Marketingstrategie von Abercrombie & Fitch:Sie sollen jung sein und schön

Produkte der Modemarke Abercrombie & Fitch darf nicht jeder tragen, findet der Chef. Das ist als Marketingstrategie mindestens mutig. Das Unternehmen - und der Gründer - sind jedoch nicht nur deshalb umstritten.

Angelika Slavik

Abercrombie and Fitch eroeffnet erste Deutschlandfiliale

Schöne Menschen, nicht nur in der Werbung: Zum Konzept von Abercrombie & Fitch gehören ausnehmend gutaussehende Verkäuferinnen und Verkäufer.

(Foto: dapd)

So ein Laden von Abercrombie & Fitch ist eine spannende Angelegenheit. Da sind die Verkäufer, die intern "Models" genannt werden und auch so aussehen. Da sind die Jungs mit den nackten Oberkörpern, die vor dem Laden stehen und die Kundschaft in die Geschäfte locken sollen. Und da ist - der Geruch. Das hauseigene Parfum riecht man hier nicht nur an den Mitarbeitern, es wird auch versprüht: im Laden, manchmal auch auf der Straße davor.

Dufte? Nicht wirklich, finden etwa viele Menschen, die nahe der Hamburger Filiale von Abercrombie & Fitch wohnen. Der Gestank sei penetrant, argumentieren sie, eine Belästigung. Das Bezirksamt musste ausrücken - zur Geruchsuntersuchung.

Nein, Abercrombie & Fitch ist nicht einfach ein Modeladen. Es geht nicht um die Kapuzenpullover, die man hier kaufen kann, es geht um Markenkult. Um Inszenierung. Um ein ästhetisches Ideal von Jugend und Schönheit, das für die Mehrheit der Kundschaft nicht zu erreichen ist. Das nicht mehr einfach ein Versprechen ist, wie man das aus der Werbung eben so kennt, sondern eher eine Messlatte: Bist du cool genug für uns?

"Wir wollen die coolen Kids"

Manche sagen, Abercrombie & Fitch stehe sinnbildlich für die perversen Seiten der Konsumgesellschaft von heute.

Lange genoss das Label in Europa Kultstatus, bevor die ersten Läden hier eröffneten: In New York bildeten sich Schlangen vor den Shops, und die deutschen Touristen stellten sich auch mit an. Deshalb sah man Hoodies, Kapuzenpullis, von Abercrombie auch hierzulande - und immer auf stolzgeschwellter Brust.

Jetzt kommt das Unternehmen nach München, an diesem Donnerstag eröffnet die Filiale in der Sendlinger Straße. Es ist der dritte Shop in Deutschland, nach einem in Düsseldorf und dem in Hamburg bei den geruchsempfindlichen Anwohnern. Aber kommt er noch rechtzeitig?

Der Mann hinter dem Hype um Abercrombie heißt Michael Jeffries. Jeffries ist 68 Jahre alt, sein Gesicht legt den Gedanken nahe, dass hier einer schon mit allen Mitteln um seine Jugendlichkeit gekämpft hat. Zudem heißt es, er stemme täglich Gewichte, er verachte unperfekte Körper. Von ihm sind Zitate überliefert wie dieses: "Ganz ehrlich, wir wollen die coolen Kids. Viele Menschen haben in unserer Kleidung nichts zu suchen."

Ist das die kluge Positionierung einer Marke? Oder eine Frechheit?

Irritierende Meldungen

Klar ist: Jeffries prüft seine Kundschaft wie andere Konzernchefs nicht einmal ihre Bilanz. In den USA bot der Konzern den Teilnehmern eines Reality-Formats im Fernsehen Geld an, wenn sie künftig darauf verzichteten, Produkte von Abercrombie & Fitch zu tragen. Man wolle solche Aushängeschilder nicht, hieß es. Das schade der Marke.

Aber vielleicht sind es auch irritierende Meldungen wie diese, die am Image des Unternehmens Spuren hinterlassen. Davon gibt es eine ganze Menge: Da waren Klagen wegen Diskriminierung, weil in den Abercrombie-Läden in den USA beinahe nur Weiße arbeiten. Das Unternehmen zahlte 40 Millionen Dollar, um die Geschichte vom Tisch zu kriegen. Da sind die strengen Vorgaben für das Personal, das nicht nur stets mit dem Firmenduft parfümiert, sondern auch immer frisch rasiert zur Arbeit erscheinen muss.

Und da sind die skurrilen Vorlieben des Chefs: Dieser Tage wurde bekannt, dass Jeffries im firmeneigenen Jet ausschließlich Stewards akzeptiert, die ausschließlich Unternehmensware am Körper tragen, bevorzugt Shorts. Das Silberbesteck ist mit schwarzen Handschuhen aufzutragen, dass Porzellan dagegen mit weißen. Auf alle Wünsche, die Jeffries oder sein Lebensgefährte äußern, lautet die korrekte Antwort: "Kein Problem." Wer "sicher" sagt oder gar "in einer Minute", der kriegt Ärger.

Inszenierte Verknappung

Dazu kommt, dass das Konzept der künstlichen Verknappung nicht mehr funktioniert, weil das Unternehmen immer mehr Läden eröffnet. Der Ansturm, der bei den Filialeröffnungen regelmäßig zu beobachten ist, steht im Verdacht, inszeniert zu sein - wie alles rund um Abercrombie. 2011 erwirtschaftete das Unternehmen vier Milliarden Dollar Umsatz weltweit - nicht zuletzt wegen der massiven Expansion am europäischen Markt. Insgesamt betreibt Abercrombie & Fitch mehr als tausend Standorte weltweit.

Allerdings sinkt die Nachfrage in den einzelnen Filialen. Lässt man die Neueröffnungen außen vor, sanken die Umsätze im zweiten Quartal 2012 um gut zehn Prozent. Zudem schraubte das Unternehmen zuletzt die Gewinnerwartungen nach unten. An den Börsen jedenfalls hatten die Anleger zuletzt wenig Lust auf Abercrombie & Fitch. In den vergangenen zwölf Monaten brach die Aktie ein, verlor mehr als die Hälfte ihres Werts. Bei gut 32 Dollar notierten die Papiere zuletzt - vor fünf Jahren, am Höhepunkt des Erfolges, wurden die Papiere für mehr als 84 Dollar das Stück gehandelt.

Michael Jeffries, den exzentrischen Chef, ficht das alles nicht an. Er findet, sein persönliches Schönheitsideal tauge durchaus auch als Leitlinie für die Strategie des Konzerns. "In Schwierigkeiten sind die Unternehmen, die alle erreichen wollen: jung, alt, fett, mager", sagte er einmal. Er dagegen wolle Geschäfte für junge, gut aussehende Menschen machen. "Und für niemand anders."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: