Unterwegs mit dem Fernbus:"Welcher Zug ist schon pünktlich?"

Kostenloses Wlan, Getränke für 1,50 Euro und einer sauberen Toilette: Ab 2013 soll der Buslinien-Fernverkehr kommen. Das erhöht den Preisdruck auf die Deutsche Bahn. Ist der Fernbusverkehr eine echte Alternative zum Zug? Ein Fahrbericht.

Steve Przybilla

Als im Radio die Nachrichten kommen, steht dem Busfahrer die Schadenfreude ins Gesicht geschrieben. "Hört gut zu", ruft er und dreht für die Passagiere die Lautstärke auf. "Da seht ihr, warum sich das Busfahren lohnt." Gemeint ist die Erhöhung der Bahn-Fahrpreise, die der Sprecher gerade verkündet. Schon jetzt kostet ein reguläres Zugticket von Freiburg nach München 88 Euro. Für die gleiche Strecke im Omnibus müssen die Passagiere nur 24 Euro auf den Tisch legen. Und es gibt auf der Schiene keine Direktverbindung zwischen Freiburg und München mehr.

Der Groll gegen die Bahn hat sich länger aufgestaut, denn Busse durften auf innerdeutschen Fernlinien bisher nicht verkehren. Grund dafür war ein Uralt-Gesetz von 1934, das die staatlich finanzierte Eisenbahn vor Konkurrenz schützen soll - bisher jedenfalls. 2011 dann der erste Vorbote der Liberalisierung: Das Landgericht Frankfurt schmetterte eine Klage der Bahn gegen die Friedrichshafener Firma "DeinBus.de" ab. Das von Studenten gegründete Start-up-Unternehmen mietet immer dann einen Bus an, wenn sich genügend Interessenten für eine Strecke finden - für die Bahn ein unzulässiger Linienverkehr.

Ab 2013 rollen die Fernbusse

Auch in der Politik stehen die Zeichen nun auf Veränderung, die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich jüngst auf eine Abschaffung des überholten Monopols geeinigt. Von 2013 an dürfen bundesweit Fernbusse rollen; die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat gilt als sicher.

Nicht alle wollten so lange warten. Bereits seit März bedient das Berliner Unternehmen "MeinFernbus" die Strecke Freiburg-München. Weil der Weg direkter und in der Regel günstiger als bei der Bahn ist, erhielt MeinFernbus eine Konzession. "Es war sehr viel Schriftverkehr nötig, bis wir die Genehmigung hatten", schildert Geschäftsführer Torben Greve das Genehmigungsverfahren. Durch die Gesetzesnovelle könne man neue Strecken in Zukunft viel leichter in Betrieb nehmen. Mehr als 60 000 Passagiere hat das Unternehmen laut eigenen Angaben bisher befördert. "Es läuft gut", sagt Greve und spricht von einer "sehr hohen Auslastung" der Linien.

Zurück im Bus. Mit kostenlosem Wlan (aber keinen Steckdosen), Getränken für 1,50 Euro und einer sauberen Toilette werden die Passagiere bei Laune gehalten. Die Sitze sind bequem, wirken aber enger als im Zug. Durch einen kleinen Stau kommt der Bus fünf Minuten später am Zwischenstopp in Friedrichshafen an. Dafür entschädigt der Blick über den Bodensee - ein Spektakel, das man auf den schnurgeraden ICE-Strecken nicht geboten bekommt.

Ob deshalb massenhaft Bahn-Kunden auf Linienbusse umsteigen, ist aber offen. "Der Buslinien-Fernverkehr greift vor allem Leute mit geringer Zahlungsbereitschaft ab", glaubt Daniel Krimphoff vom Institut für Verkehrswissenschaft der Uni Münster. "Das sind Leute, die im Zweifel überhaupt nicht reisen würden." Der deutsche Omnibusverband geht ebenfalls nur von einer "kleinen Wanderung" aus. Derzeit fänden rund 60 Prozent der Passagiere über Mitfahrportale im Internet in den Bus, sagt Verbandssprecher Tilman Wagenknecht. Überhaupt stellt sich die Frage, ob die Liberalisierung die Bahn tatsächlich in die Bredouille bringen könnte. Schon jetzt sind zahlreiche Tochter-Unternehmen des Konzerns am Busverkehr beteiligt - etwa beim Anbieter "Berlin Linien Bus", der mithilfe einer Ausnahmegenehmigung schon seit 1947 Busfahrten von und nach Berlin anbietet. Wahrscheinlicher ist, dass innerhalb der Busbranche ein harter Verdrängungskampf ausbricht. Gerade große ausländische Unternehmen mit guter Infrastruktur stünden bereits in den Startlöchern, heißt es im Omnibusverband. Mit ihnen mitzuhalten, werde für mittelständische Betriebe zur Herausforderung.

Bleibt der Fernbus ein Nischenangebot?

Trotzdem kann auch die Bahn die neuen Wettbewerber nicht ignorieren. "Das wird nur über die Preisschraube gehen", prophezeit Matthias Gather, Professor für Verkehrspolitik an der FH Erfurt. Vom reinen Komfort her sieht er die Schiene im Vorteil: "Das ist ein ruhigeres, schnelleres und berechenbareres Reisen." Allein schon wegen der überlasteten Autobahnen werde der Fernbus ein Nischenangebot bleiben.

Was das für die Kunden bedeutet, ist klar: "Busse verkehren eben auch in Zukunft nicht dort, wo das Bahnnetz schlecht ist", sagt Gather. Um rentabel zu bleiben, müssten sich die Anbieter auf stark nachgefragte Strecken zwischen den großen Städten konzentrieren - genau dort, wo auch die Bahn präsent ist. Pessimistisch sieht der Verkehrsexperte die Nische trotzdem nicht: "Ein funktionierendes Busnetz ist immer ein Indikator für ein schlechtes Bahnnetz. Das sieht man in den USA genauso wie in Teilen Osteuropas."

Unterdessen rollt der in Freiburg gestartete Linienbus an der Münchner Endhaltestelle ein - 15 Minuten verspätet. Die junge Frau aus der dritten Reihe sieht's gelassen. "Welcher Zug ist schon pünktlich?", fragt sie und zieht von dannen. "96 Prozent der Kunden würden uns weiterempfehlen", zitiert "MeinFernbus"-Geschäftsführer Greve eine Umfrage unter Fahrgästen. Noch in diesem Jahr will er weitere Strecken in Betrieb nehmen.

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