Buch über Münchner Immobilienmarkt:Londoner Verhältnisse

Münchens neue Luxusquartiere liegen in Altbogenhausen, Nymphenburg-Neuhausen, Gern und im Lehel - die Preise erreichen europäisches Spitzenniveau. In seinem Buch über den Immobilienmarkt übt Autor und Immobilienexperte Rolf Rossius scharfe Kritik am sozialen Wohnungsbau der Stadt.

Ekkehard Müller-Jentsch

St.-Anna-Brunnen im Münchner Lehel, 2012

Ganz eigener Charakter: Das Viertel rund um den St.-Anna-Platz sei "in das Blickfeld der Kenner gerückt", heißt es in dem Bericht.

(Foto: Stephan Rumpf)

Am Herzogpark, dem noblen Viertel an der rechten Isarseite, wollten sie einst alle wohnen: die Schönen, die Reichen, die Einflussreichen. "Doch die Szene zieht weiter", sagt der Münchner Immobilienexperte Rolf Rossius. Der Herzogpark ist von gestern: "Old Fashion ist out." Die große Wertsteigerung in diesem Bereich sei erstmals passé, behauptet er in seinem neuen Buch über die 250 besten Alleen, Plätze und Straßen in München. Spöttisch bemerkt Rossius, dass die Einfahrt zum Herzogpark mit einem Matratzenladen beginnt und mit einem Betonhaufen endet. In dem Luxusviertel gebe es kaum noch Einkaufsmöglichkeiten und keine Restaurants mehr.

Der Herzogpark sei in den vergangenen Jahren extrem zugebaut worden und damit verschwinde zunehmend der exzellente Villencharakter. "Noble Bauten brauchen Raum, keine Versiegelung der Grundstücke", sagt Rossius. Je dichter die Baumasse sei, um so weniger elegant seien die Wohnungen. "Die extreme Baudichte vernichtet den Luxuscharakter - die Folge sind stagnierende Preise", ganz im Gegensatz zur Entwicklung in anderen boomenden Spitzenlagen", erklärt der Experte. "Nur ein drastisches Umdenken kann diese einst so mondäne Villenlage retten."

Wo der großbürgerliche Charme der Stadt erhalten geblieben ist, werden dagegen absolute Spitzenpreise erzielt. Die jüngere Generation der vermögenden Münchner ziehe auch gerne wieder nach Altbogenhausen, so Rossius. "Und auch das Viertel rund um den St.-Anna-Platz ist in das Blickfeld der Kenner gerückt." Denn da gebe es Bahnen, Busse, Taxistände, viele Einkaufsmöglichkeiten - und einen ganz eigenen Charakter. St. Anna sei der exklusivste Dorfplatz in der Stadt, "als Kapitalanlage bestens geeignet". Den Wertzuwachs setzt er bei 50 bis 75 Prozent in den nächsten zehn bis 15 Jahren an.

"Top Wohnen in München" heißt der dritte Band der Buchreihe des Münchner Bauunternehmers - eine Art Gourmet-Führer für die feinsten Münchner Immobilienadressen. Bei Rossius werden statt Kochhauben Kamine vergeben: Von einem halben wie für die Augustenstraße bis zu fünf in der nördlichen Maria-Theresia-Straße. Rossius berichtet von Preissteigerungen bis zu 50 Prozent bei den Bestlagen in den vergangenen fünf Jahren. Und er kann sich vorstellen, dass dieser Trend noch zehn Jahre anhält und sich die Steigerungen dann verdoppelt haben. "München ist auf dem europäischen Festland bei Immobilien die Nummer 1", prognostiziert er. Die Stadt nähere sich den Preisverhältnissen von London an und habe bereits etwa 80 Prozent des Niveaus erreicht.

Ganz oben auf seiner Bestenliste rangieren auch Nymphenburg-Neuhausen-Gern, "alles nördlich des Nymphenburger Kanals". Und über Schwabing im Bereich Osterwaldpark-Biederstein sagt er: "Diese Gegend löst den Herzogpark ab." Mieten in guten Lagen rangieren zwischen 15 und 24 Euro pro Quadratmeter. "Außer in der Altstadt sind Wohnungen oft bereits teurer als Büros, da der Mietmarkt abgegrast ist." In seinem Buch übt der Kenner von Luxusimmobilien auch Kritik an der Stadt München. Zwar lobt er die Renaturierung der Isar - "eine der besten Verwendungen von Steuermillionen". Dennoch gebe es kaum Häuser mit Flussblick, geschweige denn ein Café, Gasthaus oder gar eine Uferpromenade.

Wesentlich mehr noch wurmt ihn jedoch die sogenannte sozialgerechte Bodennutzung. In den 15 Jahren dieser Vorschrift habe die Stadt 450 Millionen Euro gespart und dafür rund 8400 öffentlich geförderte Wohnungen bekommen, circa 1500 Krippen-, 4700 Kindergarten- und 1000 Hortplätze sowie etwa 1400 Grundschulplätze. Die weniger wohlhabenden Bewohner dieser neuen Wohnanlagen dürften zu einer deutlich positiveren Bewertung kommen - sie profitieren erheblich von der städtischen Vorschrift.

Rossius vertritt die Gegenseite, er wagt sich als einer der wenigen Immobilienunternehmer aus der Deckung: "Die gewaltigen Belastungen müssen von den Bauträgern in die Kalkulationen eingespeist werden und verteuern die frei verkäuflichen Wohnungen entsprechend." Auch deshalb habe München das teuerste Wohnpreisniveau Deutschlands. Die 40 Prozent Normalverdiener, die kein Anrecht auf subventionierte Wohnungen hätten, "tragen also letztlich die Lasten dieser Subventionen".

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