Formel-1-Saisonfinale:Vettel rast zum dritten Weltmeister-Titel

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So turbulent wie das Formel-1-Jahr begann, endet es auch: Sebastian Vettel gewinnt in Brasilien zum dritten Mal den WM-Titel. Obwohl ihn eine Kollision in der ersten Runde auf den letzten Platz fallen lässt, jubelt der 25-Jährige am Ende des Regenrennens. WM-Konkurrent Fernando Alonso kommt Vettel ganz nah.

Michael Neudecker, São Paulo

Christian Horner rief über den Boxenfunk das, was man eben ruft, wenn einer gerade Weltmeister geworden ist, zum dritten Mal nacheinander: "Triple world champion!" Und: "You're the man!" Dann wollte er Sebastian Vettel noch aufzeigen, was für ein Mann er jetzt genau ist: was für eine Sportgröße. "Schumacher, Senna, Lauda, Piquet", zählte Horner auf, der Chef von Vettels Team Red Bull.

Sebastian Vettel lacht, als er es erzählt. "Er hat Prost vergessen", sagt Vettel, er habe Horner das gleich nach dem Rennen gesagt. Vettel lacht schon wieder. So eine Reihung, so ein Rennen, "unglaublich" sei das alles. Das war es wirklich.

Die Formel-1-Saison 2012 war turbulent wie wenige Saisons vorher, und nun dieses Finale, ein atemloses Rennen, ein Hin und Her, ein Auf und Ab, mal mit, mal ohne Regen, mal sah Sebastian Vettel aus wie der Weltmeister, mal Fernando Alonso, und erst am Ende, als die Zielflagge geschwenkt wurde, war es wirklich sicher: Sebastian Vettel ist Weltmeister 2012, der jüngste Dreimal-Weltmeister der Geschichte, Fernando Alonso ist Zweiter. Vettel sagt: "Das war das schwierigste Rennen meines Lebens."

Schon der Start: Vettel stand auf Position vier, Alonso auf sieben, die Ampel wurde rot, die Motoren wurden laut, dann gingen die Lichter aus - und Alonso schoss vor auf Rang vier, Vettel wurde abgedrängt, war Sechster. Kurz darauf stand Vettel gegensätzlich zur Fahrtrichtung, "wie ein Geisterfahrer" fühlte er sich. Er war von Bruno Senna gerammt worden, Teile flogen durch die Luft, in Alonsos Box war dessen Freundin Dascha den Tränen nahe, vor Entzückung, wie es schien. "Ein Rennzwischenfall", sagt Senna, der durch den Aufprall ausschied, "ich konnte ihn nicht sehen, er hat mich nicht gesehen." Die Einschätzung mag richtig gewesen sein, und doch wäre Bruno Senna beinahe der Mann geworden, der das Finale 2012 entschied.

Vettel drehte um, fuhr weiter, nach Runde zwei war er Letzter, Alonso Dritter. Red Bull bangte, Ferrari hoffte, und am Kommandostand neben Horner saß Adrian Newey, der Chefdesigner von Red Bull, vor ihm ein Foto von Vettels Auto. Es war beschädigt, kein Zweifel, nur: Wie stark?

Alonso sagt, er sei immer informiert gewesen, wo Vettel gerade war, er musste es also gewusst haben: Schon nach zwei Runden war er auf bestem Weg, doch noch Weltmeister zu werden. Oder? Nein, sagt Alonso, "in so einem Rennen ist es nie ein Drama, wenn du Letzter bist". In der Tat waren Platzierungen in diesem denkwürdigen Rennen nichts als Momentaufnahmen, es wurde überholt und überholt, dann regnete es, dann wurde es trocken, dann regnete es, nach fünf Runden war Vettel Zwölfter, nach acht Runden war er Sechster, nach elf Runden fuhren Vettel und Alonso erstmals an die Box, sie lagen jetzt dicht zusammen. Der neue Zwischenstand besagte also: Vettel Weltmeister. Und ganz vorne fuhr: Nico Hülkenberg.

