Tipps für die Städtereise:Nürnberg kann Currywurst

Klar, die berühmten Nürnberger Würstchen schmecken. Aber die Stadt, in der das Mittelalter eine ziemlich aufregende Sache gewesen sein muss, hat mehr zu bieten: Warum der Sonnenaufgang vom Parkhaus aus betrachtet werden sollte, Beziehungen in die DDR sich noch heute auszahlen - und welche Witze sich Besucher tunlichst verkneifen sollten.

SZ-Korrespondent Olaf Przybilla

Städtereisende wollen vieles erleben, am besten aber Orte entdecken, die nicht in jedem Reiseführer oder jeder App zu finden sind. Wer könnte besser durch die Stadt führen als jemand, der dort wohnt oder zumindest eine ganze Weile gelebt hat? Süddeutsche.de hat Korrespondenten in deutschen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Olaf Przybilla sagt Ihnen, welcher Platz in Nürnberg besonders sehenswert ist, warum auch Franken Currywurst können - und warum man den Sonnenaufgang am besten vom Parkhaus aus beobachtet.

Nürnberg Städtetipps

Wer in Nürnberg wohnt, braucht keinen Fernsehturm, um über die Stadt zu schauen - er hat ja die Burg. Das Bild zeigt die Kaiserburg am Abend. Den Sonnenaufgang dagegen sollte man vom Parkhaus in der Aderstraße 4 genießen, sagt Olaf Przybilla.

(Foto: dpa)

Was macht Nürnberg als Stadt aus?

Möglicherweise der Charme des Vergangenen. Mittelalter muss in Nürnberg eine ziemlich aufregende Sache gewesen sein, und wohl nicht nur, wenn man zufällig Dürer hieß. Ein paar Jahrhunderte später durfte man dann sogar im Zug nach Fürth fahren, das muss noch aufregender gewesen sein. Nicht unbedingt wegen Fürth. Eher wegen der Zugfahrt, der ersten in Deutschland. Auch ziemlich retro inzwischen: Grundig, AEG, Quelle und, äh, der Club. Zumindest ein bisschen. Für Historiker ist Nürnberg sozusagen ein Glücksfall, und weil Historiker oft kluge Leute sind, dürfte sich die Stadt das gerne ganz groß ans Revers heften. Würde sie allerdings nie tun. Das entspricht nicht so dem Naturell der Einheimischen.

Diese Sehenswürdigkeit dürfen Sie nicht verpassen:

Die Burg. Das Nationalmuseum. Und unbedingt diese Bauwerke, die darauf hindeuten, dass die Stadt auch für Historiker mit dem Forschungsschwerpunkt "Nationalsozialismus" ein ziemlich ergiebiges Feld ist. Also: Ehemaliges Reichsparteitagsgelände. Und Memorium Nürnberger Prozesse, der Saal 600.

Was ist noch sehenswerter - doch nur wenige Urlauber wissen davon?

Fürth. Sagen zumindest die Fürther.

Dieses Viertel sollte man unbedingt besuchen:

Das hinter der Burg, rund um den Kaulbachplatz. Vorher aber unbedingt Taschentücher besorgen: So könnte Nürnberg zum Teil noch aussehen, wenn Hitler nicht gewesen wäre. Rund um den Kaulbachplatz fielen im Krieg kaum Bomben, deshalb stehen dort noch Jugendstilhäuser. Nicht diese gräulichen 50er-Jahre-Notbehelfe, die das Stadtbild sonst eher dominieren.

Den schönsten Blick über Nürnberg hat man...

... von der Burg aus. Wer etwas anderes behauptet, war vermutlich nie in Nürnberg. Oder arbeitet bei der Nürnberger Versicherung. Dort haben sie zwar ein ganz passables Hochhaus mit zugegebenermaßen passablem Rundblick, im Zeichen der Burg. Was aber ist ein Hochhaus gegen ein Stadtkastell?

Das können Sie sich in Nürnberg sparen:

Nahezu sämtliche Plätze, die nicht auf den Namen Kaulbachplatz hören. Nürnberger können womöglich viel, Plätze gehören definitiv nicht dazu. Unbedingt nicht ansehen: Den Friedrich-Ebert-Platz, fünf Minuten und eine U-Bahn-Station vom Kaulbachplatz entfernt. Der Platz ist gerade neu gemacht worden und seither von einer so niederziehenden Erbärmlichkeit, dass man beinahe schon Rührung empfinden möchte für so viel "Einen Versuch war's wert". Plätze können sie halt einfach nicht, die Nürnberger.

Transport, Essen und Trinken

Hier finden Sie Olaf Przybillas Empfehlungen für Essen und Trinken, für den kleinen Hunger zwischendurch und für Ihren Weg durch die Stadt.

75 JAHRE VERSANDHAUS QUELLE

In der Fürther Straße residierte der Versandhändler Quelle (Archivfoto vom Mai 2002) - zumindest, bis die Firma zugrunde ging. Doch Currywurst gibt es hier noch immer. Und die schmeckt sogar richtig gut.

(Foto: dpa)

So kommen Sie durch die Stadt:

Mit der U3, die ohne Fahrer auskommt. Vom Hauptbahnhof einfach die U-Bahn nehmen und dann gerne aussteigen am schönen Kaulbachplatz gleich hinter der Burg. Übrigens: Selbst wer nicht U-Bahn fahren will, weil er sich nur die Altstadt anschauen mag, sollte trotzdem einmal mit diesem Ding durch den Tunnel fahren. Zumindest mit Kindern: Diese einfach ganz vorne an die Scheibe stellen, dahin also, wo man üblicherweise einen Fahrer erwarten würde. Ein Spaß.

