Insolvente Nachrichtenagentur dapd:Sie können auch anders

Der Insolvenzverwalter der Nachrichtenagentur dapd hat sein Sanierungskonzept vorgelegt: Ein Drittel der Belegschaft, das sind 100 Mitarbeiter, wird entlassen. Ein Investor wird gesucht.

Claudia Tieschky

dapd Auslandsdienst

Wenn Agenturjournalisten selbst Stoff für Nachrichten werden, ist es meist ein schlechtes Zeichen: dapd-Redakteure in ihrem Berliner Büro.

(Foto: dapd)

Der promovierte Jurist Wolf von der Fecht, 46, kann sich zuweilen über die Medienbranche auf eine freundliche Art wundern. Wenn oft keine Krawatten getragen werden zum Beispiel, oder wenn er manchmal das Gefühl hat, dass Geschäftsmodelle aus den guten alten Zeiten stammen, statt Erlöse im Digitalen zu suchen.

Allerdings muss von der Fecht selbst gerade mit den Folgen einer dramatisch gescheiterten Investitionsstrategie umgehen. Er muss die mit ungeheuer viel Geld weit nach vorne gebrachte Nachrichtenagentur dapd, der Finanzausstattung nach gewissermaßen eine Puppenstube des deutschen Journalismus, in die harte Realität holen - wo den Managern der Medienhäuser oft nicht mehr einfällt als Defensives, das die Substanz und Qualität der Produkte mehr und mehr angreift: sparen, streichen, abbauen.

Von der Fecht ist Insolvenzgeschäftsführer der acht Firmen rund um die zahlungsunfähige Nachrichtenagentur dapd. Und auch er muss nun: sparen, streichen, abbauen. 100 Stellen sollen wegfallen, rund ein Drittel der Arbeitsplätze, das hat von der Fecht am Montag um 12.30 Uhr den Mitarbeitern als Teil seines Sanierungsplans angekündigt. Es ist zu erwarten, dass vor allem der zuletzt stark ausgebaute Sportdienst zurückgefahren wird - für den viele Journalisten aus sicheren Arbeitsverträgen der Konkurrenz abgeworben wurden. Es war eines der jüngsten Expansionsprojekte der beiden Gesellschafter, der Finanzinvestoren Martin Vorderwülbecke und Peter Löw, bevor sie Anfang Oktober die Zahlungen für dapd einstellten und offenbarten, den Betrieb zuletzt mit einer Million Euro pro Monat aus ihrem Privatvermögen bezuschusst zu haben. Auch in den Führungsetagen will von der Fecht Posten streichen. Dass es in der dapd viele Häuptlinge gab, ist bekannt.

Schnelle Suche nach Investor

Die rabiaten Stellenstreichungen sollen die dapd retten, das ist das Paradox. Sie machen es möglich, dass die Agentur aus eigener Kraft arbeitet, keine Verluste schreibt, sondern eine sogenannte schwarze Null vorweisen kann. Das erhöht die Chance, einen Investor zu finden. Der Gesuchte soll möglichst bald nach dem 1. Dezember antreten und den Betrieb weiterführen, wenn die Sanierungsphase und das Insolvenzgeld für die Mitarbeiter enden - er soll verhindern, dass die dapd zugesperrt wird und in Deutschland die Deutsche Presse-Agentur allein den Markt bestimmt. Es geht um Vielfalt, um Demokratie, aber es geht in Berlin jetzt auch um die Existenzen von 300 Journalisten. Denn ob die Sanierung letztlich glückt, ist noch nicht gesagt.

Der akkurate Insolvenzexperte hat sich die Branche und den Betrieb genau angesehen in den vergangenen Wochen. Er hat am dapd-Sitz in der Berliner Reinhardtstraße Quartier bezogen und Entscheidungen nicht einsam, sondern im Gespräch gesucht. Er genießt, soweit man das unter diesen Umständen sagen kann, einen guten Ruf. Dass er nun in den kommenden Tagen mit dem Betriebsrat der Firma über einen Interessenausgleich für hundert Mitarbeiter reden wird, nennt er "eine hohe Zahl" und "sicher schmerzlich". Er sagt aber auch, dass die Zahl "nicht so groß ist, wie es manche befürchtet haben". Für die dapd sei es wichtig, sagt von der Fecht, "dass wir wissen, wir können die schwarze Null auch aus eigener Kraft schaffen" - obwohl es "nicht das Ziel ist, allein weiterzumachen".

Insolvenz für schnelle Sanierung?

40 Prozent des Umsatzes der Agentur kommt aus Verträgen mit Print-Verlagen. An ihnen, vor allem an umsatzstarken Großkunden, müsse sich "jedes Sanierungskonzept notwendigerweise orientieren": Die dapd werde eine Vollagentur bleiben, heißt es. Man wolle die Kunden künftig aber stärker "in die Online-Portale hinein begleiten", also Inhalte für Webseiten der Verlage liefern.

Das Sanierungskonzept ist auch vom Gläubigerausschuss genehmigt worden. Geld zurück verlangen nach Angaben der Geschäftsführung vor allem die Bundesagentur für Arbeit, die das Insolvenzgeld zahlte, das Finanzamt sowie freie Mitarbeiter. Sie werden nach Insolvenzrecht als Gläubiger behandelt, die Einigung mit ihnen, die von der Fecht nun als "guten Ausgleich" bezeichnet, ist aber zugleich für den laufenden Agenturbetrieb notwendig.

Die weitaus größte Summe aber können unter den Gläubigern die Gesellschafter einfordern, die über Jahre hohe Summen in die Firma steckten und sie so bankschuldenfrei hielten. Wie es aus der dapd-Führung heißt, geht es um einen Betrag im zweistelligen Millionenbereich, der allerdings vergleichbar mit Eigenkapital behandelt wird: Vorderwülbecke und Löw würden demnach erst "nachrangig" bedient werden, wenn die anderen abgefunden wurden - falls Geld übrig ist.

Insolvenz als Trick?

Die früheren Mäzene haben mit ihrem Ausstieg viel Vertrauen zerstört. Im dapd-Umfeld hält sich das Gerücht, die beiden hätten die Insolvenz herbeigeführt, um eine schnelle Sanierung zu erzwingen - und dann die abgemagerte Agentur weiterzuführen. Von der Fecht weiß um den damit verbundenen Argwohn.

Es geht um den Verdacht, die Insolvenz sei nur ein Trick und der von den Gesellschaftern vorgeschlagene Interims-Geschäftsführer in Wahrheit ein Gefolgsmann. Von der Fecht hat sich jedenfalls gleich zu Beginn seiner Arbeit per Gesellschafterbeschluss garantieren lassen, nicht weisungsgebunden zu handeln. Es sei "rein theoretisch nicht ausgeschlossen", dass Löw und Vorderwülbecke dapd weiter betreiben wollten, sagt er, ob dies aber praktikabel wäre sei fraglich in Anbetracht der bestehenden Vorbehalte von Kunden, Mitarbeiter und Ko-Investoren.

Wenn es um mögliche Investoren geht, fällt immer wieder der Name des Berliner Nachrichtensenders N24. Er könnte "grundsätzlich ein interessanter Gesprächspartner sein", so von der Fecht. Zugleich wirbt er um Vertrauen bei den Kunden. Mit der ihm eigenen Sachlichkeit hat er die Kündigung der WAZ zur Kenntnis genommen, die seine Sanierung nicht gefährdet, aber an der Reinhardtstraße, wo man mit viel Energie ums Überleben kämpft, wohl als moralischer Schlag empfunden wurde. "Wir sind in interessanten Gesprächen", sagt von der Fecht. Was sonst.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: