Debatte um Bundestrainer Löw:Beäugt von der wachsenden Opposition

Weniger souverän als früher, ungeduldiger, empfindlicher: Joachim Löw dürfte sich wundern, was ihm mittlerweile alles nachgesagt wird. Dennoch hat die neue Kritik am Bundestrainer ihre Gründe. Seit der EM ist Löw angreifbarer geworden.

Philipp Selldorf

Auf den ersten Blick ist Joachim Löw der Joachim Löw, der er immer schon war, seit er als Bundestrainer ein führendes Staatsamt bekleidet. Er renommiert in eleganten Anzügen, die ihn weiterhin berechtigen, den in England verliehenen Titel "Bryan Ferry des deutschen Fußballs" zu tragen. Er hat seinen badischen Dialekt behalten, sein schwarzes Haar, um das ihn Männer seiner Generation beneiden, seinen trockenen Humor und seinen respektvollen Umgang.

Als Trainer stellt er unverändert hohe ästhetische Ansprüche und bleibt auch in seiner siebten Saison erfolgreich: Mit neun Punkten aus drei Spielen steht die DFB-Elf einsam an der Spitze ihrer Gruppe, das 6:1 in Irland war der höchste Sieg, den der Spieltag in Europa hervorbrachte. Warum also machen sich trotzdem so viele berufene Leute Gedanken darüber, was mit Löw geschehen ist, seit er aus seiner wochenlangen Einsiedelei nach der EM mit einer lautstarken Grundsatzrede ins öffentliche Leben zurückgekehrt ist?

Einige meinen, Löw sei härter und ungeduldiger geworden; andere behaupten, er habe etwas von seiner Souveränität und Gelassenheit verloren; hier heißt es, er sei jetzt empfindlicher gegen die üblichen Belastungen und Belästigungen; dort nimmt man ihn als distanzierter wahr; manche halten ihn gar für amtsmüde. Löw dürfte sich wundern, was ihm alles nachgesagt wird.

Dennoch hat all dieses Sinnen und Rätseln Gründe. Mag sein, dass er im Grunde ganz der Alte ist, aber die Voraussetzungen seiner Arbeit haben sich geändert. Löw ist angreifbarer geworden, seit die Nation durch die Niederlage gegen Italien von barer Enttäuschung überwältigt wurde.

Die amtlichen TV-Kritiker haben ihre Angriffsbereitschaft gesteigert; der Tonfall der Medien ist aggressiver geworden; Trendsetter wie Uli Hoeneß empfehlen Löw, was er gefälligst besser machen soll; opponierende Meinungsmacher wie die Dortmunder Watzke und Klopp verbergen kaum noch ihre Vorbehalte. Löw reagiert darauf nicht immer gekonnt, wie sein unbedachtes Reden über Marcel Schmelzer zu erkennen gab.

Die meisten Anzeichen deuten darauf hin, dass sich Löw auf der letzten Etappe seiner Bundestrainerzeit befindet. Die Zeit bis zum mutmaßlichen Abschied im Sommer 2014 ist zwar noch lang. Trotzdem scheint eine Ahnung davon bereits in die Gegenwart hineinzuwirken.

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