Luftverschmutzung:Wie das Wetter den Feinstaub in Deutschland verteilt

Die Belastung der Luft mit Feinstaub schwankt täglich, nicht nur in Großstädten werden die Grenzwerte immer wieder überschritten. Auch ländliche Gebiete werden mitunter von den feinen Partikeln aus Abgasen, Heizungen und der Landwirtschaft verpestet. Das liegt vor allem am Wetter.

Hanna Metzen

Eine der staubigsten Ecken Deutschlands ist die Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln. Es ist allerdings kein gewöhnlicher Staub, der dort in der Luft liegt sondern Feinstaub: winzig kleine Partikel, die einen Durchmesser von weniger als einem Hundertstel Millimeter haben.

Bis Mitte April lag die Feinstaubkonzentration an der Silbersteinstraße in Berlin schon an 33 Tagen über dem von der Europäischen Union erlaubten Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Nach nicht einmal vier Monaten ist die Zahl der zulässigen Überschreitungstage von 35 beinahe erreicht. Berlin-Neukölln ist damit der deutsche Spitzenreiter im Überschreiten der Feinstaubgrenze. Überraschend ist das nicht wirklich - für einen Luftkurort hält sicher niemand die Stadt.

Andererseits gibt es da die Kleinstadt Mühlhausen in Thüringen. Die nächsten Großstädte Erfurt (55 Kilometer), Göttingen (60 Kilometer) und Kassel (85 Kilometer) sind weit entfernt, für eine extrem hohe Zahl an rauchenden Fabrikschloten ist die Stadt auch nicht bekannt. Trotzdem wurde in Mühlhausen der zulässige Feinstaub-Höchstwert in diesem Jahr auch schon an 24Tagen überschritten.

Über das Jahr gesehen gibt es in städtischen und verkehrsnahen Regionen deutlich mehr Feinstaub als in ländlichen Regionen, wie eine Untersuchung des Umweltbundesamts (UBA) zur Luftqualität 2011 zeigt. Auch die Spitzenkonzentrationen sind dort höher und der EU-Grenzwert wird häufiger überschritten. Die Ursachen für die Belastung sind schließlich vor allem Industrie, Verkehr, Haushalte und auch die Landwirtschaft.

Doch die jeweiligen Tageswerte schwanken zum Teil erheblich und so kommt es zu deutlichen regionalen Unterschieden.Dahinter steckt das Wetter: Je nach Wind und Temperatur bleiben die Staubteilchen in der Umgebung, in der sie freigesetzt werden, oder gelangen an andere Orte. Deshalb kann es vorkommen, dass die Luft an einem Ort wie Mühlhausen staubiger ist als in Berlin.

Ein wichtiger Faktor ist dabei die Strömungsrichtung der Luft. Eine Studie im Auftrag des Berliner Senats hat gezeigt, dass nur etwa ein Drittel des Hauptstadt-Feinstaubs aus Berlin selbst stammt. Die restlichen zwei Drittel bläst der Wind aus entfernteren Regionen herbei. In Berlin weht es oft aus östlicher und südöstlicher Richtung, deswegen sorgen Rußpartikel aus polnischen und tschechischen Kohlekraftwerken für erhöhte Feinstaubmesswerte.

An manchen Tagen haben die Staubpartikel eine noch weitere Reise hinter sich. Durchschnittlich neunmal im Jahr weht Wüstensand aus der Sahara nach Deutschland, hinterlässt einen rotbraunen Film auf Autodächern und verfärbt den Himmel. Und dann ist selbst in Luftkurorten nicht mehr gewährleistet, dass die Feinstaubgrenzwerte eingehalten werden.

Und auch als der isländische Vulkan Eyjafjallajökull im Jahr 2010 für ein Verkehrschaos im europäischen Luftraum sorgte, ließ die Vulkanasche die Feinstaubkonzentration nach oben schnellen. Eine Untersuchung der baden-württembergischen Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz ergab, dass die Aschepartikel auch vier Wochen nach dem Ausbruch noch für Überschreitungen der Feinstaubgrenze verantwortlich waren.

Gleichzeitig sorgt das Wetter immer wieder dafür, dass der Feinstaub nicht aus der Stadt hinausgelangt. Vor allem im Winter kann es zu sogenannten "austauscharmen Inversionswetterlagen" kommen. Normalerweise ist die Luft am Boden warm und wird nach oben hin immer kälter. Bei einer Inversionswetterlage ist das Verhältnis umgekehrt. Weil die kalte Luftschicht am Boden aber schwerer ist als die warme über ihr, durchmischen sich die beiden Schichten nicht. Wie eine riesige Käseglocke sperrt die obere Luftschicht dann Feinstaub und andere Schadstoffe ein. Erst mit Wind und Regen wird die staubige Luft wieder durcheinandergewirbelt.

Zwar kann das Wetter auch die Emissionen selbst beeinflussen, aber nur indirekt: In Kälteperioden entsteht durch verstärktes Heizen mehr Feinstaub. "Das Wetter ist nicht die Ursache des Feinstaubs. Ohne Emission gäbe es auch keine Belastung", betont Arno Graff vom Umweltbundesamt. "Die meteorologischen Bedingungen modulieren nur die Feinstaubkonzentrationen."

Das Umweltbundesamt hält es deshalb für wichtig, an gesetzlichen Regelungen wie den Umweltzonen für Autos festzuhalten. "Das Wetter können wir nicht ändern. Sinnvolle Maßnahmen richten sich gegen die Feinstaubbelastung, die von Menschen verursacht wurde", sagt Graff. Das Ziel sei es, eine so gute Luftqualität zu erreichen, dass der Feinstaub-Grenzwert selbst bei ungünstigen Wetterlagen nicht überschritten würde.

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