Altersvorsorge:Wie die Rente gerettet werden kann

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Die Riester-Rente hat vielversprechend begonnen, doch viele Verträge sind nur für die Versicherer lohnend. Gegen die Geburtsfehler des Systems hilft es nicht, wenn die Regierung nun eingreift. Wirksam wäre nur eine große Reform - oder eine Wende zurück.

Thomas Öchsner, Berlin

Jedes Vierteljahr verbreitet das Bundesarbeitsministerium eine Jubelmeldung. Dann lässt die Chefin Ursula von der Leyen verkünden, wie viele Menschen in Deutschland einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben, um fürs Alter zusätzlich vorzusorgen. 15,6 Millionen sind es mittlerweile. Die schöne Zahl ist allerdings trügerisch. Trotz milliardenschwerer Subventionen funktioniert weder die private noch die betriebliche Altersvorsorge so, wie sie es sollte.

Am Anfang war eine gute Idee. Vor gut zehn Jahren wollte der damalige Arbeitsminister Walter Riester die Rentenversicherung durch die staatlich geförderte Zusatzvorsorge ergänzen. Das sollte Einkommensverluste aufgrund des sinkenden Rentenniveaus ausgleichen. Diese Rechnung geht jedoch in den meisten Fällen nicht auf. Das sollte die Bundesregierung endlich eingestehen. Sie müsste dafür nur ihre eigenen Zahlen ernst nehmen.

Das erste Problem sind die Geringverdiener - also gerade diejenigen, die unbedingt vorsorgen müssten, um nach jahrzehntelanger Arbeit nicht im Rentenalter zum Sozialamt zu müssen. Fast die Hälfte von ihnen sorgt aber gar nicht vor, obwohl dies schon mit fünf Euro Eigenbeitrag im Monat möglich ist. Bei der betrieblichen Vorsorge sieht es nicht besser aus: Das 2002 eingeführte Modell, einen Teil des Gehalts steuersparend für eine spätere Betriebsrente anzulegen, nutzen maximal 15 Prozent der Arbeitnehmer. Vor allem in Kleinbetrieben ist das die Ausnahme.

Problem Nummer zwei sind die komplizierten Grundregeln der Riester-Rente, die viele Bürger überfordern. Wirklich lohnend ist sie nur, wenn der Nutzer die staatlichen Zulagen und Steuervorteile voll ausschöpft. Tatsächlich kassieren ungefähr zwei von drei Sparern keine oder nicht die vollen Zulagen, weil sie nicht genügend Eigenbeiträge überwiesen oder die staatlichen Zuschüsse gar nicht beantragt haben. Hinzu kommt: Fast jeder fünfte Vertrag ruht, weil nichts mehr eingezahlt wird.

Das dritte Problem sind die Verträge selbst. Bei vielen Anbietern fallen die Kosten unverschämt hoch und die Renditen entsprechend mickrig aus. Sie sind ein Goldesel für die Versicherer - und für Kunden und Staat ein Milliardengrab. Es ist gut, wenn die Regierung jetzt vorschreibt, die Gebühren so auszuweisen, dass Verbraucher die Produkte besser vergleichen können. Der viel zu späte Eingriff ändert aber nichts am Geburtsfehler des Systems.

Jede Regierung hätte von Anfang an verlangen müssen, dass Arbeitnehmer einen Teil ihres Gehalts steuerfrei in Beiträge für eine Zusatzvorsorge umwandeln müssen, sofern sie nicht ausdrücklich darauf verzichten. Das funktioniert: In den USA sorgen 83 Prozent der jungen Beschäftigten zusätzlich vor. Der Staat könnte auch selbst günstige Angebote bereitstellen. Norwegen oder Schweden machen dies mit Pensionsfonds vor, die erfolgreich das Geld der Arbeitnehmer anlegen; für einen Bruchteil der Kosten wie in Deutschland. Außerdem muss es bessere Anreize geben. Langjährige Geringverdiener sollten ihr angespartes Zusatzpolster fürs Alter behalten dürfen, auch wenn sie Geld vom Sozialamt erhalten. Da hat von der Leyen recht.

Verzichtet die Regierung auf so eine große Reform, wäre die Wende zurück die bessere Lösung. Statt ein System mit vielen schlechten Produkten zu alimentieren, steckt der Staat die Milliarden wieder in die Rentenversicherung. Das Rentenniveau wird nicht so stark gesenkt. Die Beiträge, die jetzt die Beschäftigten allein für die geförderte Vorsorge zahlen, wandern wieder in die Rentenkasse, und die Arbeitgeber beteiligen sich daran zur Hälfte. Doch dazu wird es nicht kommen. Dem Proteststurm der Wirtschaft, für die höhere Lohnnebenkosten Teufelszeug sind, könnten die Politiker nicht standhalten.

© SZ vom 20.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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