Der Deutsche, der dieses Jahr noch einen unterlegenen Force India steuert, trug erheblich zur Besonderheit dieses Nachmittags bei, er führte das Rennen lange an, sogar eine Safety-Car-Phase überstand er. Erst in Runde 48 nutzte Lewis Hamilton einen Fahrfehler Hülkenbergs zur Führung, und dann, in Runde 55, als beide ein paar Autos überrundeten, geriet Hülkenberg ins Schlittern und krachte Hamilton gegen den Vorderreifen. Hamilton schied aus, Button übernahm nun die Führung, Hülkenberg erhielt eine Durchfahrtsstrafe, hinter Button also lagen: beide Ferraris, Felipe Massa und Alonso. Gute 40 Runden lang war Vettel wie der Weltmeister gefahren, Alonsos Rückstand auf das Podium schien zu groß zu sein, aber jetzt? Nach Runde 55 sah wieder Alonso aus wie der Sieger, denn Vettel fuhr zum vierten Mal an die Box, er lag danach auf Rang elf.

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Aber Vettel arbeitete sich erneut nach vorne, er musste: In Runde 62 ließ Massa Alonso passieren, Alonso war nun Zweiter, und Vettel musste jetzt mindestens Siebter werden. Vettel sagt, er habe nicht gewusst, wo Alonso war, auch nicht, wie es um sein Auto bestellt war; er wusste also nicht, dass Unterboden und Auspuff beschädigt waren, ziemlich stark sogar.

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"Ein kaputtes Auto, kein Bordfunk, der Regen, die schlechte Rennposition", Vettel schüttelt den Kopf, atmet ein, atmet aus, was für ein Rennen. Er ist mit seinem kaputten Auto dann vorgefahren auf den rettenden Rang sieben, er lag direkt hinter Michael Schumacher.

Runde 63, Funkspruch an Vettel: "Halt das Auto auf der Strecke, halt es einfach nur auf der Strecke!" Vettel aber war schneller als Schumacher, er bedrängte ihn. Sieben Runden vor Schluss machte Schumacher schließlich Platz.

Er wäre "stolz, wenn Sebastian es schafft", hatte Schumacher vor dem Rennen gesagt. Ansonsten ging es für Michael Schumacher an diesem Tag vor allem um Michael Schumacher: Der siebemalige Weltmeister beendete in São Paulo ja seine beeindruckende Karriere. Zur Startaufstellung fuhr er mit einer Fahne auf dem Auto, auf der "Thank you" stand, am Vormittag schon verabschiedete er sich offiziell vom Team, er weinte dabei. Auch für ihn war das Rennen dann ein eigenartiges, mehrere Boxenstopps, Probleme mit den Reifen, zwischenzeitlich war auch er Letzter. Am Ende war er Siebter, sehr guter Siebter.

Und Alonso? Je näher die letzte Runde kam, desto mehr muss er gewusst haben, dass seine Chance nun nahezu bei null stand. Vettels Wagen hielt durch, und als Paul di Resta eine Runde vor Schluss sein Auto demolierte, war das Rennen vorbei. Das Safety Car kam noch einmal auf die Strecke, und es passte zu diesem kuriosen Saisonfinale, dass es mit einer Safety-Car-Phase zu Ende ging. Button Erster, Alonso Zweiter, Massa Dritter, Vettel Sechster, so endete das Rennen; Vettel 281 Punkte, Alonso 278 Punkte, so endete die Saison.

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Saisonfinale

Am Kommandostand von Red Bull lagen sie sich in den Armen, Vettel fuhr jubelnd durch den Regen, der jetzt wieder stärker wurde, und es war nicht zu hören, was er ihnen zurückrief. Sein Boxenfunk war schon lange ausgefallen.

© SZ vom 26.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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