Damit sollten Sie unbedingt fahren:

Mit der Buslinie 36. Nürnberger sagen: Die ist fei so wie die Touristen-Linie 100 in Berlin. Möglicherweise ist das unwesentlich übertrieben. Diese Linie 36 aber verbindet immerhin das Doku-Zentrum mit dem Rathaus, anschließend hat man schon mal einen Eindruck. Übrigens auch davon, dass der Krieg wirklich verdammt gewütet hat in dieser Stadt.

Wenn Sie hungrig sind, probieren Sie unbedingt:

Kleine Würstchen.

Das schönste Café:

Das Cafe Wohlleben. Ein Beweis dafür, dass es das Schlechteste nicht ist, wenn eine Stadt schon zu DDR-Zeiten gute Beziehungen in den deutschen Osten gepflegt hat. Im Wohlleben backen ziemlich coole Ostjungs einen Kuchen, der definitiv verboten gehört. Löbleinstraße 60. Neuerdings ebenfalls zu empfehlen: Die Schaffensschwestern, die ungefähr so sind, wie sie heißen. Und wie übrigens auch ihr Cafe heißt. Hallerstraße 31.

Das beste Restaurant:

Die wunderbare Trattoria Germania: schnörkelfrei, unprätentiös, handwerklich tadellos. Auf besonderen Gästewunsch imitiert das Personal auch gerne mal fränkische Übellaunigkeit - ganz großes italienisches Theater. Insgesamt Nürnberg von seiner entspanntesten Seite, nichts für Schnösel. Oder mit Müntefering zu sprechen: Essen gut, Wirtsleute gut, Gäste gut. Pirckheimerstraße 39. Es geht übrigens auch deutlich ambitionierter in Nürnberg, wer's braucht. Steht aber in jedem Reiseführer.

Der Imbiss für unterwegs:

Die Currywurst im Salon Regina, Fürther Straße 64. Wenn man nach drei Tagen Nürnberg dann doch mal genug hat von den vielen kleinen Würstchen. Currywurst passt angeblich nicht nach Franken? Wer je in der Fürther Straße in Nürnberg stand, in der Straße also, in der einst Triumph Adler, dann AEG und inzwischen auch Quelle zugrunde gegangen ist - der wird das Ruhrgebiet für einen schicken Feine-Leute-Flecken mit Tendenz zur Vollbeschäftigung halten. Currywurst passt also definitiv zu Nürnberg.

Nachtleben und Kniggefragen

U-Bahn, Nürnberg

Bahn ohne Fahrer: die U3.

(Foto: dpa/picture-alliance)

Wo der Abend im Nachtleben von Nürnberg beginnt, wie es weitergeht und wo Sie den Sonnenaufgang am Schönsten erleben.

Typisch für das Nachtleben in dieser Stadt ist ...

Dass man überall reinkommt, dies aber nicht notwendigerweise auch wollen muss.

Hier beginnt der Abend:

Cafe Schnepperschütz. Ein ehemaliges Klohäuschen mit Selbstbedienung, an der Pegnitz gelegen und mit Wiese davor. Momentan aber fast schon München-mäßig überrannt. Also Decke mitbringen, für die Wiese davor. Hallertor 3. Beginnen kann man gerne auch irgendwo in Goho, im bunten Stadtteil Gostenhof, von Scherzkeksen auch Gostanbul genannt. Wer in diesem Stadtteil während der EM ausschließlich für die Herren Müller und Hummels brüllt, ist dort zumindest nicht besonders in der Überzahl. Özil- und Khedira-Anhänger schon eher. Wo genau anfangen? Womöglich in der Schankwirtschaft Schanzenbräu oder eben im Salon Regina, wo sie übrigens Biokaltgetränke zur Currywurst reichen. Am Kaulbachplatz, der übrigens wirklich richtig schön ist, kann man den Abend natürlich auch starten. Und zwar bei Petros Zervas im Il Gelato, einer Bar, die sich als Eisdiele tarnt - einfach großartig.

Dann ziehen Sie weiter ins:

Vermutlich ins bepflasterte Innenstadt-Quartier, das muss schon auch mal sein. Dort gibt es den Bäckerhof und da stehen ein paar Salonsofas in einem ehemaligen Ballsaal der Bäckerinnung. Alkoholisches wird gereicht. Hat was. Schlehengasse 2.

Hier wollen alle rein:

Nach der Arbeit sofort in den Biergarten im polnisch ausgerichteten Krakauer Haus, oben auf der Stadtmauer gelegen.

Dabei ist es hier viel besser:

Besser geht es leider kaum in der Kategorie innerstädtischer Biergarten.

Dies ist der beste Platz für den Sonnenaufgang:

Das Parkhaus in der Aderstraße 4. Eines der furchtbarsten Nachkriegsgebäude dieser Altstadt, das allerdings den großen Vorteil hat, dass man es nicht sehen muss, wenn man gerade draufsteht. In den siebten Stock fahren und einfach geradeaus schauen: Hauptmarkt, Frauenkirche, Rathaus, Sebalduskirche, Kaiserburg. Hui. Die Frauenkirche ist übrigens die mit dem Christkind auf dem Balkon. Steht zu Sonnenaufgang allerdings selten da oben.

Mit diesem Satz kommen Sie hier gut an:

In den 1920er Jahren, da seid ihr doch noch jedes Mal Meister geworden, oder?

Darüber spricht man in Nürnberg:

In den 1920er Jahren, da sind wir fei noch jedes Mal Meister worn, gell!

Vorsicht, Fettnäpfchen!

Es heißt ehemaliges Reichsparteitagsgelände, ehemaliges! Und die U3 heißt in Nürnberg nachdrücklich: fahrerlos. Und nicht: führerlos.

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