Steinbrück und seine Nebeneinkünfte:Zum eigenen und öffentlichen Wohl

Neid führt zum Rufmord der Politik: Ist ein Abgeordneter nebenher noch Anwalt oder Vortragsreisender, heißt es, er kümmere sich nicht genug um sein Mandat. Solche Kritik schadet der parlamentarischen Demokratie. Können neue Veröffentlichungsregeln die Hysterie stoppen?

Heribert Prantl

SPD-Parteispitze beim DGB

Peer Steinbrück ist nicht der einzige Abgeordnete, der neben seiner Haupttätigkeit noch Geld verdient.

(Foto: dpa)

Der Abgeordnete ist ein Mensch, der es prinzipiell niemandem recht machen kann. Ist er Abgeordneter und sonst nichts, dann heißt es von ihm, er habe vom wirklichen Leben keine Ahnung. Ist er aber nicht nur Abgeordneter, sondern daneben auch noch Anwalt, Bäckermeister oder Vortragsreisender, dann hält man ihm vor, er kümmere sich um sein Mandat nicht ausreichend.

Werden die Nebeneinkünfte nicht oder nicht detailliert genug veröffentlicht, dann bezichtigt man die Abgeordneten der demokratiewidrigen Intransparenz. Werden die Nebeneinkünfte aber veröffentlicht, dann haut man ihnen die Veröffentlichung wie ein Sündenregister um die Ohren. In der Kritik an den Abgeordneten, an ihren Einkünften und Nebeneinkünften steckt also viel Heuchelei.

Es gibt Sprüche, die sehr antiquiert klingen, aber gleichwohl verblüffend richtig sind. Dazu gehört der Satz, mit dem frühere Generationen die Lehre aus der biblischen Geschichte von Kain und Abel gezogen haben. Der Kain hat bekanntlich den Abel aus Neid erschlagen, weil dessen Feuer besser brannte. "Den Neid", so sagte man daher früher, "jag auf der Stelle fort. Aus Neid geschah der erste Mord."

Steinbrück ist nicht der einzige, der nebenher gutes Geld verdient

Heute führt der Neid zum Rufmord der Politik. Ziemlich neu ist allerdings, dass sich am Aufmarsch der Neidigen gegen Politiker auch Politiker lautstark beteiligen. Peer Steinbrück, der bekanntlich in dieser Legislaturperiode sehr viele Vorträge gehalten hat, wird kritisiert, als sei er der Einzige, der außerhalb des Abgeordnetenberufs noch gutes Geld verdient.

Alexander Dobrindt, der Generalsekretär der CSU, hat sich bei der giftigen Kritik besonders hervorgetan. Dabei hat er in seiner eigenen Partei mindestens einen goldenen Abgeordneten - Peter Gauweiler nämlich, der ein erfolgreicher Advokat ist.

Gauweiler gehört, ähnlich wie Steinbrück, zwar nicht zu denen, die mit einer besonders hohen Präsenz im Bundestag glänzen. Er gilt aber dank seiner geistigen und finanziellen Unabhängigkeit, wegen seiner Originalität und rhetorischen Potenz als gestandene Persönlichkeit - als Exempel für den Urtypus eines Abgeordneten.

Nebenverdienste sollten nicht verboten werden

Peter Gauweiler hat mit dem vielen Geld, das er außerhalb seines Berufs als Abgeordneter verdient, viele Klagen beim Bundesverfassungsgericht finanziert, die verdienstvolle Urteile zur Folge hatten. Ähnliches gilt für den SPD-Abgeordneten und Rechtsanwalt Peter Danckert. Das zeigt: Nebenverdienste sollten zwar beim Bundestagspräsidenten angezeigt und auch veröffentlicht, aber nicht unbedingt verboten werden.

Der frühere Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel, der ein großer Spötter vor dem Herrn war, hat einmal über die Diäten, Zulagen, Nebentätigkeiten und Pensionen von Abgeordneten den schönen Satz gesagt: Ein Politiker, der seinen eigenen Nutzen nicht mehren könne, der sei auch nicht imstande, den der Allgemeinheit zu mehren. Kritiker der Diäten und Nebenverdienste halten das nicht für einen gehobenen Kalauer, sondern für die bittere Wahrheit.

