Rothko-Gemälde beschmiert:"Gut, dass Menschen schockiert sind"

Am Sonntag beschmierte ein Kunst-Blogger in der Londoner Tate Modern Mark Rothkos Gemälde "Black on Maroon" mit einem Filzstift. Als Vandale will er aber nicht verstanden werden - vielmehr geht es ihm um "Yellowismus". Das aber mit der Farbe Schwarz.

Alexander Menden, London

"Der Mann schlenderte auf das Bild zu, zog einen Filzstift heraus und begann zu schreiben. Als er fertig war, verschwand er wie der Blitz." So schildert Tim Wright die Szene, deren Zeuge er am Sonntag in der Londoner Tate Modern wurde. "Die Tinte lief einfach an dem Bild herunter", so Wright. Das Personal sei "völlig schockiert" gewesen. Eine verständliche Reaktion, zumal der "modisch aussehende, bärtige Typ mit einer Tätowierung am Hals" nicht irgendein Bild bemalt hatte, sondern eines von Mark Rothkos "Seagram Murals".

Der Maler hatte der Tate diese Reihe 1969 geschenkt, sie gilt als ein Highlight der Sammlung. Obwohl das Museum keinen genauen Marktwert angeben kann, ist das verschandelte Stück "Black on Maroon" (1958) zweifellos viele Millionen Euro wert. Rothkos "Orange, Red, Yellow" (1961) hält mit umgerechnet 66,6 Millionen Euro derzeit den Auktionsrekord für das teuerste Stück Nachkriegskunst.

Der Text auf dem Bild lautet: "Vladimir Umanets, ein potenzielles Stück Yellowismus". Mittlerweile hat sich ein Mann dieses Namens in der britischen Tageszeitung Independent zu der Tat bekannt. Er ist angeblich auch der Betreiber einer Internetseite, die sich als "oberflächliches Blog" über Konzeptkunst bezeichnet. Umanets ist demnach ein Vertreter des so genannten "Yellowismus" . "Beispiele für Yellowismus", so ein Online-Manifest, "können wie Kunstwerke aussehen, sind aber keine Kunstwerke. Wir glauben dass der Kontext für Kunst bereits Kunst ist. Der Kontext für Yellowismus ist nichts anderes als Yellowismus. Bei yellowistischen Stücken geht es nur um Gelb, nichts anderes."

"Kein Vandale"

Unverständlich bleibt vor diesem Hintergrund, warum ausgerechnet ein schwarz-rotes Bild mit einem schwarzen Stift bekritzelt wurde. Im Gespräch mit dem Independent sagt der Mann, er sei "kein Vandale". Es sei "gut, dass Menschen schockiert sind" obwohl niemand verstehe, "was da eigentlich in der Tate geschehen" sei. Für dieses Verständnis brauche es Zeit. Umanets glaubt, "den Wert des Gemäldes eher noch gesteigert" zu haben.

Mit dem gleichen Argument rechtfertigen die Brüder Dinos und Jake Chapman die serielle Übermalung von Goya-Radierungen. Der Unterschied besteht darin, dass die Chapmans für ihre vorgebliche Satire auf Appropriation Art die Goya-Werke vorher kauften. Als Robert Rauschenberg 1953 eine Zeichnung Willem de Koonings auslöschte, bat er den Künstler um Erlaubnis. Der Tate-Kritzler tat weder das eine noch das andere. Daher darf er, sobald die Londoner Metropolitan Police ihn aufgespürt hat, mit seiner Verhaftung und einer Anzeige wegen Sachbeschädigung rechnen.

Laut ersten Einschätzungen wird sich die Beschriftung auf dem Rothko vergleichsweise leicht entfernen lassen. Dennoch dürfte es nun - wie nach der Hammer-Attacke auf ein Porträt Samuel Johnsons in der National Gallery vor fünf Jahren - erneut eine Debatte über die Sicherheitsvorkehrungen in den Londoner Museen geben.

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