Weltklimakonferenz in Doha:Letzte Chance für die Klima-Rettung

Der Klimawandel vollzieht sich schneller, als selbst Pessimisten noch vor zehn Jahren befürchtet hatten. Das Eis schmilzt in Rekordgeschwindigkeit, der Meeresspiegel steigt dramatisch. Nun treffen sich Klimaexperten beim Gipfel in Doha, um den Ausstoß der Treibhausgase einzudämmen. Ein Erfolg wäre allerdings eine Überraschung.

Christopher Schrader

Immer wieder Ende November, Anfang Dezember wird Aufmerksamkeit zum knappen Gut. Dann beginnt ein Klimagipfel, und viele Organisationen präsentieren neueste Daten und Analysen zur Entwicklung des Klimas. Keine von ihnen, ob nun Unterorganisationen der Vereinten Nationen oder global tätige Umweltschützer, kann dann sicher sein, die Aufmerksamkeit der Nachrichten für sich allein zu haben.

Diesmal verbreiten die Berichte vor allem zwei Botschaften.

Globale Erderwärmung und CO2-Ausstoß

Die Temperaturabweichungen beziehen sich auf die Mittelwerte der bodennahen Lufttemperatur der Jahre 1951 bis 1980. Die Temperaturdaten stammen vom Goddard Institute for Space Studies der Nasa, die Kohlendioxidkonzentrationen (ppm) von der der Noaa.

(Foto: SZ-Grafik/Quelle: PIK)

[] Erstens: Es erfordert schon jetzt große Anstrengungen, das international vereinbarte Limit des Klimawandels noch einzuhalten, wonach die Temperaturen (im Vergleich zu der Zeit vor der Industrialisierung) um nicht mehr als zwei Grad Celsius steigen dürfen.

[] Zweitens: Die Veränderung des Klimas läuft bereits am oder über dem oberen Limit der Annahmen, die vor zehn Jahren noch als pessimistisch galten.

Das zeigt sich zum Beispiel am Treibhausgas-Bulletin der Meteorologischen Weltorganisation in Genf. Es stellt fest, dass der Spiegel von CO2 in der Atmosphäre im Jahr 2011 auf 391 ppm (Teilchen pro Million Gasmoleküle) gestiegen sei. Vor Beginn der Industrialisierung lag dieser Wert bei 280 ppm. Vermutlich ist der Ausstoß des Gases im Jahr 2011 wieder um gut drei Prozent gewachsen, zeigten bereits im Mai Zahlen der Internationalen Energieagentur.

Methan und Stickoxide binden 30 Prozent mehr Wärme als 1990

Hinzu kommen andere Treibhausgase wie Methan und Stickoxide: Sie zusammen binden bereits 30 Prozent mehr Wärme in der Atmosphäre als 1990, zeigen Zahlen der US-Wetterbehörde Noaa. Die Europäische Umweltagentur EEA stellt deshalb bereits eine globale Erwärmung um 0,8 Grad Celsius fest. 2012 wird zwar wohl wie schon 2011 keine Rekorde bringen, aber 2010 war nach Noaa-Daten das wärmste Jahr der Messungen, und alle zehn vergangenen Jahre gehören zu den zwölf Spitzenreitern der Statistik.

Vergleicht man diese Zahlen mit den Angaben aus dem Bericht des Weltklimarats IPCC von 2001, sieht man schnell: Das Klima bewegt sich am oberen Rand der damaligen Projektionen.

Ozeane steigen um mehr als einen Meter

Auf zwei anderen Feldern hat es die Befürchtungen längst übertroffen:

[] Im vergangenen September schmolz die Fläche des Meereises am Nordpol unerwartet so stark zusammen wie niemals zuvor. Der alte Rekord von 2007 wurde gleich um 19 Prozent übertroffen, was in diesem Fall etwa der Fläche Deutschlands und Frankreichs zusammen entsprach. Die minimale Fläche, zu der das arktische Packeis jeweils Mitte September zusammenschmilzt, ist damit mittlerweile noch viel kleiner, als es der IPCC erwartet hatte.

[] Beim Meeresspiegel gilt das Umgekehrte. Er steigt schneller als angenommen. Forscher wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erwarten inzwischen eine Erhöhung der Ozeane um ungefähr 1,2 Meter zum Ende dieses Jahrhunderts.

Bei den Wetterextremen hingegen ist eine derart simple Feststellung nicht möglich. Immerhin drücken sich Klimaforscher nun nicht mehr vor der oft gestellten Frage, ob für manche Stürme, Überflutungen oder Hitzewellen der Klimawandel verantwortlich sei. Sie sagen inzwischen in manchen Fällen zumindest, die Erwärmung habe die Wetterkapriolen wahrscheinlicher gemacht.

So bemühte James Hansen von der Nasa im Sommer 2012 die Analogie eines Würfels. Wo er vor 30 Jahren noch je zwei blaue, weiße und rote Seiten hatte, die für kühle, durchschnittliche und heiße Sommer standen, sei der Würfel mittlerweile "gezinkt": Er habe viermal rot und nur noch je einmal blau und weiß.

Weltbank warnt vor einer vier Grad wärmeren Welt

Angesichts dieser Entwicklung erscheint es Klimaforschern dringender denn je, auf der Zwei-Grad-Grenze zu beharren. Aber viele Wissenschaftler erklären, dass es mittlerweile sehr schwer geworden sei, sie zu halten. So warnte vor Kurzem die Weltbank gestützt auf deutsche Forscher vor einer um vier Grad wärmeren Welt. Die Temperaturen dürften sich um mindestens drei Grad erhöhen, es könnte auch eines mehr werden, selbst wenn die Staaten bisher gegebene, freiwillige Zusagen treu befolgen.

Um das zu verhindern, sei mehr Ehrgeiz im Klimaschutz nötig. Auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen erklärte, für das Einhalten der Zwei-Grad-Grenze müssten und könnten in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Stromversorgung viele Treibhausgas-Emissionen eingespart werden.

Für die Berechnung gibt es auch schon konkrete Vorschläge: Statt umständlich zu bestimmen, welches Land seine Emissionen um welchen Prozentsatz verringern muss, soll Forschern zufolge ein Budget vereinbart werden: 750 Milliarden Tonnen CO2 dürften noch ausgestoßen werden, wenn es mit den zwei Grad klappen soll. Zurzeit entweichen aus Schornsteinen und Auspuffen ungefähr 36 Milliarden Tonnen pro Jahr; die Tendenz ist immer noch steigend. Wenn das so weitergeht, wäre das Budget ungefähr im Jahr 2032 ausgeschöpft.

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