Prozess in Bonn:Mit Gewalt für den Islam

"Sie müssen mit Gewalt die Werte des Islam durchsetzen?", fragt der Richter. "Ja, natürlich", sagt Murat K. Fünf Monate nach seinem Messerangriff auf Polizisten hat der 26-jähriger Salafist vor Gericht ein Geständnis abgelegt. Er habe die Pflicht gehabt, Polizisten zu verletzen.

Annette Ramelsberger, Bonn

Es sind erfahrene Beamte, so schnell regen sich die nicht auf. Erprobt im Umgang mit Hooligans, mit Demonstranten, auch aggressiven. Das macht die Sache umso eindrücklicher: Der Zugführer, ein Mann von 49 Jahren, seit 1998 bei der Einsatzbereitschaft der Polizei, drahtig, kantig.

Dann der Polizist vom Beweissicherungstrupp, der mit seiner Kamera mitten im Getümmel sein muss, um die Einsätze zu dokumentieren. Auch er seit zwölf Jahren dabei. Und die Gruppenführerin. 30 Jahre ist sie alt, eine beherrschte Frau mit klarer, präziser Sprache. Sie war schon mehrmals beim 1. Mai in Berlin dabei. Und dann sagt diese Polizistin: "Das war anders als alles andere. Hier ging es um Leben und Tod."

Und der Kollege mit der Kamera sagt: "Stellen Sie sich einen Vogelschwarm vor. So kamen die Steine." Und der Zugführer sagt: "Eine Gewalt von dieser Qualität habe ich in den ganzen Jahren noch nie erlebt."

Diese Gewalt explodierte, als am 5. Mai in Bonn mehrere hundert Muslime dagegen demonstrierten, dass die rechtspopulistische Splitterpartei "Pro NRW" Mohammed-Karikaturen zeigte. Die Demonstranten warfen Steine und Flaschen auf die Polizisten, ein Gullydeckel flog, aus Steindepots holten die Militanten immer neue Wurfgeschosse und gingen gegen die Polizisten los, die vor der König-Fahd-Akademie in Bonn die Rechtspopulisten von den Gegendemonstranten trennen sollten.

Zwischen den Reihen der Beamten tänzelte ganz unbehelligt ein junger Mann herum, mit hellem Kaftan und langem Bart, der ein Messer in der Hand hielt. Mit diesem Messer ging er auf den Zugführer los, holte aus und traf ihn nicht. Er ging auf den Kameramann der Polizei los und hieb ihm mit voller Wucht in den Oberschenkel. Und er ging auf die Polizistin los, die ihrem Kollegen zu Hilfe eilen wollte. Er traf sie mit heftigem Stich in beide Oberschenkel. Dann wurde er niedergerungen. So ist es auf Polizeivideos zu sehen, die an diesem Mittwoch vor dem Landgericht Bonn vorgeführt werden.

Er würde es wieder tun

Der Mann, der erst Steine warf und dann direkt die drei Polizisten angriff, heißt Murat K., 26 Jahre alt, in Eschwege geboren, im hessischen Sontra aufgewachsen, türkischer Staatsangehöriger. Sohn einer nicht sonderlich religiösen Familie, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebt. Er ist in Bonn angeklagt des besonders schweren Landfriedensbruchs, der gefährlichen Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Und er sagt vor Gericht, er würde es jederzeit wieder tun.

Der Richter gibt sich Mühe. Ganz ruhig spricht er mit dem Angeklagten, ganz freundlich, er will verstehen. Er lässt ihn sein schwarzes Kopftuch tragen, das sich Murat K. wie ein Pirat um den Kopf gebunden hat. Er verhängt auch keine Ordnungsstrafe, als der nicht vor Gericht aufstehen will wie so viele Islamisten, die die irdische Gerichtsbarkeit nicht anerkennen. "Die Würde des Gerichts wird nicht darunter leiden, ob einer aufsteht oder nicht", sagt Richter Klaus Reinhoff.

"Eure Werte erlauben es, den Propheten zu beleidigen."

Er bringt Murat K. zum Reden. "Stellen Sie sich vor, Sie wären Bereitschaftspolizist und hätten die Aufgabe, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Wären Sie dann in Ihren Augen ein berechtigtes Angriffsziel?" "Ja", sagt Murat K., "der deutsche Staat erlaubt, dass Mohammed-Karikaturen gezeigt werden. Die Polizisten sind damit automatisch verwickelt in die Sache."

Auch wenn ein Gericht erlaube, dass die Karikaturen gezeigt würden? fragt der Richter. "Eure Werte erlauben es, den Propheten zu beleidigen. Der Islam erlaubt das nicht. Im Islam gilt die Todesstrafe dafür. Ihr habt Eure Meinungsfreiheit, aber als gläubiger Muslim muss der Islam meine Meinung sein." - "Sie müssen mit Gewalt die Werte des Islam durchsetzen?", fragt der Richter. "Ja, natürlich", sagt Murat K..

Die Polizistin trug eine zehn Zentimeter lange Stichwunde an einem Bein davon, der Kameramann eine 16 Zentimeter lange. Er ist noch immer in psychologischer Behandlung, kann nur vier Stunden am Tag arbeiten. Auch der Zugführer, der seine Leute nicht schützen konnte, hatte nach dem Einsatz Schlafstörungen. 35 Beamte waren verletzt worden. "Da macht man sich Gedanken", sagt der Zugführer.

Johannes Pausch, der Verteidiger von Murat K., hatte seinem Mandanten zu bedenken gegeben, er könne sich auch bei den verletzten Polizisten entschuldigen. Murat K. hat es nicht getan. Er fühlt sich im Recht. Pausch sagt, sein Mandant sei sehr fundamentalistisch eingestellt, ein Salafist.

Murak K. sagt: "Ich fürchte mich nicht vor der Strafe, ich fürchte mich nicht vor der Abschiebung. Das will ich hier mal klarstellen. " Das Urteil wird nächste Woche erwartet.

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