UCI rechnet mit Lance Armstrong ab:"Er verdient es, dass ihn der Radsport vergisst"

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Es war die große Abrechnung: Der Radsport-Weltverband sperrt Lance Armstrong lebenslänglich und erkennt ihm sieben Tour-de-France-Titel ab. Die Funktionäre vollziehen damit eine radikale Abkehr von ihrem einstigen Idol - weil sie keinesfalls mit ihm untergehen wollen.

Thomas Hummel

Pat McQuaid erzählte am Ende der Pressekonferenz in Genf, warum er selbst in den siebziger Jahren kein professioneller Radrennfahrer wurde: "Weil ich wusste: Ich muss mich irgendwann entscheiden, ob ich dope oder nicht, und darauf war ich nicht vorbereitet."

Was der irische Präsident des Radsport-Weltverbands UCI da so nebenher aussprach, muss all jenen zu denken geben, die nun vom "verseuchten Jahrzehnt" im Radsport sprechen, wie etwa Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer. Offenbar hat die Kultur der unerlaubten Leistungssteigerung durch Drogen eine längere Tradition in diesem Sport als manche glauben wollen. Nach diesem Montag in Genf aber muss die Geschichte des Sports erheblich umgeschrieben werden. Die UCI hat seinen erfolgreichsten Rennfahrer, Lance Armstrong, lebenslang wegen Dopings gesperrt. Alle Ergebnisse des Amerikaners seit dem 1. August 1998 werden gestrichen, darunter sieben Tour-de-France-Titel.

Der UCI blieb gar nichts anderes mehr übrig. Die amerikanische Anti-Doping-Agentur Usada hatte zuletzt einen etwa 1000-seitigen Bericht ins Internet gestellt, in dem rund um die Armstrong-Teams US Postal und Discovery ein professionelles und ausgeklügeltes Dopingsystem dokumentiert wurde. Beweise und Zeugenaussagen unter anderem von Fahrern zeichneten das Bild eines riesigen Sportbetrugs, den Lance Armstrong einerseits anführte und durch den er zum größten und wohl reichsten Radsportler der Geschichte wurde. Der UCI blieben 21 Tage Zeit, die Strafe zu vollziehen oder vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas dagegen vorzugehen. Der Verband vollzog.

"Ich bestätige, dass die UCI das Schiedsgericht nicht anruft und die Sanktionen der Usada übernehmen wird", sagte Präsident McQuaid und erklärte: "Das ist die größte Krise, der sich der Radsport jemals stellen musste. Was ich dort lesen musste, macht mich krank."

McQuaid und die UCI haben sich angesichts der erdrückenden Beweise von ihrem einstigen Liebling radikal abgewandt. Dabei überraschte vor allem die Deutlichkeit der Aussagen. "Lance Armstrong hat keinen Platz im Radsport. Er verdient es, dass ihn der Radsport vergisst." Zuvor hatte gerade die UCI lange Zeit alle Angriffe und Spekulationen gegen Armstrong stets bissig als Verleumdungen abgetan. Es gebe keinen positiven Dopingtest gegen den Texaner, also dope er auch nicht.

An diesem Montag hört sich das ganz anders an. "Wir schauen auf ein enormes Betrugssystem, ein Gewinnen-um-jeden-Preis. Die Beteiligten haben viel Geld verdient. Einige haben es nun zugegeben, haben sich bei ihren Familien entschuldigt. Aber keiner hat sich bei der UCI entschuldigt, oder beim Sport, bis auf George Hincapie will keiner Preisgeld zurückgeben", schimpfte McQuaid, "ich bedauere die anderen Fahrer, die sauber waren."

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Es war die große Abrechnung. Und die Offenbarung, dass die UCI und ihre Funktionäre keinesfalls bereit sind, zusammen mit dem früheren Idol unterzugehen. "Ich werde nicht als Präsident der UCI zurücktreten", erklärte McQuaid.

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Selbst seinen umstrittenen Vorgänger als Verbandsboss, Hein Verbruggen, nahm McQuaid in Schutz. "Natürlich kann man in der Rückschau immer sagen, man hätte mehr tun können", sagte McQuaid. "Aber man kann nur so viel tun, wie das System, das in Kraft ist, zulässt. Es tut mir leid, dass wir nicht jeden verdammten Sünder erwischen konnten."

Einige Fragen blieben offen: Was wird aus den sieben Tour-de-France-Titeln von 1999 bis 2005? Die Veranstalter der Tour hatten angekündigt, diese Titel nicht vergeben zu wollen, weil die jeweils Zweitplatzierten ebenfalls mal mehr, mal weniger unter Verdacht stehen, unerlaubte Mittel genommen zu haben.

Dreimal wurde Jan Ullrich in dieser Ära Zweiter. Ihm wurde eine Verstrickung im Fuentes-Skandal nachgewiesen. Einmal belegte Andreas Klöden Platz zwei, sein Name tauchte in den Akten der Freiburger Staatsanwaltschaft zum Telekom-Skandal auf, zu einer Verurteilung kam es bislang nicht.

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Doch McQuaid verwies nur auf eine Sitzung des Management Komitees der UCI am Freitag, wo diese Frage entschieden werden soll. Auch die Frage, ob die UCI Millionen Euro an Preisgeld zurückfordern wird, soll sich dort klären. Präsident McQuaid legte dar, dass dafür Statuten des Verbands verändert werden müssten.

Der UCI-Chef verteidigte sich außerdem gegen den Vorwurf, dass er oder sein Verband korrupt seien. Lance Armstrong hatte dem Weltverband 125.000 Dollar gespendet, Kritiker monieren, dies wäre ein Schweigegeld für angeblich positive Tests und ihre nachträgliche Vertuschung gewesen. Der Ire wies diese Kritik zurück und rechtfertigte die Annahme des Geldes: "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Spende und irgendwelchen Doping-Tests. Wir haben das Geld akzeptiert, weil wir es für den Kampf gegen Doping gebrauchen konnten. Es war für einen guten Zweck."

Pat McQuaid glaubt daran, dass die aktuelle Fahrergeneration ganz anders ist: "Die Fahrer heute haben eine komplett andere Einstellung und wir müssen Vertrauen in sie haben." Auch sei ein neuer Test in der Entwicklungsphase, der Bluttransfusionen nachweisen könne. Die UCI stünde bereit, diesen Test sofort einzuführen.

Nun weisen Experten auch heute darauf hin, dass viele leistungssteigernde Drogen nicht auffindbar seien. Es soll sogar schon am Thema Gen-Doping geforscht werden. Das scheint auch Pat McQuaid zu ahnen. Ob er glaube, dass der Radsport jemals sauber sein werde? "Wenn ich ehrlich sein soll: Nein. Denn in jeder Ecke der Gesellschaft wird betrogen." Er erzählte von einem Fahrer, der Epo nahm, weil er um seinen Platz in einem Profi-Team kämpfte. "Das wird es immer geben im Sport. Du bist immer nur so gut wie dein letztes Resultat."

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