Reihe im Filmmuseum:"Man kann den Holocaust nicht verstehen"

Was wenn der Opa ein NS-Funktionär war? Wenn Ausschwitz-Überlebende nicht von den Gräueln erzählen können? Mit diesen Fragen beschäftigen sich fünf Dokumentarfilme, die das Münchner Filmmuseum zeigt.

Julia Weber

"Das wirst du nie verstehen!" so lautet der Titel der Filmreihe, die am Sonntag im Münchner Filmmuseum startet. Gezeigt werden fünf Dokumentarfilme über den Holocaust, immer sonntags, 17.30 Uhr, am 23. September, 28. Oktober, 25. November, 20. Januar und 10. Februar. Alle Filme beschäftigen sich mit der Aufarbeitung des Holocaust in Täter- und Opferfamilien. Waltraud Burger, 49, hat die Reihe initiiert. Sie ist seit Frühjahr 2010 Leiterin der Pädagogischen Abteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Süddeutsche.de: "Das wirst du nie verstehen!" - das ist ja ein ziemlich provokanter Titel. Warum soll ich mir so etwas anschauen?

Waltraud Burger: Ich glaube, man kann den Holocaust nicht verstehen. Niemand kann nachfühlen, was die Opfer erlitten haben. Wir wollen, dass die Zuschauer Empathie entwickeln. Im besten Fall führt die Filmreihe zu einer bewussteren moralische Urteilsfähigkeit. Wir wollen den Zuschauer nicht überfordern. Darum geht es auch den Überlebenden nicht. Aber sie wollen ihr Wissen darüber, was passiert ist, weitergeben.

Haben Sie nicht ein bisschen Angst, dass der Titel eher abschreckt, als das er einlädt?

Ich hoffe, dass er eher neugierig macht, genauer hinzuschauen.

An wen richtet sich diese Reihe?

An jeden. Ich glaube nicht, dass man sich mit der Erinnerungsarbeit nur an junge Leute wenden darf.

Warum ist es so wichtig, dass man sich auch 70 Jahre danach, den Holocaust immer wieder in die Erinnerung ruft?

Wir wollen den Zeitzeugen die Möglichkeit geben, ihre Erlebnisse aus ihrer persönlichen Sicht zu schildern. Und wir wollen die Überlebenden dem Vergessen entreißen. Das ist ja auch unser Untertitel: "Das Erinnern weitertragen".

Worum geht es in dem ersten Film "Was bleibt", der am Sonntag gezeigt wird?

In dem Film von Gesa Knolle und Birthe Templin kommen Frauen zu Wort, deren Geschichten miteinander verwoben sind. Da ist einmal die Anna de Vries, die als Jugendliche mit ihrer Mutter nach Ausschwitz deportiert wurde. Auf der andern Seite kommt eine deutsche Frau zu Wort, die erfahren hat, dass ihre Tochter KZ-Aufseherin war. Also im Prinzip geht es um eine doppelte Erinnerung.

Welche Filme werden noch gezeigt?

Weiter geht es am 28. Oktober mit dem Film "2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß". Darin setzt sich Malte Ludin mit seinem Vater Hanns Ludin auseinander. Es geht um eine Täterbiografie. Am 25. November zeigen wir den Film von Anja Salomonowitz "Das wirst du nie verstehen" . Es geht um drei Frauen und darum, wie sich ihre Familien mit der Erinnerung an den Holocaust auseinandersetzen. Im Januar geht es dann weiter mit "Gerdas Schweigen" von Knut Elstermann. Er erzählt die Geschichte seiner Tante Gerda. Sie war in Ausschwitz und hat dort ihr Kind verloren. Bei "Winterkinder", den wir am 10. Februar zeigen, geht es um die Geschichte des Großvaters, der NS-Funktionär war - und was seine Familie über ihn denkt.

Ist Film eine besonders geeignete Möglichkeit sich dem Holocaust zu nähern?

Bald werden alle Zeitzeugen gestorben sein. Dann kann niemand mehr ihre Erinnerung zurückholen. Ein Film macht eine Person erfahrbarer, bringt sie dem Zuschauer näher. So gesehen ist es für viele Überlebende ein sehr attraktiv Medium. Es macht die Erinnerungen der Überlebenden dauerhafter.

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