächste Generation der jungen Wilden, die in Tampa ins Rampenlicht drängte. Egal ob Ryan, Rubio, South Carolinas Gouverneurin Nikki Haley oder Chris Christie aus New Jersey, dessen keynote speech von seinem großen Ego überschattet wurde - sie alle sind zutiefst davon überzeugt, dass die Staatsausgaben so gering wie möglich gehalten werden müssen und der Markt so viel wie möglich regeln soll. Indem Romney den Chef-Ideologen dieser Bewegung zu seinem running mate gekürt hat, scheint die Ausrichtung der Republikaner auf Jahre hinweg zementiert.

Fakten sind formbar: Vom Umgang mit der Wahrheit

Die Rede von Paul Ryan war typisch für den Wahlkampf 2012: Romneys Vize ging äußerst selektiv mit der Wahrheit um und hielt sich nur kurz mit Details auf (The Atlantic hat alle im Web kursierenden Korrekturen gesammelt). Sogar Sally Kohn, Kolumnistin beim konservativen Leib-und-Magen-Sender Fox News, schimpfte über die "zum Himmel schreienden Lügen".

Beobachter wie James Fallows oder EJ Dionne sprechen bereits von post-truth politics, die in Amerika dominierten. Für diese "Politik jenseits der Fakten" seien auch die Medien verantwortlich, die allzu oft nur die Aussagen beider Lager gegenüberstellten (he said, she said) und offensichtliche Unwahrheiten nur selten als solche auswiesen.

Eines hat der bisherige Wahlkampf jedoch gezeigt: Wenn es darum geht, Statistiken an die eigene Argumentation anzupassen und Sätze aus dem Zusammenhang zu reißen, agieren beide Parteien auf ähnlich hohem Niveau. Die strengen Kontrolleure von Factcheck.org, Politifact und FactChecker werden kommende Woche beim Demokraten-Parteitag in Charlotte ähnlich viel zu tun haben wie gerade bei den Republikanern in Tampa.

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