Falco: Der Ex-Manager spricht:Die Stimme aus dem Off

Ja doch, Falco lebt - in Büchern, Erinnerungen und einer neuen CD. Ein Gespräch mit seinem Ex-Manager Bork über die Fortsetzung von "Jeanny" - und moderne Leichenfledderei.

Christian Mayer

Falco gehört zu den achtziger Jahren wie Madame de Pompadour ins Zeitalter des Rokoko. Der gebürtige Wiener, der seinen Namen Hans Hölzel ein wenig zu unglamourös fand, hatte mit Songs wie "Der Kommissar", "Rock Me Amadeus" oder "Jeanny" weltweit Erfolg. Nach einem exzessiven Leben mit extremen Karrierephasen starb der Sänger 1998 bei einem Verkehrsunfall in der Dominikanischen Republik und wurde zum Mythos. Nun kehrt er zurück: Sein langjähriger Manager und Vertrauter Horst Bork hat seine Erinnerungen in einem Buch festgehalten ("Falco: Die Wahrheit", Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag), und am 4. Dezember veröffentlicht das Plattenlabel Warner eine CD mit bisher unveröffentlichten Liedern ("The Spirit Never Dies").

Falco

Frauen liebten seinen Punk: Falco in seiner Lieblingspose.

(Foto: Foto: Verlag/oh)

SZ: Herr Bork, wie erklären Sie sich das Interesse an der Figur Falco elf Jahre nach seinem Tod?

Horst Bork: Man sieht ja an den Plattenverkäufen, dass Falco ein Dauerthema ist. Es beschäftigt die Leute bis heute - wie er gelebt hat, wie er gestorben ist, was er hinterlassen hat. Von den alten Platten verkaufen sich weltweit immer noch zwischen 200.000 und 300.000 Stück pro Jahr. Ganz ordentlich für einen Künstler, der schon lange tot ist.

SZ: Ihr Buch trägt den Titel "Die Wahrheit". Haben wir uns bisher ein falsches Bild von Falco gemacht?

Bork: Nein, das nicht, aber ich habe als Manager und Vertrauter Hans Hölzel in vielen Situationen erlebt, die für die Leser neu sein dürften. Ich will nur eine Episode aus dem Jahr 1985 herausgreifen: Damals habe ich in intensiver Kleinarbeit ein Treffen mit dem Plattenboss Richard Branson organisiert, der ein großer Falco-Fan war und vom "Kommissar" weg jeden einzelnen Song kannte.

Er wollte ihn unbedingt zu Virgin Records holen, der Vertrag war fertig, alles lief perfekt - sechs Millionen Euro nach heutiger Währung wären drin gewesen. Branson stellte nur eine Bedingung: Er wollte den Künstler persönlich kennenlernen. Der Termin sollte in London stattfinden, zwei Mal ging das schief, weil Falco nicht in der Lage war zu fliegen.

SZ: Sie als sein Beschützer hätten ihn am Schlafittchen packen und in den Flieger setzen können, wo war das Problem?

Bork: Das wollte ich beim dritten Mal auch tun, wir haben eingecheckt in einem Münchner Hotel und uns um elf Uhr abends getrennt, um morgens den Flieger nach London zu nehmen. Ich weck' dich morgen früh, habe ich dem Hans noch gesagt. Alles umsonst, weil er noch in der Nacht ein Mädel kennenlernte und irgendwelche Pillen einwarf. Ich hab' ihn so kurzfristig nicht mehr auf die Beine stellen können. Branson hat dann kein Interesse mehr gehabt.

SZ: Was ist denn auf den bisher unbekannten Falco-Songs aus dem Jahr 1985 zu hören, die nun als CD herauskommen?

Bork: Falco hat versucht, etwas andere Lieder zu machen als bisher. Wir haben uns dafür auch mit Gunther Mende einen Produzenten gesucht, der schon mit Jennifer Rush erfolgreich war. Wir saßen also im Studio von Frank Farian bei Frankfurt, und die Losung war: Falco sollte ein wenig anders klingen. Er sollte sich Richtung Pop öffnen, mehr singen als rappen. Nach neun Monaten hatten wir zwölf Titel, die wir den Leuten von der Plattenfirma Teldec vorgelegt haben.

SZ: Wie war die Reaktion?

