"Wie beim ersten Mal" im Kino:Vom Aufwecken der Leidenschaft

Das reifere Kinopublikum wird gerade stark umworben, weil die Jungen ihre Filme nur noch im Internet sehen und die Älteren immer mehr werden. Die romantische Komödie "Wie beim ersten Mal" ist so ein Erwachsenenfilm: Meryl Streep und Tommy Lee Jones in einem Film über eingeschlafene Liebe und sexuelle Fantasien.

Martina Knoben

Achtung, dies ist ein adult movie! Nein, kein Porno, obwohl Sex eine große Rolle spielt; aber ein Film, der sich an ein definitiv erwachsenes Publikum richtet, eines, das seit Jahrzehnten volljährig ist.

Wie beim ersten Mal Streep Jones

Die Liebe schlafen lassen oder dafür kämpfen? Meryl Streep und Tommy Lee Jones in "Wie beim ersten Mal".

(Foto: dapd)

Dieses "reifere" Kinopublikum wird gerade stark umworben, weil die Jungen ihre Filme oft nur noch im Internet sehen und die Älteren außerdem immer mehr werden. Deshalb tauchen im Kino zunehmend Komödien wie "Best Exotic Marigold Hotel" oder "Und wenn wir alle zusammenziehen" auf, die von älteren und alten Menschen handeln; in diesem Herbst starten noch "Robot & Frank" von Jake Schreier und Dustin Hoffmans Regiedebüt "Quartet".

Zu diesen Erwachsenen-Filmen gehört auch David Frankels "Wie beim ersten Mal", eine romantic comedy um ein Paar jenseits der sechzig, die alle Genre-Erwartungen erfüllt, aber doch erstaunlich kompromisslos und direkt die Realitäten des Älterwerdens schildert. Die Probleme mit dem Sex zum Beispiel: Seit 31 Jahren sind Kay und Arnold verheiratet, ihre Leidenschaft aber ist erkaltet. Da steht also Kay mit frisch verwuschelten Haaren unsicher in der Tür zu Arnolds Zimmer und fragt: "Ich dachte, ich könnte heute Nacht hier schlafen." Arnold aber lehnt ihr Angebot nicht einfach nur ab, er hat es - schlimmer noch - gar nicht verstanden: "Ist was mit deinem Zimmer?", fragt er.

Dass Arnold kein großer Romantiker ist, glaubt man ihm sofort, schließlich wird er vom coolen, kantigen "Man in Black" Tommy Lee Jones gespielt. Und weil Kay von der wunderbaren Meryl Streep verkörpert wird, wirkt sie so schüchtern und strahlend in ihrem Begehren wie ein junges Mädchen, aber auch tough genug, um für ihre Liebe zu Arnold zu kämpfen.

Kay zwingt Arnold zu einer Paartherapie. Und da sitzen sie also auf der Couch, die Stars Meryl Streep und Tommy Lee Jones, ihnen gegenüber Steve Carell in der Rolle des Therapeuten, und setzen sich unerträglichen Fragen aus: Wann haben Sie zum letzten Mal miteinander geschlafen? Und wie? In der Missionarsstellung? Welche sexuellen Fantasien haben Sie?

Wenn es allzu peinlich wird

Stellvertretend für den Zuschauer winden sich Kay und Arnold gequält auf dem Sofa. Meryl Streep hat ihr Charisma gerade ausreichend heruntergedimmt, dass man ihr die etwas verklemmte amerikanische Hausfrau abnimmt, die nervös am Jäckchen ihres Twinsets herumnestelt, während Ehemann Arnold seine Hände knetet und versucht nirgendwohin zu sehen. Es ist ein Wagnis für die Figuren ebenso wie für diese beiden Stars. Das Image des ewig coolen Hundes legt Tommy Lee Jones in diesem Film jedenfalls völlig ab.

Aber das Wagnis gelingt - die Darsteller sind ein Glücksfall für den Film, und sie retten ihn auch, wenn es stellenweise allzu peinlich wird. Besonders schlimm: als Kay und Arnold aufgefordert werden, ihr Sexleben tatkräftig zu beleben. Der erste Versuch ist sehr verrucht und findet im Kino statt, in einem französischen Film, und es soll auch "französisch" zur Sache gehen. Dabei sind dann Zähne und ein Reißverschluss im Weg, am liebsten würde auch der Zuschauer fluchtartig das Kino verlassen. Der zweite Versucht wird dann in einem schrecklich "romantischen" Hotelzimmer inszeniert, mit Erdbeeren, Champagner und einem brennenden Kaminfeuer. Das passt besser zu Kay und Arnold, ist aber so spießig und künstlich, dass wir auch dieses Mal erleichtert sind, als der Versuch misslingt.

Über geschmackvolle Andeutungen hinaus

"Solche Dinge ändern sich", hatte Arnold am Anfang das leidige Sex-Thema kommentiert. Und wenn man sein altes, müdes Gesicht sieht, wie es sich über das von Kay beugt zum geplanten Akt, dann fragt man sich, ob die Leidenschaft mit der Zeit vielleicht wirklich einschläft - und ob man sie dann nicht einfach schlafen lassen soll. Dass der Film ein solches Älterwerden ohne Erotik-Terror als Option akzeptiert, dabei die Grenzen der romantic comedy nie verlässt, mag man unentschieden finden. Es passt aber sehr gut zur Unsicherheit der Figuren, für die nichts mehr selbstverständlich ist, die sich, in einer besonders komischen Szene, nicht mal mehr unbefangen nebeneinander ins Bett legen können.

Dass David Frankel es nicht nur bei geschmackvollen Andeutungen belässt, sondern die Peinlichkeiten dieser Annäherung schonungslos zeigt, dass er die Figuren auch nicht schöner oder "reifer" erscheinen lässt, als sie sind, ist erstaunlich für eine solche Hollywood-Produktion. Für die neuen "adult movies" kann man sich das nur wünschen: dass sich kommerzielles Interesse und Wahrhaftigkeit gut vertragen.

HOPE SPRINGS, USA 2012 - Regie: David Frankel. Buch: Vanessa Taylor. Kamera: Florian Ballhaus. Schnitt: Steven Weisberg. Mit: Meryl Streep, Tommy Lee Jones, Steve Carell. Jean Smart, Elisabeth Shue. Wild Bunch, 100 Minuten.

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