Computerspiele und US-Militär:Milliardenschwerer Krieg im Wohnzimmer

Weil in zwei Drittel aller amerikanischen Haushalte Konsolen- oder Computerspieler leben, investieren die Streitkräfte auch selbst massiv in das Medium. Der "Warfighter"-Fall zeigt nun, wie eng die Beziehung zwischen Spieleindustrie und US-Militär wirklich ist.

Johannes Kuhn

Computerspiele und US-Militär: Bekannte Kriegsspiele wie "Call of Duty" bescheren den Herstellern Milliardeneinnahmen; ehemalige, aber vereinzelt auch aktive Militärangehörige verdienen mit Beratungsaufträgen der Produzenten viel Geld.

Bekannte Kriegsspiele wie "Call of Duty" bescheren den Herstellern Milliardeneinnahmen; ehemalige, aber vereinzelt auch aktive Militärangehörige verdienen mit Beratungsaufträgen der Produzenten viel Geld.

(Foto: AP)

Als hart, rücksichtslos und verschwiegen gelten die Navy Seals, jene US-Spezialeinheit, die im Mai vergangenen Jahres den Terrorführers Osama bin Laden tötete. Zumindest mit der Verschwiegenheit scheinen es die Elitesoldaten allerdings inzwischen nicht mehr allzu genau zu nehmen: Sieben Navy Seals, so teilten die US-Streitkräfte mit, werden wegen der Weitergabe von geheimen Informationen mit einer Rüge und dem Entzug von zwei Monatsgehältern bestraft. Vier weitere Fälle würden untersucht.

Den Soldaten wird vorgeworfen, den Computerspiel-Hersteller Electronic Arts mit vertraulichen Informationen für das Videospiel "Medal of Honor: Warfighter" versorgt zu haben. Bei dem sogenannten First Person Shooter schlüpfen Spieler in die Rolle von US-Elitesoldaten, die in Krisenländern wie Pakistan, Jemen oder Somalia eine Terrorzelle jagen. Weil die Handlung im Wesentlichen daraus besteht, sich den Weg freizuschießen, erhielt das Spiel eher mäßige Kritiken.

Der "Warfighter"-Fall wirft nun aber ein Schlaglicht auf die enge Beziehung, die US-Militär und amerikanische Spieleindustrie seit Jahren pflegen. Bekannte Kriegsspiele wie "Call of Duty" bescheren den Herstellern Milliardeneinnahmen; ehemalige, aber vereinzelt auch aktive Militärangehörige verdienen mit Beratungsaufträgen der Produzenten viel Geld.

Die Unternehmen ihrerseits schmücken sich damit, mit vermeintlichem Insiderwissen besonders realitätsnahe Gefechtsszenen liefern zu können. "Brisante Informationen, zum Beispiel über Geheimdienst-Arbeit im Krieg, spielen aber keine Rolle", erklärt jüngst der ehemalige Spiele-Entwickler Mike Zyda, "das ist für die Spiele auch überhaupt nicht interessant."

Das Pentagon goutierte bislang, dass im Genre Kriegseinsätze von Elitesoldaten meist als Adrenalin-Abenteuer dargestellt werden und liefert Produktionen auch schon mal Geräusche von Schüssen und Kampfhubschrauber-Landungen. Weil in zwei Drittel aller US-Haushalte Konsolen- oder Computerspieler leben, investieren die Streitkräfte auch selbst massiv in das Medium: Seit 2002 produziert das Militär mit "America's Army" eine Kriegsspiel-Serie, die Rekruten anlocken soll. Bei Videospiel-Messen ist die US-Army Stammgast und lässt den möglichen Nachwuchs auch mal echte Militärfahrzeuge ausprobieren. In der Schulung von Soldaten finden spezielle Videospiele Verwendung - die Entwicklungsaufträge sind in der Branche sehr begehrt.

Das Verhältnis von Militär und Spieleindustrie dürfte die aktuelle Kontroverse nicht belasten, gilt doch abermals Matt Bissonette als eigentlicher Auslöser. Der ehemalige Elitesoldat war am Einsatz gegen Bin Laden beteiligt und schrieb später unter Pseudonym einen Bestseller darüber. Das Pentagon erwägt rechtliche Schritte gegen ihn - nach einem Bericht der Los Angeles Times soll Bissonette auch zu den Navy-Seals-Beratern von Electronic Arts gehört haben.

Die Soldaten hätten allerdings ahnen können, dass die Aktion Folgen haben könnte: 2010 hatte das US-Militär zum Boykott des "Warfighter"-Vorgängers aufgerufen. Spieler sollten dort ursprünglich auch in die Rolle der afghanischen Taliban schlüpfen können.

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