Bork: Großes Entsetzen! Das war nicht mehr der Falco, den sie gewohnt waren. Der Kompromiss war dann, dass vier Songs aus dieser Session herausgenommen und mit anderen Nummern vermischt wurden - diese hybride Platte kam unter dem Titel "Wiener Blut" heraus. Die Originale mit vergessenen Songs wie "Kissing the Kremlin" und dem dritten Teil der "Jeanny"-Trilogie hat man bisher noch nie gehört.

Im Video:Falco - der musikalische Exportschlager aus Österreich. Mit seinem Lied "Rock me Amadeus" wurde er weltberühmt. In der öffentlichen Wahrnehmung galt Falco, der bürgerlich Johann Hölzel hieß, als extrovertierter Künstler. Sein langjähriger Manager Horst Bork hat ein Buch über Falco geschrieben.

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"Das ist kein Produzentengag"

SZ: Wo kommen die alten Bänder mit den Falco-Relikten denn her?

Bork: In dem Kellerarchiv des Tonstudios in Frankfurt, in dem er damals arbeitete, gab es kürzlich einen Wasserschaden. Die neuen Besitzer wollten wissen, wo sie das alte Material hinschicken sollten - also landeten die Songs wieder bei seinem früheren Produzenten Gunther Mende. Eine Londoner Spezialfirma hat die analogen Bänder mit Falcos Stimme auf ein digitales Medium überspielt.

SZ: Klingt ein wenig nach Leichenfledderei - und nach Michael Jackson, bei dem die Produzenten ebenfalls Resteverwertung betreiben.

Bork: Ist aber in diesem Fall ganz anders, das ist kein Produzenten-Gag, um Aufmerksamkeit zu erregen. Bei Michael Jackson wird jeder Ton, jede Kurzsequenz hochgeblasen, während man die Titel bei Falco als Rohmaterial eins zu eins hernehmen konnte.

SZ: Auf dem neuen Album ist auch die Fortsetzung von "Jeanny" zu finden, der Skandalsong, der angeblich eine Vergewaltigung verklärt.

Bork: Ach, das ist auch so eine Geschichte. Die ursprüngliche Liedtext ist so verbindlich wie ein Horoskop, da ging es gar nicht um sexuellen Missbrauch, sondern um ein Mädel, das Probleme mit ihren Eltern hat, die ihren neuen Freund nicht mögen, und dann wegläuft. Der Falco hat gesagt: Was für ein lauwarmer Schmarrn! Das kann ich nicht so nicht singen, da muss man einen scharfen Text drauf machen. Dann hat er unter Zeitdruck im Studio einfach seine wüsten Drohungen ausgestoßen, die Zeile "keiner wird dich finden", zum Beispiel. Das hatte alles gar keinen Zusammenhang.

Erst das Video hat aus "Jeanny" eine Bombe gemacht, die in den Medien dann explodiert ist - der Song war Falcos größter Erfolg in Deutschland. Insofern war die ganze Empörung ein Geschenk des Himmels. Jeder wollte wissen, wie die Geschichte weitergeht, deshalb hat Falco auch einen zweiten und den dritten Teil produziert, der nun veröffentlicht wird. Ich glaube, dieser Song wird ein Hit!

SZ: Trifft Falco, der die Schattenseiten der achtziger Jahre verkörpert, überhaupt noch den Nerv der Zeit?

Bork: Mit dieser Platte trifft er heute den Nerv mehr als 1987. Weil es richtiger Pop ist - ein wenig so wie sein letzter großer Song "Out of the Dark", das war ja auch kein Rap-Titel mehr.

SZ: Als Manager dieses sensiblen Selbstzerstörers haben Sie sicher oft leiden müssen.

Bork: Gewiss, aber man muss bei einem solchen Künstler andere Maßstäbe anlegen als bei einem braven Steuerzahler. Einmal sind wir aus einem Studio in Holland rausgeworfen worden, weil Falco die Produzenten übel beschimpfte, und da saßen wir dann, im Rinnstein bei Regen. Da habe ich mich gefragt: Warum tust du dir das an?

SZ: 1993 haben Sie als sein Manager das Handtuch geworfen. Danach ging es bergab mit seiner Karriere.

Bork: Falco hat bis zu seinem Tod noch viele Sachen ausprobiert, man kann das als Orientierungslosigkeit interpretieren, aber er hat halt seine Grenzen ausgelotet. Das Leben hat er sich ja immer sehr schwer gemacht, auch mit seiner Kunst.

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