Kehrtwende bei Vinzenzmurr:"Ein Vorgang von gravierendem Gewicht"

Verunsicherte Kunden und ein eindeutiger Richterspruch - beides hat Vinzenzmurr wohl zu seiner Kehrtwende bewogen. Das Unternehmen hat Hygienemängel im vergangenen Jahr eingeräumt. Doch einige Fragen sind noch offen.

Bernd Kastner

Die Nachricht kam so überraschend per E-Mail, dass man sich zunächst fragte, ob sie eine Fälschung sein könnte. Ist sie aber nicht. Vinzenzmurr hat am Freitagnachmittag Hygienemängel im vergangenen Jahr eingeräumt und verkündet, die von der Stadt verhängten Bußgelder zu akzeptieren. Es ist eine 180-Grad-Wende, die die Geschäftsleitung der Großmetzgerei vollzogen hat.

Das bestätigte Wilfried Blume-Beyerle, Chef des Kreisverwaltungsreferats (KVR) und damit der städtischen Lebensmittelkontrolleure. Er zeigt sich erleichtert über das Ende eines eineinhalbjährigen Tauziehens zwischen der Fleischerdynastie der Brandls und seinem Haus.

Blume-Beyerle stellt Vinzenzmurr inzwischen ein gutes Zeugnis aus: "Ich kann bestätigen, dass das Unternehmen gelernt und Konsequenzen gezogen hat", sagt er und lobt die "positive Entwicklung". Ansonsten wollte er sich nicht weiter äußern zu dem nun wohl beendeten Konflikt.

Jetzt, da Vinzenzmurr nicht nur die Klage gegen die 29 Bußgeldbescheide zurückgezogen hat, sondern auch akzeptiert, dass das KVR vor zwei Wochen die Süddeutsche Zeitung korrekt und zu Recht über das Bußgeldverfahren informiert hat, will der KVR-Chef alles, bloß kein neues Öl ins verglimmende Feuer gießen.

Sein Haus aber darf das Ende des Rechtsstreits als Erfolg seiner Politik werten, die Juristen und Öffentlichkeitsarbeiter scheinen gute Arbeit gemacht zu haben. Und doch darf man gespannt sein, wie es weitergeht, denn noch immer sind Fragen offen, deren Antwort manchen Kunden interessiert: Was genau hatte die Stadt zu beanstanden nach der Kontrolle von 24 Filialen im März 2011? Was verbirgt sich hinter schwammigen Formulierungen wie "Verstöße gegen Hygienevorschriften" oder "Aufsichtspflichtverletzungen"?

Interessant wird auch sein, was Vinzenzmurr, dieses vor 110 Jahren in der Maxvorstadt gegründete Familienunternehmen in vierter Generation, aus der Krise lernen wird. Ob Evi Brandl, die Seniorin, und ihre Söhne Markus und Alexander nach dem öffentlichen Eingeständnis von "Mängeln in einzelnen Filialen und Verstöße durch einzelne Mitarbeiter" zur bisherigen Politik des Schweigens zurückkehren.

Oder ob sie künftig offener kommunizieren. Adressaten, also Kunden, gäbe es viele, betreibt die Firma doch mehr als 270 Geschäfte in Bayern, davon mehr als 100 allein in München.

In der Erklärung vom Freitag "bedauert" Markus Brandl die "Verunsicherung der Kunden". Es würde nicht wundern, wenn die Nachfahren des Metzgermeisters Vinzenz Murr aus der Schellingstraße sich durch kritische Fragen der Kundschaft zum Schwenk genötigt sahen. Und wer weiß, vielleicht haben einzelne Filialleiter abends beim Zählen der Kasse auch schon gemerkt, dass der Kunde gerne wüsste, was los ist.

Es wäre nicht das erste Mal, dass ein großes Münchner Unternehmen der Lebensmittelbranche sich dem Wunsch seiner Kunden gebeugt hätte. Vor ein paar Jahren war die Öko-Supermarktkette Basic in große Turbulenzen geraten, weil die Chefs ausgerechnet die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl gehört, ins Bio-Boot holten. Es dauerte nicht lange, da waren die Kunden auf den Barrikaden und die Liaison mit dem Discountriesen beendet.

Womöglich hat zur Wende bei Vinzenzmurr auch die Begründung des Verwaltungsgerichts vergangene Woche beigetragen: Die Stadt habe zu Recht die SZ und damit die Öffentlichkeit informiert, befanden die Richter. Der Beschluss wurde von Vinzenzmurr sofort angefochten, obwohl er an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt. Da hatte der Metzgerei auch nicht geholfen, schnell zwei Rechtsprofessoren zu beauftragen, die in ihren Gutachten die Informationspolitik der Stadt für rechtswidrig erklärten.

Das öffentliche Informationsinteresse, so die Richter, überwiege eindeutig den Firmenwunsch nach Diskretion, handle es sich bei den Hygienemängeln doch "um einen Vorgang von gravierendem Gewicht". Nun haben die Brandls auch dies akzeptiert.

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