Vermeintliche Plagiats-Opfer Schavans:"Ich fühle mich nicht plagiiert"

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Unsauber gearbeitet, aber nicht wirklich plagiiert - so sehen einige der Autoren, bei denen sich Annette Schavan bedient hat, die Doktorarbeit der Bildungsministerin. Viele von ihnen können sich nicht mehr äußern - aber die, die es können, haben ein paar gute Ratschläge.

Roland Preuß

Wer nach den vermeintlichen Plagiatsopfern von Annette Schavan sucht, findet viele Nachrufe: Die meisten zitierten Autoren ruhen auf einem Friedhof. (Foto: dpa)

Vielleicht hätte es Annette Schavan viel erspart, wenn sie im schweizerischen Freiburg ihre Doktorarbeit eingereicht hätte und nicht in Düsseldorf. Professor Fritz Oser jedenfalls hätte sie so nicht angenommen: "Als meine Studentin würde ich sie kommen lassen und sagen: Schreiben Sie das noch mal, damit man deutlicher sieht, woher sie das haben!" Ein heilsamer Anpfiff, einige Zitate und Fußnoten mehr und die Sache wäre erledigt gewesen.

Nun aber zählt Dr. Dr. h.c. mult. Oser, 75, zu den Autoren, bei denen sich die Bildungsministerin ohne klaren Nachweis wörtlich bedient hat. Es geht um zweieinhalb Seiten, womit Oser schon zu den Hauptbetroffenen zählt. "Es ist unsauber gemacht", sagt Oser und greift zu einer Art Wissenschafts-Schweizerdeutsch: Dissertationen seien "Bewährungsarbeiten", sagt er. Doch das klingt mehr nach Richter als es gemeint ist. Den Schweizer amüsiert die Übernahme mehr als sie ihn ärgert. "Ich fühle mich nicht plagiiert - und nicht beschädigt." Denn Schavan hat ihn zwar nicht richtig zitiert, aber immerhin in Fußnoten erwähnt.

Wer nach den vermeintlichen Plagiatsopfern von Annette Schavan sucht, der findet viele Nachrufe auf verdiente Wissenschaftler. Die Doktorarbeit ist 32 Jahre alt. Die Autoren, auf die sie sich stützt, ruhen meist auf einem Friedhof. Das ist in zweierlei Hinsicht wichtig in der Affäre: diese Autoren können die Debatte nicht mehr durch Kritik befeuern. Und sie können auch nicht mehr die Verletzung ihres Urheberrechts geltend machen, soweit sie nicht ohnehin verjährt ist - und damit ein höchst unangenehmes Gerichtsverfahren in Gang setzen.

Beides hatte Karl-Theodor zu Guttenberg in seiner Plagiatsaffäre zusätzlich in Bedrängnis gebracht. 199 Anzeigen waren damals bei der Staatsanwaltschaft Hof eingegangen, darunter die einer plagiierten Autorin. Die Anzeige eines Autors ist entscheidend, weil die Ermittler solche Verstöße nur bei "öffentlichem Interesse" verfolgen - oder wenn sich ein Betroffener regt. Der CSU-Politiker zahlte damals eine Geldauflage von 20.000 Euro, damit war das Rechtliche erledigt.

Derlei dürfte Schavan erspart bleiben, nicht nur, weil sie weit weniger übernommen hat als Guttenberg. Alle vermeintlichen Plagiatsopfer, die noch etwas sagen können, stimmt offenbar das Alter milde: Etwa den Psychologen Ernst Stadter, von dem Schavan Passagen wörtlich übernommen, ihn aber gar nicht erwähnt hatte: Wenn jemand zu seinem Fehler stehe, "dann ist das verzeihbar", sagt er. "Wenn sie aber nicht dazu steht, dann muss sie darauf hingewiesen werden." Das wird Schavan verschmerzen können.

Der emeritierte Pädagogik-Professor Helmut Fend verteidigte Schavan auf Zeit.de sogar gegen die Plagiatsvorwürfe. Und Oser sagt zu den Passagen aus seinem Buch, man könne da keine böse Absicht oder gar Täuschung unterstellen. Er werde nicht rechtlich gegen die Ministerin vorgehen, dazu habe er gar keine Zeit. "Ihr deshalb den Titel entziehen, nein - um Gottes Willen."

© SZ vom 24.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Schavans Doktorarbeit
:Werke im Vergleich

Hier dokumentiert SZ.de eine Auswahl der Plagiatsvorwürfe der Universität Düsseldorf gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Die Gegenüberstellung von Dissertation und Originalquelle beruht auf dem internen Untersuchungsbericht der Philosophischen Fakultät von Professor Stefan Rohrbacher. Der Judaistik-Professor kommt auf insgesamt 60 fehlerhafte Seiten in der 351 Seiten umfassenden Dissertation und legt damit weniger strenge Maßstäbe an als die Plagiatesucher von Schavanplag, die 92 Seiten bemängeln.

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