Das Wort "Diäten" oder "Nebeneinkünfte" funktioniert daher oft wie das Klingelzeichen beim Pawlow'schen Experiment: Sogleich wird das ganze Parlament als Selbstbedienungsladen und Raffkartell beschimpft.

Es braucht diese lange Vorrede, weil eine maßlose Kritik an Abgeordneten der parlamentarischen Demokratie schadet. Es schadet freilich auch der parlamentarischen Demokratie, wenn einzelne Abgeordnete sich als maßlos gerieren.

Wo und wann beginnt Maßlosigkeit? Wohl dann, wenn die Nebentätigkeit zur Haupttätigkeit wird und also das Mandat zur Nebensache. Das lässt sich nicht unbedingt mit der Stoppuhr messen. Aber es ist jedenfalls nicht Sinn eines Mandats, dieses vor allem für die Akquisition von anderweitig lukrativen Tätigkeiten zu nutzen.

Das Gesetz geht davon aus, dass der Beruf als Bundestagsabgeordneter der Hauptberuf ist. Wer ihn durch einen Reigen von Nebentätigkeiten zum Nebenberuf macht, der verletzt seine Abgeordnetenpflicht. Seine Abgeordnetenpflicht verletzt auch der, der seinen Kopf vermietet - also eine gut bezahlte Dauertätigkeit für einen Lobby-Verband ausübt.

Wer seinen Kopf dauervermietet, ist kein Volksvertreter mehr

Auch der klügste Abgeordnete hat ja nur einen Kopf. Wer ihn dauervermietet und außerhalb des Parlaments einen politisch ambitionierten Posten bekleidet, ist kein Volksvertreter mehr - sondern halt, zum Beispiel, Geschäftsführer eines Interessenverbandes. Wer sich dafür bezahlen lässt, dass er Lobbyinteressen wahrnimmt, ist ein befangener, kein freier Abgeordneter.

Zur Abgeordnetentätigkeit passt solche innere Unfreiheit nicht, auch wenn es sie in der Geschichte der Republik immer wieder gegeben hat. Zu dieser Kategorie der Kopf-Vermieter gehört Peer Steinbrück nicht: Niemand hat ihm bisher vorwerfen können, dass er als Redner aus Gefälligkeit oder Geldgier seine Ansichten denen der Auftraggeber jeweils angepasst hätte.

Entziehen kann das Mandat nur der Wähler

Es gibt keine Institution, die den Abgeordneten, der bei seinen Nebentätigkeiten Maß und Ziel verliert, packen könnte - mit der Freiheit des Mandats wäre es nicht vereinbar, wenn es mit derlei Begründung entzogen werden könnte. Entziehen kann das Mandat nur der Wähler, bei der nächsten Wahl. Und anklagen kann solchen Fehlgebrauch des Mandats nur die Öffentlichkeit. Sie kann es aber nur, wenn sie davon weiß - wenn also die Nebentätigkeiten öffentlich gemacht werden müssen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2007 die Regelungen über die Offenlegung der Nebenverdienste von Abgeordneten gebilligt; neun Abgeordnete hatten damals gegen das Transparenz-Gesetz geklagt. Die Karlsruher Entscheidung war allerdings äußerst knapp. Vier Richter waren für die Offenlegung, vier dagegen; wegen der Stimmengleichheit galt die Klage als abgewiesen.

Die vier richterlichen Gegner der Offenlegungsregeln waren freilich nicht gegen Transparenz, sondern gegen die "publizistische Prangerwirkung" einer undifferenzierten Transparenz; sie wandten sich dagegen, dass die Zahlen, weil zu wenig aussagekräftig und zu wenig differenziert, einer öffentlichen Hysterie Vorschub leisten. Das lässt sich ändern: Die bisherigen Veröffentlichungsregeln sind jedenfalls in Stufe 3 viel zu grob; über 7000 Euro wird es erst richtig interessant.

Ob eine solche Neuregelung aber wirklich enthysterisierend wirkt? Ein verantwortungsvoller Umgang mit den veröffentlichten Zahlen lässt sich per Gesetz leider nicht vorschreiben.

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